Ein bunter Kessel Stadtgeschichte

Grünberger Stadtgeschichte wirkt bis in die Gegenwart. Warum der »Schnee von gestern« aktueller ist als angenommen, erzählt das Musical »Der Turm«. Am 10. September ist Premiere. Ein Probenbesuch.
Der Countdown läuft: In drei Wochen, am 10. September, erreichen die Feierlichkeiten zum 800-jährigen Stadtjubiläum von Grünberg einen weiteren Höhepunkt: Dann feiert das eigens aus diesem Anlass in Auftrag gegebene Musical »Der Turm« Premiere. Die Leitung hat der Musiker, Komponist und Texter Peter Herrmann (Lollar).
Wobei die Aussage »unter der Leitung« laut Herrmann eigentlich nicht zutreffend ist. Er habe das »Grünberg-Musical« verfasst, aber erarbeitet werde das Ganze in den Proben gemeinsam, schildert er im Gespräch mit dieser Zeitung. Da sich die meisten Mitwirkenden schon länger kennen und bereits in anderen Projekten zusammengearbeitet haben, sei dies überhaupt kein Problem - im Gegenteil: So werde die Vorlage bei jeder Probe weiterentwickelt. Gemeinsam eben.
13 professionelle Musiker und Darsteller, dazu Schüler der Gallusschule und Grünberger Bürger werden die Geschichte erzählen. Im Mittelpunkt steht der Diebsturm. Zwei Jugendliche treffen sich zufällig vor diesem Wahrzeichen, als sie den Turm betreten, fällt hinter ihnen die Tür ins Schloss. Dann - ein charmanter Einfall - können die beiden Eingeschlossenen aus den Turmfenstern in die Vergangenheit schauen.
Jedes Guckloch hält eine eigene Grünberger Geschichte bereit. Der Bau der Burg etwa, Luthers Besuch, die Erfindung der Wasserkunst, das Wirken Theo Kochs, die Verkündigung der Marktrechte und und und. Nach und nach begreifen die beiden, dass Geschichte eben nicht - wie es in einem der Songs heißt - »Schnee von gestern« ist, sondern stets in die Gegenwart hineinwirkt und Geschichtsvergessenheit nicht dienlich ist, will man das Jetzt begreifen.
»Was heute eine Festung, hat morgen kein’ Bestand, wenn die richtige Frage Türen öffnen kann. Dass Reichtum und Macht nie von Dauer war’n, dass kein noch so großes Heer jemals einen Krieg gewann«, heißt es weiter in jenem Song. Weise und anrührende Worte angesichts der aktuellen Weltlage. Oder wie es Darstellerin Lisa Marie Krause ausdrückt: »Geschichte ist nix, was man sich nur im Museum anschauen sollte. Man kann daraus auch was lernen.«
Geprobt wird nun schon seit vier Monaten. Zunächst musikalisch in Hermanns Studio auf dem Kirchberg bei Lollar, später szenisch im sogenannten alten Atelier der Schwiegermutter oder auch mal auf einer Picknickdecke im Gießener Theaterpark. Die Truppe ist kreativ.
Vergangenes Wochenende trafen sich Lisa Marie Krause (Gesang, Flöte), Anna Daum (Gesang), Mischa Jung (Gesang), Peter Herrmann (Bass, Gitarren), Ralf Gräbe (Gitarre, Gesang), Daniel Schulz (Keyboards) und Moritz Weissinger (Schlagzeug) in Volker Seidlers Creaton-Studio in Lollar, um die Songs einzuspielen und professionell abzumischen. Was da zu hören war, überzeugt in jeder Hinsicht - sowohl was die Kompositionen als auch deren Umsetzung betrifft. In einigen Tagen kann man unter www.rockopern.de schon mal reinhören.
Stilistisch wird dabei ein breites Spektrum abgedeckt. Rocksongs mit knackigen Gitarrensoli, Popsongs mit drei- bis vierstimmigen Chorsätzen, folkloristische Tänze, »das ein oder andere Musical-Klischee« (Herrmann) und selbst aus der klassischen Musik gibt es Anleihen. Demnach wird gewiss für jedes Alter und für die meisten Geschmäcker etwas dabei sein. Ein bunter Kessel Stadtgeschichte also.