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Ewige Ruhe im Wald

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Von: Rüdiger Soßdorf

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Der jüdische Friedhof im Süden von Hohensolms. © Ruediger Sossdorf

Der wenig aufmerksame Wanderer wird den Ort wohl kaum bemerken: Im Schatten hoher Bäume eines kleinen Wäldchens, eingebettet in Wiesen und Felder, liegt der alte jüdische Friedhof bei Hohensolms.

Ganz am nordöstlichen Rand des kleinen Friedhofs steht der schlichte Grabstein von Samuel Heldenmuth. Der Handelsmann, geboren 1822 in Atzbach, starb im Alter von 73 Jahren in Altenkirchen, wohin er geheiratet hatte. Bestattet wurde er unweit von Hohensolms. Sein Grab ist eine der noch gut sichtbaren 24 ewigen Ruhestätten von Juden aus Hohensolms, Altenkirchen und Erda. Der jüdische Friedhof liegt weit außerhalb von Hohensolms, südlich des Dorfes. Nur wenige Hundert Meter hinter der Kreisgrenze, zwischen Königsberg, Großaltenstädten und Hohensolms.

Von 1773 bis 1927 bestatteten Mitglieder der jüdischen Gemeinden der Gegend dort ihre Toten. Eine Lage am Rande oder gar außerhalb der Dörfer ist nicht so selten. Ein gemeinsames Bestatten jüdischer und christlicher Menschen auf einem Friedhof gab es in der Regel nicht. Und selbst wenn, wie in Gießen auf dem Alten Friedhof zu sehen, der gleiche Begräbnisplatz genutzt wurde, dann wurden sauber voneinander separierte Gräberfelder angelegt. Für Juden war es über die Jahrhunderte eher schwer, überhaupt Begräbnisplätze zu erwerben. Oft wurde ihnen Land überlassen, das nicht anders genutzt werden konnte, heißt es dazu in der Fachliteratur.

Jüdische Friedhöfe liegen zudem nicht selten etwas abseits, um Störungen der Totenruhe zu vermeiden. Sie sind für die Ewigkeit angelegt und überdauern deshalb, wenn nicht wie etwa im Dritten Reich bewusst zerstört, viele Jahrhunderte. Sie stehen in Deutschland deshalb seit den 1950er Jahren auch unter besonderem Schutz. Die Grab- lege erfolgt so, wie es auch nahe Hohensolms zu sehen ist: Die Toten liegen nach Jerusalem ausgerichtet, also in Ostwest-Richtung. Etliche der Grabsteine tragen Inschriften auf beiden Seiten - in Hebräisch auf der Vorder- und in Deutsch auf der Rückseite,

Der jüdische Friedhof in Hohensolms misst 727 Quadratmeter und liegt in einem kleinen Waldstück mit der Flurbezeichnung »Am Judenkirchhof«. Zu finden ist er etwas abseits der landwirtschaftlichen Wege, für den weniger aufmerksamen Wanderer kaum sichtbar. Zu den 24 vollständig erhaltenen Grabsteinen kommen weitere Grabeinfassungen und Sockel.

Eigene Synagoge

in Hohensolms

In Hohensolms sollen, so sagt es die Fachliteratur, bereits im 17. Jahrhundert vereinzelt Juden gelebt haben. Im 19. Jahrhundert bestand dort eine kleine Gemeinde, die auch jüdische Familien aus Altenkirchen und Erda einschloss. Für 1816 sind 34 jüdische Bürger belegt. Um 1835 soll diese Gemeinde sogar knapp 70 Mitglieder gezählt haben.

Zunächst war Hohensolms Filialgemeinde der größere jüdischen Gemeinde Aßlar. Um 1815/16 hatte die kleine jüdische Gemeinschaft dann eine eigene Synagoge in der Hohensolmer Hauptstraße unweit der Kirche eingerichtet, es folgten eine Religionsschule und eine Mikwe, ein rituelles Bad. Doch diese ländliche Gemeinde schrumpfte schon zwei Generation später wieder. Die Synagoge soll ihre Funktion bereits Ende des 19. Jahrhunderts wieder verloren haben. Das Gebäude wurde in die 1970er Jahren abgebrochen. Heute steht dort ein Wohnhaus. Eine Gedenktafel erinnert an den einstigen Standort.

1933 lebten noch zwei jüdische Familien mit dem Namen Löb in Hohensolms. Die eigene Synagoge war Geschichte, die beiden Familien gehörten zur Synagogengemeinde in Niederweidbach.

Die Schicksale dieser Hohensolmser Juden - und jener, die dort geboren sind, aber früher fortzogen - sind dokumentiert in den Listen von Yad Vashem in Jerusalem. Opfer der Verfolgung unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland wurden Ida Hirsch geb. Löb (1885), Clara Jacob geb. Löb (1866), Julius Joseph (1906), Jakob Löb (1895), Julius Löb (1888), Margot Löb (1926), Martha Löb geb. Hony (1903), Gertrud Dorothea Salomon geb. Löb (1877). Von ihnen fand keiner seine letzte Ruhestatt im kleinen Wäldchen südlich von Hohensolms; aber ihre Familiennamen sind dort bis heute zu finden.

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