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Eine Frage der Prioritäten

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Von: Christina Jung

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Luxusgut Bioware? Im Kreisgebiet machen Kunden trotz gestiegener Preise beim Einkauf keine Abstriche. SYMBOLFOTO: DPA © DPA Deutsche Presseagentur

Die Bio-Branche war in den vergangenen Jahren im Aufwind. Insbesondere Lebensmittelmärkte und Discounter haben ihr Angebot erweitert. Hat die Nachfrage infolge steigender Lebensmittelpreise nachgelassen? Nein, zeigt eine kleine Umfrage bei Händlern im Kreisgebiet. Denn Bio ist eine Frage der Einstellung.

Unbehandeltes Obst und Gemüse. Eier und Fleisch von artgerecht gehaltenen Tieren. Immer mehr Menschen wollen sich gesund ernähren und nachhaltig leben. Für die Bio-Branche ging es in den vergangenen Jahren bergauf. Kaum ein Discounter kommt heute mehr ohne ökologische Lebensmittel aus. In vielen Supermärkten gehören Handelsmarken mit eigenen Bio-Signets mittlerweile zum Standard-Sortiment. Der Umsatz mit grünen Lebensmitteln erreichte laut statista.com im Jahr 2021 eine neue Rekordsumme: 15,87 Milliarden Euro setzte der Handel um, ein Wachstum von 5,8 Prozent gegenüber dem Vorjahr.

Nun aber steigen die Preise. Die Inflationsrate ist auf dem höchsten Stand seit über 40 Jahren. Laut einer aktuellen Untersuchung des Institutes für Handelsforschung in Köln wirkt sich das bereits auf das Konsumverhalten der Menschen aus. Die Mehrheit plant, Ausgaben zurückzufahren oder hat dies bereits getan. Eine Umfrage der Unternehmensberatung McKinsey ergab, dass insbesondere Menschen mit geringerem Einkommen weniger oder gar kein Geld mehr für teurere und qualitativ hochwertigere Produkte ausgeben wollen. Wird sich das auf die Bio-Branche auswirken? So mancher in diesem Bereich Tätige befürchtet es, wie das Nachrichtenmagazin »Der Spiegel« in seiner Oster-Ausgabe ausführte. Bei den Kunden im Kreisgebiet allerdings ist davon derzeit noch nichts zu spüren.

Ob Naturkostladen, Direktvermarkter oder Lebensmittelmarkt - bisher kaufen die Bio-Kunden zwischen Grünberg und Krofdorf ein, wie bisher. Daniela Fitzthum, die die Naturkostecke in Lich betreibt, hat noch keine besondere Kaufzurückhaltung bei ihrem größtenteils festen Kundenstamm beobachtet. Zwar seien einige Produkte in Folge gestiegener Energie- und Beschaffungskosten teurer geworden. Aber: »Die Menschen, die zu uns kommen, wissen, dass sie etwas mehr hinlegen müssen.« Dass sich das ändern wird, wenn die Preise weiter steigen, denkt Fitzthum nicht. »Unsere Kunden akzeptieren das, weil sie ein anderes Denken haben. Sie leben einfach bewusster.«

Eugenia Schaller, die in der Nachbarkommune Grünberg vor einem halben Jahr den Naturkostladen Sonnenblume übernommen hat, der nun unter dem Namen Schalotte firmiert, bestätigt diese Einschätzung. »Unsere Kunden setzen andere Prioritäten«, sagt Schaller. Gesunde Ernährung mit nachhaltig produzierten Produkten sei ihnen wichtiger als teure Autos oder Handys. Und für den Fall, dass der eine oder andere doch mehr auf seine Ausgaben achten müsse, gebe es die 50-Prozent-Kiste mit Obst und Gemüse, »das nicht mehr so hübsch ist« oder Getreide, Mehl und Hüsenfrüchte in Fünf-Kilo-Einheiten.

Ein ähnliches Bild zeichnet sich bei Direktvermarktern wie den Familien Stroh aus Wissmar und Wagner aus Geilshausen ab. Simone und Andreas Stroh bieten in ihrem Hofladen Eier, Hähnchen, Nudeln, Getreide, Mehl sowie Gemüse und Kartoffeln in Bio-Qualität an. Klar gebe es Kunden, die sich über gestiegene Preise beklagten, sagt Simone Stroh. Aber sie griffen dennoch nach wie vor zu. Stroh: »Qualität muss man eben bezahlen wollen.«

Das denkt auch Franziska Wagner, die gemeinsam mit ihrem Mann Daniel seit 2010 Bio-Produkte aus eigener Erzeugung verkauft - in Lebensmittelmärkten und auf dem eigenen Hof. Vor allem Eier von mittlerweile 900 Hennen, aber auch (nur vor Ort) Nudeln, Suppenhühner, Rind- und Schweinefleisch, Fruchtaufstriche und Honig. »Die Leute, die zu uns kommen, kommen aus Überzeugung. Sie kaufen bewusst beim Erzeuger ein und gehen davon auch nicht ab«, ist sich die Nebenerwerbslandwirtin sicher.

Und was ist mit dem klassischen Vollsortimenter? Greift der Bio-Kunde bei Edeka oder Rewe angesichts steigender Preise zu konventionell produzierten Lebensmitteln? Nein. »Davon ist nichts zu merken«, sagt Olaf Adler, Chef des Edeka-Marktes in Lich und Bruno Krenschker (Edeka Lollar) erklärt: »Wir spüren da keinen Einbruch.« Gleiches gilt für den Mitbewerber. »Die Nachfrage nach Bio ist ungebrochen hoch«, berichtet Anja Loewe, Rewe-Pressesprecherin für den Bereich Mitte. Wer Bio kaufe, tue das bewusst, sei bereit etwas mehr zu bezahlen und werde das wohl auch weiterhin tun.

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