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Der Natur mehr Raum lassen

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Von: Christina Jung

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Regenschirme und Gummistiefel waren beim Spaziergang durch den Langder Wald gefragt, wo die Teilnehmer bei Dauerregen Wissenswertes zum Thema Wildnisgebiet erfuhren. © Tina Jung

Welche Möglichkeiten haben Kommunen, ihre Wälder fit für den Klimawandel zu machen? Die Antwort gaben Experten bei einem Waldspaziergang am Rande des Hungener Stadtteils Langd, zu dem der NABU Hessen eingeladen hatte: eine sanftere Nutzung auf der einen und eine natürliche Entwicklung auf der anderen Seite.

Dass der Klimawandel den Wäldern zusetzt, bekommen auch Kommunen zu spüren. Drei trockene Jahre haben mancherorts massive Schäden verursacht. Die Folge: Betroffenes Holz ist gar nicht oder zu schlechteren Konditionen vermarktbar. Für die Aufforstung muss mehr Geld ausgegeben werden. Das belastet die Finanzen. Wie Städte und Gemeinden ihre grünen Oasen besser schützen, sie mit Blick auf veränderte klimatische Bedingungen fit für die Zukunft machen können, war ein Thema eines Waldspaziergangs, zu dem der NABU Hessen an den Ortsrand von Langd eingeladen hatte. Schonendere Nutzung sowie eine gänzlich natürliche Waldentwicklung - so lauten die Antworten der Experten auf die Problematik.

Um insbesondere Letzteres zu verdeutlichen, hatten die Naturschützer - allen voran Gerhard Eppler und Mark Harthun, Vorsitzender und Geschäftsführer des NABU Hessen, aber auch Vertreter örtlicher Vereine wie Stephan Kannwischer und Bodo Fritz, der die Tour leitete - als Veranstaltungsort einen Waldabschnitt im Hungener Stadtteil gewählt. Denn dieser könnte als Abschnitt eines 176 Hektar großen Areals im Stadtwald bald Teil des Wildnisgebietes »Westlicher Vogelsberg«, eines der größten seiner Art Deutschlands, sein (die GAZ berichtete).

Die Hungener Stadtverordnetenversammlung hatte sich im September für eine Prüfung der Teilnahme am Projekt ausgesprochen. Ende Mai soll die Entscheidung darüber fallen. Bei einem positiven Votum würde die Fläche aus der forstlichen Nutzung genommen. Eine Informationsveranstaltung zu Pro und Contra fand Ende März statt, eine Online-Bürgerbefragung in den ersten beiden Aprilwochen. Die Auswertung sei noch nicht abgeschlossen, sagte Bürgermeister Rainer Wengorsch auf Anfrage der GAZ. Kommende Woche soll das Ergebnis präsentiert werden.

Wengorsch selbst steht dem Vorhaben positiv gegenüber, wie er beim Waldspaziergang betonte. Das Projekt »ist sicher sehr überlegenswert« und für die Stadt die Chance, Teil von etwas Größerem zu werden. Aber es gebe auch andere Stimmen - die CDU hatte sich vor zwei Wochen öffentlich kritisch geäußert. Deshalb sei es wichtig, zu kommunizieren und ins Gespräch zu kommen, so der Bürgermeister.

Warum das Vorhaben gerade mit Blick auf den Klimawandel von Bedeutung ist, erläuterte NABU-Geschäftsführer Harthun. Wer den Wald sich selbst überlasse, gebe ihm die Chance, sich selbst zu verjüngen. Auf 90 Prozent der Flächen funktioniere die Wiederbewaldung auf diese Weise, so Harthun, der auf Erfahrungen aus anderen Gebieten verwies. Zudem entstünden durch die Naturverjüngung klimabedingt angepasstere Baumarten.

Es sei wichtig, der Natur mehr Raum zu lassen, so der NABU-Geschäftsführer. Das gelte auch für jene Waldbereiche, die Kommunen forstwirtschaftlich nutzten. »Weniger räumen, weniger fällen, weniger pflanzen« laute das Motto, das Städte und Gemeinden berücksichtigen sollten.

NABU-Landesvorsitzender Eppler sprach mit Blick auf das Vorhaben von einem »hervorragendem Beitrag zum Klimaschutz«, weil Bäume und Böden in alten Beständen mehr CO2 binden, so Eppler. »Ich würde mich freuen, wenn der Hungener Stadtwald Teil des Wilnisgebietes wird.« Laut Eppler eine bedeutende Arrondierung, da so eine zusammenhängende Waldwildnis von über 1200 Hektar geschaffen würde - die zweitgrößte in Hessen. Ein Pfund auch mit Blick auf den Tourismus in der Schäferstadt, wo bereits seit Jahren auch auf die naturnahe Erholung gesetzt wird.

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