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Die Krux mit den Baudenkmälern

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Von: Patrick Dehnhardt

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Ein Bild des Zerfalls bietet dieses denkmalgeschützte Gebäude in der Licher Altstadt. © Patrick Dehnhardt

Denkmalgeschützte Häuser sind teuer im Unterhalt, eine energetische Sanierung ist zudem deutlich aufwendiger, da Standardlösungen für die »Oldtimer-Immobilien« nur selten passen. Auch stellt sich der Denkmalschutz des Kreises bei Fotovoltaik quer. Dezernent Christian Zuckermann sieht dennoch keine Gefahr, dass weniger Menschen Baudenkmäler erwerben und erhalten.

Wer ein denkmalgeschütztes Haus erhalten will, braucht Enthusiasmus, handwerkliches Geschick und Geld. Während in einem Haus aus den 1970er Jahren nach Lust und Laune Fenster ausgetauscht, Dächer mit Fotovoltaik bestückt oder Wände gedämmt werden dürfen, ist dies bei einem denkmalgeschützten Gebäude nicht so einfach möglich. Die Denkmalschutzbehörde erlässt Vorgaben, wie etwa Dachziegel auszusehen haben oder mitunter sogar, aus welchem Holz die Fenster sein müssen. Das sorgt vor allen Dingen für Mehrkosten, die jedoch nicht jeder tragen will oder kann.

Es ist eine Krux mit den Baudenkmälern. Ohnehin sind die Preise für Immobilien und Baumaterialen in den vergangenen Jahren extrem gestiegen, hinzukommen die noch nicht absehbaren Kosten der Energiewende. Auf der anderen Seite wollen Kommunen und der Landkreis insbesondere alten Ortskernen neues Leben einhauchen und ermutigen Menschen auch mit finanziellen Anreizen, hier zuzuschlagen ( siehe Info-Kasten ). Könnte es dennoch sein, dass sich aufgrund der aktuellen Situation weniger dazu entscheiden, ein denkmalgeschütztes Haus zu kaufen und instand setzen zu wollen oder es einfach verfallen lassen - mangels Motivation oder Geld?

Christian Zuckermann, der für den Denkmalschutz zuständige Dezernent beim Landkreis Gießen, sieht diese Gefahr nicht: »Der Erhalt und der Erwerb eines Baudenkmals ist eine bewusste Entscheidung«, teilt er mit. »Hier sprechen wir über Nachhaltigkeit, Geschichtsbewusstsein und die Identifizierung mit den Strukturen der jeweiligen Ortschaften.«

Jedoch gab und gibt es auch immer wieder Beispiele, dass Baudenkmäler bewusst verfallen gelassen werden, um sie irgendwann aufgrund von Einsturzgefahr abräumen zu können. Oder dass die Besitzer kaum bis nichts in den Erhalt investieren. In Lich in der Löwengasse etwa stehen denkmalgeschützte Fachwerkbauten. Bei einem bröselt seit Jahren der grüne Putz, sind Fenster vernagelt und teils eingeschlagen. Am gegenüberliegenden Fachwerkbau wecken zumindest frisch abgeschlagener Putz, Baustützen und Absperrgitter die Hoffnung, dass sich hier nun etwas tut.

Zuckermann sagt mit Blick auf solche zerfallende Häuser, dass Eigentümer aufgrund des Denkmalschutzgesetzes dazu verpflichtet sind, im Rahmen des »individuell Zumutbaren« die Gebäude zu erhalten und zu pflegen. »Als letzte Möglichkeit kann der Eigentümer durch eine Verfügung zum Handeln gezwungen werden.« Jedoch suche man zunächst den Dialog und biete zudem auch einige Unterstützungsmöglichkeiten an.

Dass ein Fachwerkhaus im Unterhalt kostspieliger als ein Fertighaus ist, ist keine neue Entwicklung. Zuckermann vermutet, dass sich die gestiegenen Baustoffpreise auf »den Erhalt und Erwerb von Baudenkmälern genauso auswirken wie bei dem Erhalt und Erwerb von Gebäuden, welche keine Baudenkmäler sind«.

Ein großes Problem für die Besitzer ist die Energiewende. Ein Fachwerkhaus mit einer dicken Schicht aus Dämmmaterial einzupacken, würde nicht nur die Fassade, die geschützt werden soll, komplett verdecken. Es kann im schlimmsten Fall dazu führen, dass die Balken aufgrund der Abdichtung wegfaulen. Zuckermann sagt, dass man jedes Gebäude mit seinen Be-sonderheiten und Eigenheiten betrachten müsse. »Nichts ist ärgerlicher, als die vorhandene Substanz falsch zu sanieren.«

Kompliziert wird es für Baudenkmalbesitzer auch in Sachen Heizung: Öl- und Gasheizung sind von der Bundesregierung gewollte Auslaufmodelle, eine Wärmepumpe funktioniert aufgrund der ungedämmten Hauswände nicht wirtschaftlich, und Geothermie und ähnliche Techniken sind aufgrund der meist kleinen Grundstücke in den Ortskernen nicht möglich.

Eine pauschale Antwort darauf, auf welche Heiztechnologie Baudenkmalbesitzer setzen sollen, kann Zuckermann darum nicht geben. Er rät dazu, dass man bei der Entscheidung, welche Heizung und Dämmtechnik es sein soll, einen Energieberater mit ins Boot holt, der speziell für Baudenkmäler ausgebildet ist. Für einen energetischen Sanierungsfahrplan seien auch Landesfördermittel erhältlich.

In Langgöns hat sich die Gemeindevertretung kürzlich mit diesem Thema beschäftigt. Dort wurde die Idee diskutiert, für die Gebäude der alten Ortskerne eine gemeinsame Heizungsanlage zu errichten, sodass nicht jeder Hausbesitzer diese selbst vorhalten muss. Diese »Energiedorf«-Idee wird bereits im Landkreis Marburg-Biedenkopf vielerorts praktiziert.

Dass bei der Aufzählung Warmwasserkollektoren fehlen, hat einen Grund: Bislang stellte sich die Denkmalschutzbehörde des Landkreises Gießen quer, wenn Baudenkmalbesitzer Fotovoltaik oder Solarthermie auf ihren Dächern installieren wollten. Ein Beispiel aus Bellersheim ging dabei mehrfach durch die Medien. Dort befand die Denkmalschutzbehörde, dass an einem wenig attraktiven Ortseingang just die geplante Fotovoltaikanlage auf einer Scheune den Blick auf die Kirche stören würde.

Zuckermann verspricht bei solchen Aspekten mehr Pragmatismus: »Der Denkmalschutz im Landkreis Gießen war nie und wird nie ein unflexibles Konstrukt. Ganz im Gegenteil: Mit den Eigentümern wird in den allermeisten Fällen eine konstruktive Lösung für deren Anliegen gefunden.« Für den erwähnten Fall wird es diese Lösung allerdings nicht geben. »Hier geht es um die Ortsansicht von Bellersheim bei Einfahrt in das Dorf in der Gesamtschau. Diese möchte man aus denkmalpflegerischer Sicht nicht aufgeben«, schreibt Zuckermann. Die Scheune stehe zu »prominent« für eine Solaranlage.

Wenn keine ortsbildprägende Ansicht betroffen ist, seien schon immer Teillösungen möglich gewesen, sagt der Dezernent. Da man jedoch den Druck bei diesem Thema spürt - 2,6 Prozent aller deutschen Bauwerke sind denkmalgeschützt -, kündigt Zuckermann für den Herbst eine öffentliche Veranstaltung des Landkreises an. »Dort soll ein Leitfaden des Landes vorgestellt werden und mit den Bürgern des Landkreises das Gespräch gesucht werden.«

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