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»Einmal Rewe und zurück, bitte«

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Der Heuchelheimer Einkaufsbus steuert jeden Donnerstag den örtlichen Verbrauchermarkt an. © SE

85 Bürgerbusse hat Hessen in den vergangenen Jahren finanziert. Daneben gibt es etliche weitere Einkaufsbusse in den Städten und Gemeinden, um gerade älteren und gehandicapten Menschen das Leben zu erleichtern. Wie gut das gelingt, das zeigt das Beispiel Heuchelheim.

Vor etwa 30 Jahren, da gab es in Kinzenbach noch drei Metzgereien, einen Bäcker, einen Lebensmittelladen, zwei Bankfilialen, einen Getränkehandel, eine Post. Geblieben sind heute die Volksbank und der Metzger Mandler. Kein Einzelfall, sondern eine Situation, die kennzeichnend ist für viele Dörfer dieser Größe im Kreis Gießen. Andernorts findet sich teils schon gar nichts mehr.

Gut, dass es den Bürgerbus gibt. Der fährt jeden Donnerstag am Nachmittag Kinzenbacher, die selbst nicht mehr mobil sind, nach Heuchelheim zum Einkaufen: »Einmal Rewe und retour, bitte.« Auf Wunsch geht es auch zum Arzt, zum Rathaus, in die Apotheke oder eben mal ins Eiscafé. Auch Heuchelheimer, denen der Weg zum »Rewe« auf dem Geiersberg, zum Metzger oder zum Bäcker im Dorf zu weit sind nutzen den Bus. Vom Weg zu Aldi oder zum Drogeriemarkt im Gewerbegebiet außerhalb des Dorfes ganz zu schweigen. Dahin verirrt sich kaum einer zu Fuß.

Seit nunmehr drei Jahren gibt es das Angebot - im Januar 2019 ging es auf die erste Einkaufstour. Dabei werden die Menschen an ihrer Haustüre abgeholt und auch wieder zurückgebracht. Ein feiner - und kostenloser - Service in der Gemeinde am unteren Bieberbach. Zielgruppe sind ältere oder gehandicapte Bürger. Möglich wird es vor allem dank des Engagements der Aktiven vom Ehrenamtsverein Heuchelheim. Der organisiert nämlich von Anbeginn die Touren und stellt die acht Fahrer. Diese sind über den Ehrenamtsverein versichert.

Zwischen 250 und 400 Menschen nutzen den Heuchelheimer Einkaufsbus im Jahr - die Schwankung ist pandemiebedingten Ausfallzeiten geschuldet, Corona hat dem 2019 etablierten Angebot einen kleinen Dämpfer verpasst: Aus Angst vor Ansteckung sind manche Menschen eher zurückhaltend, wenn es gilt, den Bürgerbus anzurufen. Zudem wurde im Lockdown weniger gefahren. Aber das kann perspektivisch nur besser werden.

Jetzt wird das Angebot nochmals verbessert und ausgebaut: Mit einem neuen Fahrzeug. Seit einigen Wochen steht ein Opel-Kleinbus zur Verfügung. Voll elektrisch bis zu 200 Kilometer weit mit einer Ladung unterwegs und damit nicht nur umweltfreundlich, sondern auch leise.

Vorgestern war wieder Einkaufstag: Mehrere Kinzenbacher Seniorinnen nutzten das Angebot. Als sie im örtlichen Einkaufsmarkt waren, da ging die nächste Tour los: Dann wurden weitere Bürger aus Heuchelheim abgeholt und zum Einkaufen gefahren. Während die im Rewe-Markt Lemp unterwegs waren, wurden dann die »Kundinnen« aus Kinzenbach wieder nach Hause chauffiert.

Wenn die Nachfrage so bleibt, dann wird daran gedacht, einen zusätzlichen Fahrtag am Dienstag anzubieten, erläutert Otto Martin, der stellvertretende Vorsitzende des lokalen Ehrenamtsvereins.

Die Gemeinde Heuchelheim unterstützt und fördert den Bürgerbus, auch wenn das neue Fahrzeug in Regie des Ehrenamtsvereins läuft. »Der Wagen hat seinen Standort auf dem kommunalen Bauhof, wird dort über die Fotovoltaik-Anlage immer frisch geladen und auch gereinigt und gewartet«, erklärt Bürgermeister Lars Burkhard Steinz.

Der Bus ist nicht nur Einkaufs-Mobil: Er steht zugleich vielen anderen Gruppen aus der Gemeinde zur Verfügung: Die lokale Grundschule kann damit vormittags kleine Gruppen zum Schwimmunterricht ins nächste Hallenbad fahren. Oder Vereine können mit dem Bus an den Wochenenden ihre Mannschaften zu Spielen shuttlen. Auch der Waldkindergarten wurde in den vergangenen Jahren mit dem bislang eingesetzten gemeindeeigenen Kleinbus regelmäßig angesteuert. »Die Kooperation von Gemeinde und Ehrenamtsverein funktioniert hervorragend«, lobt Otto Martin, der auch einer der Fahrer ist.

Mittlerweile sind 85 solcher Kleinbusse in Hessen unterwegs. Finanziert werden die Bürgermobile über die Landesstiftung »Miteinander in Hessen«. Die Gemeinde Heuchelheim und der Ehrenamtsverein geben Zuschüsse zum Betrieb des Bürgerbusses. Weiteres Sponsoring ist möglich: Der Ehrenamtsverein kann gegen einen Obolus Werbung auf dem Bus platzieren lassen.

Am Donnerstag in Heuchelheim informierte sich auch Heinz Zielinski, Vorstand der Landesstiftung, über die vielfältigen Nutzungsmöglichkeiten. Er war voll des Lobes ob des ehrenamtlichen Engagements: »Über die reine Mobilität hinaus wächst das Miteinander«, sagte er.

Das hat man auch andernorts erkannt: In Biebertal beispielsweise rollt dank zahlreicher Ehrenamtler und dem Engagement der Gemeinde seit etlichen Jahren ein Einkaufsbus, ebenso in Staufenberg. In Linden ging der Bürgerbus im Februar 2020 an den Start. Gut ein halbes Dutzend Ehrenamtliche fahren an zwei Tagen die Woche die Einkaufstouren in die Gewerbegebiete. Gerne würde man den Betrieb auf den Freitag ausweiten, um Menschen zur »Tafel«-Ausgabestelle bringen zu können. Derzeit fehlen dafür aber noch ehrenamtliche Fahrer. In Langgöns sollte ein Bürgerbus in dieser Woche seine ersten Runden drehen. Das verschiebt sich aber wegen krankheitsbedingter Ausfälle.

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