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Dolmetschen in 47 Sprachen

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Von: Rebecca Fulle

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Das Unternehmen »dolspot« überwindet seit sechs Jahren die Sprachbarrieren zwischen Behörden und Geflüchteten und verbessert zeitgleich die Arbeitsbedingungen für Dolmetscher. Die Anfangszeit des Ukraine-Kriegs war für Frank Melchior und sein Team eine besondere Herausforderung.

Dolmetscher vermitteln, um Geflüchteten zu helfen - das ist das Motto von »dolspot«. Frank Melchior ist Geschäftsführer und Mitgründer des Unternehmens mit Sitz in Fernwald. 2017 haben er, seine Frau Rojan Melchior und Segen Etbarek das Unternehmen gegründet. Nun, sechs Jahre später, hat sich »dolspot« genossenschaftlich aufgestellt und ist eine Kapitalgesellschaft.

Diese vermittelt Dolmetscher deutschlandweit an Behörden, Kliniken und Versicherungen, und das mit Blick auf ankommende Geflüchtete. Bei Behördengängen, im Jobcenter oder in anderen Kontexten sind Geflüchtete aufgrund einer Sprachbarriere häufig auf Dolmetscher angewiesen. Dort setzt »dolspot« an. »Wir haben in unserer Datenbank mittlerweile etwa 700 Dolmetscher, die wir auf Anfrage an öffentliche Einrichtungen vermitteln«, erklärt Melchior.

Die Dolmetschergenossenschaft bietet sowohl Präsenz- als auch Videodolmetschen an. Zu Beginn habe sich eine klare Tendenz zu Präsenzdolmetschen gezeigt. »Es ist das Hauptgeschäft«, sagt Melchior. Das Repertoire der Sprachen hat die Firma in den vergangenen Jahren deutlich ausgebaut. »Derzeit können wir mit unseren Dolmetschern 47 Sprachen und Dialekte abdecken«, sagt der 30-Jährige. Und auch die Gebiete in Deutschland, die derzeit aus Fernwald noch nicht bedient werden, halten sich in Grenzen. »Wenn, dann sind Lücken auf dem Land sichtbar.«

Mit etwa 700 Dolmetschern ist ein gewisser organisatorischer Aufwand verbunden. Aus diesem Grund haben Melchior und seine sechs Mitarbeiter den Prozess von der Anfrage bis zur Abrechnung im Laufe der Zeit automatisiert. Wenn der Einsatzort in einer vom Dolmetscher angegebenen Entfernung liegt und er die Sprachvoraussetzungen erfüllt, wird er von »dolspot« automatisch benachrichtigt. »Wer dann zuerst die Anfrage annimmt, kriegt den Job.«

Die Automatisierung vereinfacht für Melchior den Ablauf. »Sie ist weniger fehleranfällig.« So erhalten die Dolmetscher beispielsweise vor ihrem Einsatz eine Erinnerung, wodurch Ausfälle minimiert werden konnten.

Die ursprüngliche Idee für die Gründung des Unternehmens war, die Bedingungen für die Dolmetscher in der Branche zu verbessern. »Allein das Thema Abrechnung - teilweise haben die Leute ein halbes Jahr auf ihr Geld gewartet«, berichtet Melchior. Nun laufen die Aufträge jedes »dolspot«-Dolmetschers in das System ein und werden entsprechend abgerechnet.

Dabei sind die Preise für die Leistungen individuell, erklärt Melchior. Es komme immer darauf an, wie viele Dolmetscher es in dem angefragten Gebiet gebe, welche Anforderungen es gebe und um welche Sprache es gehe.

Den Radius, den die Dolmetscher abdecken, dürfen sie selbst bestimmen. Die Fahrtkosten bekommen sie rückerstattet - und wenn die Behörde dies nicht übernehme, mache es »dolspot«.

Da das Unternehmen in den letzten Jahren so gewachsen ist, haben Melchior und sein Team beschlossen, es genossenschaftlich aufzustellen. »Wir sind jetzt eine Kapitalgesellschaft«, sagt Melchior. Eine Teilhabe von Gesellschaftern sei nun möglich. »Das ist für alle Seiten ein Gewinn, so können wir genossenschaftlich leichter Mitglieder aufnehmen als beispielsweise mit einer GmbH.«

2019 hatte diese Zeitung bereits über »dolspot« berichtet. Was hat sich seitdem beim Unternehmen getan? »Damals gab es nur ein Konzept, jetzt ist es die Realität.« Auch hatte Melchior damals gesagt, dass sie das größte Dolmetscherbüro werden möchten. »Diesem Ziel sind wir seitdem ein großes Stück näher gekommen.« Aber es gibt auch Konkurrenz, die durchaus mal mit ihren Preisen niedriger liegt. »Da wird dann aber häufig im Nachhinein klar, dass die Leistung dann doch nicht so gut war.«

Besonders das vergangene Jahr war für das Unternehmen eine Herausforderung, denn der Ukraine-Krieg forderte ohne viel Vorlauf eine große Menge an ukrainisch- und russischsprachigen Dolmetschern. »Die Zeit war anstrengend, da wir alles mobilisieren mussten, was ging. Aber es hat sich gelohnt und hat super funktioniert«, erzählt Melchior.

Gerade in solchen Zusammenhängen liegt dem 30-Jährigen das Zwischenmenschliche am Herzen. »Durch die Dolmetscher können wir den Geflüchteten helfen, und das ist das Wichtigste.«

Da der Ukraine-Krieg die Suche nach neuen Dolmetschern mit sich brachte, steckten Melchior und sein Team alle Ressourcen da rein. So muss auch die für den vergangenen Sommer geplante Fertigstellung der Büros in Fernwald noch warten. Er rechnet aber damit, dass die Räume dieses Jahr fertig werden.

Die Dolmetschergenossenschaft hat 2022 merklich Aufschwung erhalten. Einen Teil des Erlöses hat Melchior an die Organisation Fortune Bell, die auch in Fernwald sitzt, gespendet. Diese setzt sich u. a. für ein Dorf in Tansania ein. »Ich denke, dass immer etwas übrig bleibt, was man der Gemeinschaft spenden kann«, sagt der Firmenchef.

Für die Zukunft sind weitere Dinge geplant. »Wir möchten unser System ständig weiterentwickeln«, erklärt Melchior. Unter anderem soll die Personalbeschaffung hoch automatisiert werden. Eine weitere Idee, die der Firmengründer hat, ist Weiterbildungen für Dolmetscher anzubieten.

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