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»Die Kreidezeit ist vorüber«

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Für die Ferienspielkinder in Heuchelheim gehören Computer längst zum Alltag. © Red

Wie können Kinder sicher im Internet unterwegs sein? Das war jüngst Thema bei den Heuchelheimer Ferienspielen. Eines zeigte sich bei diesem Kurs: Das digitale Wissen der Kleinen ist größer, als die meisten wohl vermuten.

Natürlich waren die Worte nur im Scherz gemeint. »Meine Eltern haben mich gezwungen, hierher zu kommen«, erzählten einige der Kinder zu Beginn des Kurses. Ein Funken Wahrheit aber war wohl auch dabei. Denn wenn es um das Thema Sicherheit im Netz geht, fühlen sich viele Eltern überfordert. Und viele Kinder sind sich der Gefahren nicht bewusst.

Im Rahmen der Ferienspiele der Gemeinde Heuchelheim bekamen die Kinder im Alter von acht bis zwölf Jahren von Mitarbeitern des »SuchtHilfeZentrums« aus Gießen nähergebracht, welche Gefahren auf dem Smartphone und im Internet lauern und wie sie diesen begegnen können.

Die Digitalisierung sei überall, sagt Mario Bostan Manesch, der zusammen mit Malina Subotic den Kurs leitet. Man könne ihr nicht mehr entkommen. »Die Kreidezeit ist vorüber«, sagt er. Eltern rät er dazu, den Kindern bis zum vierten Lebensjahr überhaupt keinen Zugang zum Internet zu gewähren. Danach könne man die Kleinen schrittweise heranführen.

Wie vernetzt Kinder heutzutage in der Welt bereits sind, das wurde gleich zu Beginn des Kurses deutlich. Über Apps wie Telegram, TikTok und Instagram bis hin zum Darknet wussten alle reichlich zu berichten. Gefragt nach ihren liebsten digitalen Medien nannten sie die Videoplattform YouTube oder aber das Videospiel Fortnite. So ziemlich die gesamte Palette an unterschiedlichen Möglichkeiten, die das Netz und die digitale Welt zu bieten hat, ist ihnen bekannt. Für die Kinder dieser Generation jedenfalls gab es nie eine »Kreidezeit«. Sie sind schlicht in eine vollends digitale Welt geboren worden.

Mit der Vielzahl an digitalen Möglichkeiten, die die Kinder heute haben, steigt aber auch die Anzahl der möglichen Gefahren für sie. »Der Instagram-Account meiner Freundin wurde schon einmal gehackt«, erzählt eine Teilnehmerin. Deswegen sei es wichtig auf die Gefahren im Netz, beispielsweise auf Social Media, aufmerksam zu machen, sagt Bostan Manesch.

Kinder könnten heute der Digitalisierung nicht mehr entkommen, wie Homeschooling und digitales Lernen zeigen. Auch gebe es keinen gesicherten Forschungsstand, was beispielsweise soziale Medien oder das digitale Lernen an Schulen für Auswirkungen auf Kinder habe. »Das alles ist zu neu«, sagt Bostan Manesch. »Vieles davon wurde einfach auf den Markt geworfen.«

In Heuchelheim ging es um die praktischen Dinge. Den Kindern wurde gezeigt, wie sie sichere Passwörter erstellen, und was ein schlechtes Passwort genau ausmacht. Auch die ominösen »Cookie« wurden ihnen nähergebracht. Diese tauchen immer beim Besuchen einer Website auf und werden auf dem Rechner gespeichert. So merkt sich die Website, ob sie schon einmal angeklickt wurde und ruft bei einem erneuten Besuch die gespeicherten Daten wieder ab.

Am interessantesten wurde es für die Ferienspielkinder, als es um die Apps ging, die viele von ihnen selbst regelmäßig benutzen. Instagram etwa oder TikTok. Und natürlich kam die Frage auf: Wie viel gibt man von sich im Netz preis? Schon der einfache Auftrag, den eigenen Namen im Netz zu googeln, führt mitunter zu erstaunlichen Erkenntnissen. Die Teilnehmer jedenfalls konnten so sehen, was über sie im Netz mit nur wenigen Klicks zu finden ist. Dass Profile auf sozialen Medien auch auf »privat« gestellt werden können, damit nicht jeder sofort Einsicht über im Netz Geteiltes erhält, war einer der Hinweise der Kursleiter.

Ein anderes Problem für viele Heranwachsende ist, dass sie der Scheinwelt von Instagram und Co. erliegen. Dass die Darstellung in den sozialen Medien nur selten der Wirklichkeit entspricht, wurde auch in Heuchelheim deutlich, als es um das Thema Filter ging.

Digitalisierung und das Internet sollten aber auch nicht verteufelt werden, sagt Bostan Manesch. Ganz im Gegenteil: »Sie bietet auch Chancen, gerade für junge Leute.« Für Kinder und ihre Eltern schlägt er vor abzuwägen, was das Kind brauche und was nicht.

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