Die Natur holt sich den Bruch zurück

Vor etwa 400 Millionen Jahren, im Devon, erfolgte durch Verschiebungen auf der Erde die Bildung von Kalkstein aus Korallenriffen; auch am Dünsberg. Bis vor 35 Jahren wurde der Kalk dort abgebaut. Seitdem erobert sich die Natur den Bruch zurück.
Ein Grünspecht fliegt von dannen, zwei Rehe beäugen den Wanderer vorsichtig und ziehen sich etwas weiter ins Gehölz zurück. Ansonsten herrscht Ruhe im ehemaligen Steinbruch »Eberstein« und dem angrenzenden. Naturschutzgebiet zwischen Bieber und Königsberg. Die einstige Zufahrt ist mit einer Schranke versperrt. Schilder weisen unmissverständlich darauf hin, dass die Natur ungestört bleiben soll. Denn dort sind seltene Tiere und Pflanzen heimisch. Naturfreunde wie der Biebertaler Karl Herrmann, ein profunder Kenner des unter Schutz stehenden Areals, haben bei Führungen gerne auf Rosskümmel, Wunderveilchen sowie Knabenkraut verwiesen, zudem auf die Geburtshelferkröte, Baumpieper oder den Uhu, der dort jagt und brütet.
Millionen Jahre alter Kalk
Wie aber kam der Kalk an den Dünsberg? Als die Kalkablagerungen vor schätzungsweise 400 Millionen Jahren entstanden, da könnte der Dünsbergsgrund in Biebertal am Äquator gelegen haben. Erst die Verschiebung der Erdplatten, das Auseinanderdriften der Kontinente, brachte den Kalk an seine heutige Stelle.
Schon seit Jahrzehnten weiß man um den Wert von Flora und Fauna ebendort im »Eberstein«. Das Naturschutzgebiet im vorderen Bereich besteht bereits seit 1957.
Der Kalkabbau hat eine lange Tradition: Bereits um 1620 wird im Tal der Bieber das Kalkbrennen erwähnt. Der Kalkbruch »Eberstein« wurde seit 1953 in großem Stil betrieben, zuerst von der Kalksteinwerk Eberstein KG (Inhaber Franz Wagner), von 1957 bis 1986 durch die Firma Westermann. Der Kalk ging unter anderem zu Papierherstellern in Aschaffenburg, zu den Farbwerken Höchst oder in Zuckerfabriken. Kurzzeitig wurde auch das Zahnpasta-Werk in Kriftel beliefert, hat der Heimatkundige Frank Reif dazu in seiner Bieber-Chronik festgehalten.
Einer, der sich mit der Historie des »Eberstein« zwischen Bieber und Königsberg, unweit der Obermühle, bestens auskennt, ist Horst Schmidt aus Bieber. Der heute 87-Jährige ist gelernter Bergmann und hat von 1956 bis 1968 im »Eberstein« gearbeitet, zuletzt als Sprengmeister. Schmidt hat vor wenigen Tagen erst dem freien Journalisten Klaus Waldschmidt seine Erinnerungen in den Block diktiert. Er berichtet von zeitweise bis zu 30 Beschäftigten im Zwei- Schicht-Betrieb. Zum Transport im Steinbruch waren Loren im Einsatz, In den ersten Jahren wurden 500 bis 600 Tonnen Kalkstein am Tag abgebaut. Zuletzt waren es 1500 bis 1600 Tonnen pro Tag.
Geblieben ist nicht mehr viel von dem einst ausgedehnten Kalkhügel. Nach Ende des Tagebaus wurde die Sohle des Steinbruchs um etwa vier bis fünf Meter mit Abraum aufgefüllt und seitdem mehr oder weniger der natürlichen Sukzession überlassen. Ein vor rund 30 Jahren einmal angedachtes detailliertes Pflegekonzept wurde nicht weiter verfolgt.