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Ein glänzender Geschichtenerzähler

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Von: Barbara Czernek

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»Manchmal ist es besser, nicht zu fragen«, erzählt Joe Bausch vom Umgang mit Schwerverbrechern. © Barbara Czernek

Der Tatort-Schauspieler und frühere Gefängnisarzt Joe Bausch hat in seinem Buch »Gangsterblues« ungeschminkte Wahrheiten aus seiner einstigen Arbeit in der Justizvollzugsanstalt Werl zusammengetragen. Am Samstag erzählte er daraus in der Hungener Stadthalle. Zweieinhalb Stunden waren dabei keine Sekunde zu lang.

Er könne »alles außer kurz«, sagte Joe Bausch zu Anfang seiner Buchvorstellung »Gangsterblues« in Hungen am Samstagabend - und er sollte Recht behalten: Seine Plauderstunde endete nach rund zweieinhalb Stunden. Sie war keine Sekunde zu lang, denn Bausch ist ein glänzender Geschichtenerzähler.

Und genau das tat er auch: Er hielt sich an kein Script und las die Geschichten seines Buchs nicht vor, sondern erzählte sie, baute sie aus und fütterte sie mit weiteren Geschichten und Hintergrundinformationen. Wer sich auf Joe Bausch einlässt, der erhält ein Gesamtpaket an ungeschminkter Arbeit hinter den Gefängnismauern, die er zusammengetragen hat. Das und weitaus mehr präsentierte er gemeinsam mit der Gießener Band »Bluesdoctor« am Samstagabend in der Hungener Stadthalle.

Bausch war mehr als 30 Jahre lang Mediziner in der Justizvollzugsanstalt Werl. »Die meisten Menschen kennen Justizvollzugsanstalten nur aus amerikanischen Filmen, die haben aber nichts mit der deutschen Realität zu tun«, sagte Bausch. Ein harter Job, »bei dem man auch mal Tomaten auf die Augen bekam, wenn man nicht aufpasste.«

Allerdings ist der glatzköpfige Arzt vielmehr als kühler Rechtsmediziner Dr. Josef Roth im Kölner Tatort bekannt. Durch diesen Bekanntheitsgrad saß er schon in jeder erdenklichen Talkshow. Und wenn irgendetwas in Sachen Strafvollzug nachzufragen ist, dann läute bei ihm das Telefon, versicherte er. Nachdem sein erstes Buch »Knast« (2012) ein großer Erfolg war, legte er dann 2019 mit »Gansterblues« nach.

Die Klientel in Werl sei sehr speziell. Das Gefängnis gehört mit seinen 1034 Haftplätzen zu den größten in Deutschland. Häufig kämen die Entlassenen nach der Haft nicht mit dem Leben außerhalb der Mauern zurecht. »Man müsste ihnen eigentlich in den letzten Monaten beibringen, wie man mit einem Hartz IV-Satz auskommt, denn darauf läuft es meistens hinaus«. Klare Realitäten, nüchtern ausgesprochen.

»Wer nach Werl kommt, der hat es sich quasi »verdient«. Dort sitzen Schwerstkriminelle jeder Couleur ein und dies meistens zu recht. Das Arbeiten dort sei kein Zuckerschlecken. »Als Arzt bekommst du Antworten, wenn du fragst. Manchmal ist es besser, nicht zu fragen«.

Dabei kämen immer wieder auch erschreckende Tatsachen zu Tage. »Studien haben ergeben, dass rund 15 Prozent aller Insassen psychisch krank sind«, erklärte Bausch. So berichtete er von einem Insassen, der nach mehr als 20 Jahren entlassen werden sollte. Dieser kam zu ihm und sagte: »Helfen sie mir, dass ich nicht entlassen werde«.

Der Häfling habe unglaubliche Fantasien in sich getragen, die er für Bausch niederschrieb. Und dieser wiederum sorgte anschließend dafür, dass er in die forensische Psychiatrie kam. »Ich habe bis zu seinem Tod jedes Jahr von ihm ein Dankesschreiben erhalten.«

Aber auch anderes hat Bausch erhalten: seltsame Telefonanrufe und Morddrohungen, die dazu geführt haben, dass er mehrere Monate von der Polizei bewacht wurde.

Die Band »Bluesdoctor,« bestehend aus Thomas Geis (Gitarre), Harmut Dietrich (Mundharmonika und Gesang) und Christoph Handrack (Keybord und Gesang), begleitete den Abend. Ihr Name ist Programm, und die Musiker umrahmten Bauschs Vorstellung mit einer gehörigen Portion Rhythm and Blues vom feinsten - oder wie Bausch es sagte »Das ist ne geile Mucke«. Sie kennen sich seit zwei Jahren und traten schon einige Male zusammen auf, unter anderem beim Gießener Krimifestival.

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