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Einmal im Leben

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Von: Thomas Brückner

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»Hauptmann« Josef Neuhäuser (vorne, rechts) Anfang der Neunzigerjahre mit seiner Sektion beim Einzug auf Laubachs Marktplatz. Neben ihm Hans-Jürgen Pfeiffer, Rainer Justus und Harald Repp (v. l.). FOTOs: PM /TB © Thomas Brueckner

»Einmal im Leben« - drei Worte, die unter Laubachs Männern eine besondere Bedeutung besitzen. Träumte doch fast jeder als Steppke davon, einmal »Hauptmann« der Ausschussgesellschaft zu sein. Für Josef Neuhäuser ist der Traum wahr geworden - doch musste er verdammt lang darauf warten.

Gut 31 Jahre ist es her, dass ein noch recht junger Mann aus Gladbeck begann, in der alten Residenzstadt Wurzeln zu schlagen. »Am 1. Januar 1991«, erzählt Josef Neuhäuser, »bin ich nach Laubach gezogen«. Die Krankenpfleger-Ausbildung hatte ihn 1983 nach Gießen verschlagen. Von da waren es zwar immer noch 25 Kilometer bis Laubach, für die nötige Anziehungskraft aber sorgte seine spätere Ehefrau Heike.

Auch der Westfale in Oberhessen sollte eines bald erfahren: »Als Laubacher muss man den Ausschuss feiern!« An die Worte eines Freundes kann sich der heutige Hauptmann noch gut erinnern. Den guten Rat befolgte er, trat der Ausschussgesellschaft 1540 Solms-Laubach bei und marschierte bereits im Juni 1991 mit seiner Sektion durch die Gassen der Altstadt. Klar, mit Eichenlaub am Hut. Und mit einem Stock als symbolischer Bewaffnung, geht der Ausschuss doch auf eine Schützengesellschaft zurück, die der Verteidigung der Grafschaft diente.

Neuhäuser schoss sogleich auch um den Hammel. Ob er jedoch - mit Blick auf ein wenig später anstehendes (meist) einmaliges Ereignis - nicht so genau gezielt hatte? »Wenn Du Hammelschütze wirst, fällt die Hochzeit aus!«, hatte ihm nämlich - angesichts des einhergehenden Aufwands - seine Heike bedeutet. Wenn auch, so darf man zumindest annehmen, von einem Augenzwinkern begleitet.

Doch wurde der heute 61-Jährige weder vor 31 Jahren noch später bester Schütze. Die Hochzeit fand statt.

Neuhäuser hatte rasch Gefallen an den originellen Bräuchen des Ausschusses gefunden, so blieb dem Verein treu und engagierte sich schließlich im Vorstand. 2016 wurde er erstmals zum Hauptführer gewählt, gehörte durchgehend bis 2019 der Vereinsführung an. Ohne dieses Engagement, formell ausgewiesen durch zweimalige Wahl zum Hauptführer, kann niemand Hauptmann werden.

Im Herbst 2019 war’s dann. dass der damalige Amtsinhaber Günter Hoffmann Neuhäuser beiseite nahm: »Wie wär’s, Jupp?« Nicht ohne meine Frau, lautete die Antwort. Verständlich, bedeutet das Hauptmannsein doch hohen Aufwand - was zu den Aufgaben im Geschäft, ein Pflegedienst, noch hinzukäme.

Wie es also anstellen? An einem November-Tag raffte sich Neuhäuser auf, begleitete seine Gattin auf ihrer täglichen Neun-Kilometer-Tour, um sein Ansinnen schonend vorzubringen. Um’s kurz zu machen: Sie sagte »Ja«. Und auch der Rest der Familie sicherte seine Unterstützung zu. Jetzt schien der Weg frei.

Denkste: Im Januar 2020 sorgte das Virus für ein vorläufiges Ende aller Pläne. Und da auch 2021 die Pandemie grassierte, fiel der Ausschuss wiederum ins Wasser. Immerhin konnte im September eine Mitgliederversammlung stattfinden, bei der der »Jupp« zum Hauptmann gewählt wurde. »Klar, ich war stolz wie Bolle.«

Hauptmann muss drei Jahre warten

So kommt’s, dass Neuhäuser wohl der erste Hauptmann ist, der drei Jahre auf sein Fest warten musste.

Von Sonntag an findet es statt. Doch bedurfte es dafür besonderer Anstrengungen, »Wir mussten quasi von Null anfangen.« So war der Zeltbauer über den Lockdown pleite gegangen, fehlte der »Unterbau« an Festdamen und Gabenträgern. Doch alles hat geklappt. »Meine Kollegen vom Vorstand haben einen super Job gemacht.«

In nur drei Tagen steht der Höhepunkt eines jeden Hauptmannnsdaseins an: die Rede im Schlosshof, der neben der gräflichen Familie Hunderte lauschen. Aufgeregt, beteuert Neuhäuser, sei er nicht. »Alles ist geplant, das Manuskript steht schon seit drei Wochen.«

Nicht nur wegen der Pandemie ist der 482. Ausschuss etwas Besonderes - es herrscht erstmals seit den 1990ern wieder Krieg in Europa. Darauf eingehen wird er in der Rede nicht. »Auch ich finde das ganz schlimm. Aber es ist auch wichtig, wieder mal feiern und die Alltagssorgen vergessen zu können.« Nicht zuletzt für die Ukrainer, die dank des tollen Engagements der Laubacher hier eine sichere Bleibe gefunden hätten.

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Josef Neuhäuser © Thomas Brueckner

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