Ein Wanderer in Hessen

Willi Marx prägte von 1985 bis 1997 das Leben in Heuchelheim und anschließend bis Anfang 2010 das im Landkreis Gießen. Über 24 Jahre, mehr als die Hälfte seines Berufslebens, wirkte er als Bürgermeister und Landrat. Heute wird Marx 75 Jahre alt.
Wenn mir im Sommer 1997 jemand gesagt hätte, dass ich jetzt meinen 75. Geburtstag feiere, dann hätte ich es nicht für möglich gehalten«, blickt Willi Marx auf eines der wohl bedeutsamsten, ein geradezu schicksalshaftes Jahr in seinem Leben zurück. Seinerzeit hatte den Heuchelheimer Bürgermeister nur wenige Monate nach seinem 50. Geburtstag ein schwerer Hinterwandinfarkt niedergestreckt. Und wiederum nur etwa vier Wochen später wurde Marx der erste direkt von den Bürgern gewählte Landrat im Kreis Gießen. Unvergessen ist der großartige Empfang am »Kreuz« mitten im Dorf, den die Heuchelheimer »ihrem« Willi Marx bereiteten, als er aus der Reha nach Hause kam.
1997 also setzte sich der Sozialdemokrat bei der Landratswahl gegen den damaligen Hungener Bürgermeister Wilfried Schmied (CDU) und den Fernwalder Kollegen Dieter Howe (Freie Wähler) durch. Nach einem Wahlkampf, der auf der Zielgeraden ohne ihn stattfand. Während Marx sich im Krankenhaus und der Reha-Einrichtung erholte, warben seine sozialdemokratischen Parteifreunde für ihren Kandidaten - mit Erfolg.
2003 wurde Marx für eine zweite Amtszeit bestätigt. Anfang 2010 dann zog er sich nach insgesamt 47 Berufsjahren und 24 Jahren im politischen Hauptamt von der öffentlichen Bühne zurück.
Seitdem ist es ruhig geworden um den ehemaligen Landrat, der auf der politischen Bühne durchaus Ecken und Kanten zeigte. Zu den Stillen im Lande zählte er nicht und war auch nicht immer bequem. Seine Arbeit wurde gerne als fordernd apostrophiert, er selbst als ambitioniert und durchsetzungsfreudig, ausgestattet mit dem »Willi-Willen« sowie beseelt von dem Wunsch, vieles selbst und besser als andere zu machen. Dies immer mit dem unbedingten Blick nach vorn.
Willi Marx hat es vor gar nicht allzu langer Zeit wieder nach Südhessen gezogen. Seinen Alterswohnsitz hat er in Egelsbach gewählt, ganz in der Nähe einer seiner Töchter. »Jetzt ist das Finanzamt Langen für meine Steuererklärung 2022 zuständig«, scherzt er dieser Tage. Denn da schließt sich ein Kreis für den »Wanderer in Hessen«, wie er sich selbst einmal lächelnd nannte. Es ist just jenes Amt, in dem Marx am 3. Januar 1965 nach der Ausbildung im Finanzamt Alsfeld und der Landesfinanzschule in Rotenburg/Fulda anfing.
Berufliche Stationen des in Holzburg nahe Schrecksbach in der Schwalm geborenen Diplom-Verwaltungswirtes waren danach die Leitung des Ordnungsamts in Dreieich und von 1982 an ebendort die Arbeit im höheren Verwaltungsdienst.
In den Kreis Gießen war Willi Marx 1985 gekommen. Seinerzeit hatte ihn die rot-grüne Mehrheit in der Heuchelheimer Gemeindevertretung zum Bürgermeister gewählt. Er setzte sich gegen Amtsinhaber Adolf Menges (Freie Wähler) durch. Die Wiederwahl für weitere sechs Jahre 1991 war mangels eines Gegenkandidaten quasi Formsache.
1983 hatte sich Willi Marx schon einmal um ein Bürgermeisteramt im Gießener Land beworben: Damals kandidierte er in Hungen um die Nachfolge von Kurt Reber. Marx unterlag bei der Wahl in der Stadtverordnetenversammlung jedoch Wilfried Schmied - jenem Christdemokraten, den er 14 Jahre später bei der Landratsdirektwahl überflügelte.
Nach zwölf Jahren im Landratsamt war für Marx 2009 recht schnell klar, keine dritte Amtszeit anzustreben. Zumal er es als Macher mit Durchsetzungswillen auf dem kreispolitischen Parkett nicht ganz so leicht hatte wie in den Jahren zuvor in Heuchelheim,
»Gespräche müssen zu Ergebnissen führen, Ergebnisse zu Entscheidungen und Entscheidungen zu Taten«, zitierte Marx gerne Altbundeskanzler Helmut Schmidt. Das ließ sich in einer 7500-Einwohner-Gemeinde gut praktizieren und sichtbar umsetzen: Die Stadt- und Dorferneuerung, der Ausbau der kommunalen Jugendpflege und der Kindergärten, die Begründung der Partnerschaften mit Pretzsch (Sachsen-Anhalt) und Dobrzen-Wielki (Polen), das Erschließen eines Baugebiets in Kinzenbach und der Gewerbeflächen in Heuchelheim-Nord, das Ende der umstrittenen Auskiesung in der Lahnaue oder aber die Einrichtung des Martinsmarktes. Die Liste von Marx’ Erfolgsprojekten ließe sich leicht fortsetzen.
Es wurde ab 1998 ein ungleich härteres Geschäft an der Spitze des Kreises mit damals rund 260 000 Einwohnern, einer sehr großen Verwaltung und nicht immer einfachen politischen Gegebenheiten. Bei der Wahl zum Kreistag 2006 verlor die SPD die Mehrheit. In den folgenden knapp vier Jahren sah sich der Sozialdemokrat Marx in den Kreisgremien mit einer Mehrheit von CDU, Freien Wählern und FDP konfrontiert. Wobei Marx als Landrat durchaus Spuren hinterlassen hat: Marksteine sind etwa die Mitarbeit bei der Gründung von »MitteHessen«, das Engagement für den Tourismus in der Region, die regionale Wirtschaftsförderung, die Mitarbeit beim mittelhessischen Existenzgründungsfonds »Regio-Mit« oder die Klimaschutz- und Energieagentur.
»Zehnmal Gesundheit, ein langes Leben, möglichst noch zwei Jahrzehnte, verbunden mit einem intakten Umfeld.« Das hatte sich Willi Marx vor 15 Jahren anlässlich seines 60. Geburtstags gewünscht. Alsdann: Auf die kommenden Jahre!