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Die Grenzen des Wachstums: Infrastruktur nicht zum Zusammenbruch bringen

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Von: Ursula Sommerlad

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Straßen, Kindergärten, Kläranlagen: Überall muss die Stadt Lich investieren, denn die Infrastruktur hat mit dem rasanten Wachstum der letzten zehn Jahre nicht Schritt gehalten. (Archiv) © Ursula Sommerlad

16,67 Millionen Euro: Diese Summe will Lich im kommenden Jahr investieren. Ein Rekord. Hintergrund ist das rasante Bevölkerungswachstum der letzten Jahre.

Lich - Diese eine Zahl sagt viel: Im letzten Jahrzehnt ist Lich um etwa 1000 Einwohner gewachsen. Jetzt platzt die Stadt aus allen Nähten. Kita-Plätze, Straßenbau, Wasserversorgung, Abwasserreinigung: An allen Ecken und Enden klemmt es. Bürgermeister Dr. Julien Neubert zieht daraus zwei Folgerungen. Erstens: Die Grenzen des Wachstums sind vorerst erreicht. Und zweitens: Die Infrastruktur muss fit gemacht werden. In dieser Hinsicht spricht der Haushalt für 2023, den Neubert am Mittwochabend in der Sitzung der Stadtverordneten vorstellte, eine deutliche Sprache. Im kommenden Jahr will die Stadt 16,67 Millionen Euro investieren, ein neuer Rekord.

Hinzu kommen weitere 6,7 Millionen Euro, die die Stadtwerke in den Ausbau der Wasserversorgung und der Abwasserreinigung stecken müssen. Die Stadt braucht neue Trinkwasserbrunnen, größere Hochbehälter und leistungsfähigere Kläranlagen. Vor diesem Hintergrund stellte Neubert den Stadtverordneten eine grundsätzliche Frage: »Wie stark soll und kann unsere Stadt in den nächsten Jahren weiter wachsen?« Für ihn sei es von herausragender Bedeutung, dass Lich in den nächsten drei bis vier Jahren den Konsolidierungskurs weiter geht. »Wir können uns die Neuausweisung großer Siedlungsflächen nicht erlauben, wenn wir unsere vorhandene Infrastruktur nicht zum Zusammenbruch bringen wollen.« Zu dieser Thematik werde ein intensiver Austausch zu führen sein, kündigte der Bürgermeister an.

Lich: Warnung vor Euphorie trotz solider Zahlen

Die Rahmendaten des Haushalts sehen auf den ersten Blick nicht schlecht aus. Bei einem Gesamtvolumen von über 35 Millionen Euro im Ergebnis ist der Fehlbedarf von 410 802 Euro überschaubar. »Ohne die Mehrbelastungen im Energiebereich von rund 800 000 Euro hätte der Haushalt mit einem satten Plus abgeschlossen«, berichtete der Bürgermeister. Die Verschuldung konnte in den letzten zehn Jahren kontinuierlich abgebaut werden. Sie sank seit 2013 um fünf Millionen Euro auf nun 9,3 Millionen.

Zur Finanzierung der Investitionen ist eine Kreditaufnahme in Höhe von 13,65 Millionen Euro geplant. Da die Stadt aber über ausreichend Rücklagen verfüge, stehe der Genehmigungsfähigkeit des Haushalts nach Aussagen des Kämmerers nichts im Wege, ein Sicherungskonzept sei nicht nötig.

Lich: Kinderbetreuung als Problem - Personalkosten in zehn Jahren verdreifacht

Trotz der soliden Zahlen warnte Neubert vor allzu großer Euphorie. Die politische Großwetterlage, aber auch »das Anwachsen von Pflichtausgaben ohne auskömmliche Gegenfinanzierung« lassen ihn mit Sorge in die Zukunft schauen.

Finanzen in Lich

Einnahmen: Einkommensteuer: 9,3 Millionen, Schlüsselzuweisungen: 8,5 Millionen, Gewerbesteuer: 7,5 Mio., Grundsteuer B: 2,4 Mio., Zuweisungen des Landes: 1,7 Millionen

Ausgaben: Personalkosten: 9,3 Mio., Kreisumlage: 9,1 Mio., Schulumlage: 4,8 Mio., Umlage für den Verwaltungsverband: 1,0 Mio., Umbau des städtischen Bauhofs: 1,9 Millionen, Neubau Sporthalle an der Fasanerie: 2,0 Millionen, Erweiterung Kita Langsdorf: 1,7 Millionen, Erw. Kita Eberstadt: 1,5 Mio., Neubau DGH Bettenhausen: 1,0 Millionen, Regenrückhaltebecken Birklar: 800 000, Erschließung Baugebiet Langsdorf: 720 000, Endausbau Carl-Benz-Ring: 680 000, Fotovoltaik- und Smartanlagen: 450 000, Projekt Alte Schlosserei Langsdorf: 400 000, Erweiterung FFW-Gerätehaus Bettenhausen: 432 000, Sanierung Licher Rathaus: 350 000, Straßenbau In den Gräben: 320 000, Erneuerung u. Erschließung Birklarer Weg Langsdorf: 300 000, Erneuerung Ortsdurchfahrt Muschenheim: 250 000

Kopfzerbrechen bereitet allen Bürgermeistern die Kinderbetreuung. Seit 2012 haben sich die Personalkosten in den städtischen Kitas mehr als verdreifacht. Für 2023 werden sie mit 4,5 Millionen veranschlagt. Nicht nur der durch das Bevölkerungswachstum bedingte höhere Bedarf, sondern auch steigende gesetzliche Anforderungen - Stichwort Gute-Kita-Gesetz - sind dafür verantwortlich. »Ich wage, zu bezweifeln, dass man in Berlin oder Wiesbaden wirklich nachvollziehen kann, in welche Situation man die Kommunen zunehmend bringt«, kritisierte Neubert. Aber auch die Verwaltung selbst muss verstärkt werden, unter anderem im Baubereich. So werden sich die Personalkosten der Stadt Lich im kommenden Jahr auf 9,9 Millionen Euro summieren. (Ursula Sommerlad)

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