»Die Hälfte bringt nichts«

Rund 20 000 Menschen haben das Wiesnfest in Watzenborn-Steinberg besucht. Der Mut, das Festzelt am 19. März aufzubauen, als die Lage wegen Corona noch unsicher war, habe sich als richtig erwiesen, sagt Wiesnwirt Carsten Prill und erklärt, welche Erkenntnisse er für die Zukunft mitnimmt.
Vor dem Wiesnfest gab es die Sorge, ob die Menschen nach zwei Jahren Corona-Pause wieder ausgelassen in einem Zelt feiern wollen. Wann haben Sie gemerkt, dass es funktioniert?
Das lief in mehreren Etappen. Als wir am ersten Wiesnfest-Tag das Festzelt geöffnet haben und die Leute wie immer draußen gestanden haben, da haben wir erst mal tief Luft geholt. Die Leute sind ins Zelt geströmt, haben sich an die Tische gesetzt, und dann wurde es spannend: Bestellen sie Essen in gewohnter Manier? Und das haben sie tatsächlich. Gegen 20 Uhr habe ich festgestellt: Die Leute feiern wie sonst. Das war nicht selbstverständlich.
Zeitlich war es eine Punktlandung. Nur einen Monat früher, als die Corona-Zahlen und die Hospitalitätsrate noch deutlich höher lagen, und es wäre vermutlich anders gelaufen.
Auf jeden Fall. Mit Maske oder mit Abstandsregeln zum Beispiel wären zwar auch Leute gekommen, sie hätten sicher auch Spaß gehabt. Aber dieses ausgelassene Gefühl im Festzelt, das wir jetzt erlebt haben, wäre einen Monat vorher auf keinen Fall, auch nicht im entferntesten eingetreten.
Welche Erkenntnisse nehmen Sie für das nächste Wiesnfest mit?
Wir gehen davon aus, dass wir es wie dieses Jahr ganz normal veranstalten können. Nach dem Fest ist vor dem Fest. Ich sehe mich bestärkt in dem Mut, am 19. März das Festzelt aufzubauen, da standen die Chancen noch fifty-fifty. Es hätte auch eine Regelung kömmen können, durch die wir das Fest hätten ausfallen lassen müssen. Wenn im Vorfeld so viele Tickets verkauft worden sind, die Leute ihre Karten behalten haben und dann eine Corona-Regelung zum Beispiel vorschreibt, dass nur 2000 statt 4500 Leute ins Zelt dürfen, kann man schließlich die Ticketbesitzer ja nicht fragen: Und, wer will zu Hause bleiben? Dann wäre es ausgefallen. Eine Verschiebung oder eine Verlängerung des Wiesnfests wären keine Optionen gewesen, weil die Künstler voll verbucht sind, die haben derzeit keinen einzigen freien Tag. Aber es gibt noch eine wichtige Erkenntnis.
Die wäre?
Wenn ein Fest in so einer Dimension veranstaltet wird, dann ist man auf Gedeih und Verderb darauf angewiesen, dass eine bestimmte Zahl von Leuten auch kommt. Die Hälfte bringt nichts. Dass dann unsere Besucher, die Wiesnfestfamilie, uns eine so lange Zeit die Stange gehalten haben und ihre Tickets nicht zurückgegeben haben, obwohl es zweimal ausgefallen ist, das ist nicht selbstverständlich. Aber sie sind am Start geblieben, dafür bin ich dankbar. Das zeigt den außergewöhnlichen Stellenwert, den das Fest bei den Menschen hat.
Beschwerden gab es allerdings von Anwohnern. Diese haben ein Verkehrschaos vor allem an der Gießener Straße beklagt. Wäre bei zukünftigen Wiesnfesten in dem Bereich eine Straßensperrung eine Option?
Das können wir als Veranstalter nicht bestimmen, darüber muss sich die Stadt Pohlheim Gedanken machen. Mir fehlt für die Diskussion auch die Ortskunde. Aber wir werden im Nachgang mit der Stadt reden und wollen eine geschmeidigere Lösung finden.
Zieht es eigentlich Konsequenzen nach sich, dass am ersten Wiesnfest-Wochenende ein für Festzelte geltendes Rauchverbot übersehen worden ist?
Nein. Wir sind auch sehr offen damit umgegangen. Wir haben nicht nur Zettel aufgehängt, der Moderator hat auf der Bühne auch darauf hingewiesen. Natürlich hat das Verbot Raucher geärgert, aber es gab keinen Zirkus. Niemand ist aus dem Zelt geflogen, der uneinsichtig war. Wir haben vor der Bühne links einen Ausgang für Raucher eingerichtet, wo sie eingezäunt stehen und ohne erneute Kontrolle wieder ins Zelt gehen konnten.
Besucher mussten geimpft, genesen oder getestet sein. Hat sich die freiwillig angewandte 3G-Regel bewährt?
Ja. Wir haben wirklich alle Besucher vor dem Festzelt kontrolliert, haben für diese Aufgabe rund zehn Leute abgestellt. Wir haben deshalb auch den Einlass von 17.30 Uhr auf 17 Uhr vorverlegt. Das hat sich sehr bewährt, das werden wir wahrscheinlich auch nächstes Jahr machen, weil es auch den Besucherstrom entzerrt und Riesenschlangen verhindert.
Mussten Sie vor dem Festzelt Leute abweisen, die nicht geimpft, genesen oder getestet waren?
Nein. Es gab ein paar Besucher, die ihren Ausweis nicht dabeihatten. Aber die Leute wussten, dass kontrolliert wird und dass sie hier ohne Test gar nicht erst antreten brauchen.
Ein Tag, der vergangene Donnerstag, war eher schlecht besucht, das Zelt war nur halb voll. Gibt es da Verbesserungsbedarf?
Wir haben ja das Programm für das Wiesnfest, das wir vor zwei Jahren geplant haben, beibehalten, wegen Corona haben wir es zweimal nur verschoben. Vor zwei Jahren noch war der Tag nach dem Donnerstag ein Feiertag, jetzt war es ein normaler Wochentag. Dass dann das Festzelt nicht komplett gefüllt ist, muss man verstehen. Da braucht man nichts verbessern, das Programm war sehr gut, die Leute haben an dem Tag brutal gefeiert. In Bayern nehmen sich die Besucher des Frühlingsfests oft am nächsten Tag frei, diese Tradition gibt es hier vielleicht noch nicht. Dafür sind wir, was das Feiern angeht, Hessenmeister.