Emotionale Windkraft-Debatte

Die gemeinsame Entwicklung eines Windparks in Fernwald ist nun ein Stück näher gerückt: Nach Gießen und Fernwald hat jetzt auch Buseck einen Grundsatzbeschluss gebilligt. Die CDU stimmte teils dagegen - und erntete deutliche Kritik.
In Gießen und Fernwald hatten die Parlamente vorgelegt, nun ist Buseck nachgezogen: Mehrheitlich hat die Gemeindevertretung am späten Donnerstagabend nach kontroverser Diskussion einen Grundsatzbeschluss gefasst, um die Entwicklung der Windvorrangfläche 4114a »voranzutreiben und dafür Gespräche mit möglichen Projektierern zu führen«. Diesen maßgeblichen Teil des Beschlusses wollte die CDU nicht mittragen und stimmte dagegen.
Ferner ist laut Vorlage die Beteiligung der Kommunen und ihrer Bürger eine Voraussetzung. Das Projekt soll gemeinsam mit Fernwald und Gießen durchgeführt werden, Info-Veranstaltungen »zu gegebenem Zeitpunkt« folgen. Das Areal liegt zwischen Annerod, Steinbach und Oppenrod, auch die Stadt Gießen verfügt dort über Waldbesitz. »Wir beschließen heute keine Umsetzung«, betonte Erster Beigeordneter Alexander Zippel in Vertretung des Bürgermeisters. Er könne »gut verstehen«, dass das Thema »emotional besetzt« sei - doch falls man schon den Grundsatzbeschluss ablehne, könne Buseck nur noch bei zwei möglichen Standorten auf Gemeindegebiet Einfluss nehmen, bleibe sonst außen vor.
Zentral sei, die Bürger an der Diskussion und finanziell zu beteiligen. Einen konkreten Zeitplan für weitere Beschlüsse konnte Zippel auf CDU-Anfrage nicht nennen - bis zu einer Umsetzung gehe es aber eher um Jahre.
Der Haupt- und der Bauausschuss hatten den Grundsatzbeschluss jeweils mehrheitlich empfohlen. Im Ortsbeirat Oppenrod hatten, wie Roland Kauer (SPD) vortrug, FW und CDU gegen die Vorlage gestimmt. Ein Kompromissvorschlag, um diese quasi in einen Prüfauftrag umzuwandeln, hatte dort schließlich eine Mehrheit gefunden.
Am Donnerstag folgte eine teils emotionale Diskussion, wobei die CDU sich letztlich nicht umstimmen ließ. Zwar ermöglichten Windräder finanzielle Vorteile, sagte die Oppenröder Ortsvorsteherin Claire Blaschke (CDU), doch man dürfe »die unangenehmen Aspekte« nicht vergessen. Sie nannte Lärmbelästigung, Schattenwurf, eine Bedrohung der Fauna - »und dass wir es in einen intakten Wald stellen wollen«. Bürger seien teils »schockiert« über die Pläne. Sie habe verstanden, dass Buseck wenig verhindern könne, »aber trotzdem muss ich es ja nicht gut finden«. Marco Blaschke, ebenfalls CDU, erinnerte an einen Vortrag von Förster Jacob Thomaka über den teils schlechten Zustand des Waldes, »da waren alle schockiert«.
Es gehe um »eine grundlegende Diskussion, die noch viele Gemeinden in Deutschland führen werden«, sagte Kauer und warb für Zustimmung. Wichtig sei: »Da muss Geld in Oppenrod bleiben!«
Uwe Kühn (FW), Vorstandsmitglied der Bürgerenergiegenossenschaft Sonnenland und fraktionsübergreifend als Experte für erneuerbare Energien geschätzt, arbeitete sich an den Bedenken der CDU ab. »Warum stirbt der Wald? Weil wir auf die falsche Energie gesetzt haben«, sagte er mit Blick auf den Klimawandel.
Naturschutz sei »das höchste Gut« bei der Prüfung von Windkraftprojekten - werde etwa ein Rotmilan-Revier nachgewiesen, komme es zu keinem Bau. Den Einwand, dass Wald geopfert werde, konterte Kühn mit einem Vergleich: »Ich kann doch nicht die Blinddarm-OP verweigern, weil dafür die Haut eingeschnitten wird!« Für den großen Nutzen müsse man einen kleinen Schaden in Kauf nehmen, der aber an anderer Stelle ausgeglichen werde.
Auf Waldstandorte, so Kühn, könne man bei der Windkraft in der Region nicht verzichten. Sie seien meist am höchsten gelegen, daher windreich und hätten eine gewisse Entfernung zu den Ortslagen. Auch die Vorrangfläche 4114a sei aus gutem Grund im Teilregionalplan Energie enthalten, der auch auf einem von sieben Kommunen erarbeiteten Flächennutzungsplan basiert. Auch Buseck war daran beteiligt - so habe man Streit über Standorte verhindern können, meinte Kühn.
Die Frage sei nun, ob es einen Auftrag für weitere Verhandlungen gebe, auch Buseck »Herr des Verfahrens« bleibe - »und ob wir von den Windanlagen etwas haben«. Die drei Kommunen sollten im Verbund verhandeln, denn: »Eine Kommune, die keinen Sachverstand beim Wind hat, hat keine Chance gegen einen erfahrenen Projektierer.« Zwar könne er die Einwände verstehen, aber nicht die Konsequenz daraus, die Vorlage abzulehnen. »Was ist denn euer Vorschlag?«, fragte er in Richtung der CDU.
Deren Fraktionschef Frank Müller erneuerte die schon von etlichen Seiten vorgetragene Kritik am Vorpreschen von Gießen, das so offenbar mit den Nachbarn nicht abgesprochen war: »Es war mehr als schlechter Stil, dass die Kommunikation über die Zeitung erfolgt ist.« Das Argument, dass man »sowieso keine Wahl« habe, sich daher »dranhängen« solle, sei schwer zu vermitteln. Viele geeignete Flächen, etwa an Autobahnen, würden aus »politischen Gründen« außen vor gelassen, so Müllers Ansicht. Der CDU gehe es um den Waldschutz, sagte er.
Auch sie könne sich zwar »Schöneres in der Landschaft« vorstellen als ein Windrad, äußerte sich Katharina Habenicht (Grüne). Doch jede Kommune müsse nun endlich ihren Anteil zur Energiewende beitragen. Die Busecker Kommunalpolitik inklusive der Grünen habe es versäumt, etwa den Ausbau von Photovoltaikanlagen auf Bestandsbauten stärker voranzutreiben. Neuen Gewerbeflächen und damit Versiegelung werde »leichtfertig« zugestimmt, »aber beim Wald kann man emotionalisieren«, sagte Habenicht und nannte die Begründung der CDU für deren Haltung »weit hergeholt«.