1. Gießener Allgemeine
  2. Kreis Gießen

Der nächste harte Schlag

Erstellt: Aktualisiert:

Von: Constantin Hoppe

Kommentare

con_Reisen-B_161739_1_4c
Viele Menschen im Kreis träumen von einem Urlaub am Strand. Doch der Ukraine-Krieg und die hohen Energiekosten schüren Zweifel. SYMBOLFOTO: DPA © DPA Deutsche Presseagentur

Die Reisebüros im Kreis Gießen konnten zum Jahresbeginn nach zwei Jahren Stillstand wieder aufatmen. Der Kriegsbeginn in der Ukraine beendete das abrupt.

Nach zwei Jahren Corona-Pandemie ist die Lust zu verreisen im Landkreis wieder groß. Die Reisebüros im Kreisgebiet verzeichneten im Januar und Februar etwa so viele Anfragen wie im gleichen Zeitraum vor der Corona-Pandemie. Die Pandemie ist zwar noch längst nicht überstanden und in vielen Ländern gibt es noch Einreisebeschränkungen, doch die Lockerungen der Corona-Regeln sorgten für gute Stimmung in den Reisebüros. Der Jahresanfang 2022 ließ die Reiseveranstalter nach zwei Pandemiejahren deutlich aufatmen. Doch das hielt nicht lange an.

Mit dem Einfall der russischen Armee in die Ukraine am 24. Februar sind die Buchungszahlen erneut eingebrochen. »Viele Kunden haben Angst, nach Osteuropa zu reisen. Es gab deshalb schon einige Stornierungen geplanter Reisen. Auch die Veranstalter haben aktuell einige ihrer Reisen verändert. Beispielsweise ist St. Petersburg aus den Zielen für Kreuzfahrtreisen herausgeflogen«, sagt Rudolf von Bünau, Geschäftsführer des Reisecentrums Linden.

»Dabei war die Sehnsucht nach Sonne und Strand nach zwei Jahren Pandemie wieder da. Besonders die südeuropäischen Länder wie Spanien und Griechenland waren sehr gefragt«, berichtet von Bünau: »Aber auch die Nachfrage nach Fernreisen wurde immer größer. Mittlerweile sind wir bei den Flugreisen fast wieder auf dem Vor-Corona-Stand.«

Viele seiner Kunden zieht es über den »großen Teich« in Richtung Westen: »Viele Buchungen gehen in die USA. Das war die letzten beiden Jahre kaum möglich.« Doch mit dem Kriegsbeginn hagelte es auch hier Stornierungen.

Das spüren aktuell nahezu alle Reisebüros. Der Ukraine-Krieg ist für die Reisebranche der nächste harte Schlag. Just zu dem Zeitpunkt, zu dem sich endlich eine Besserung nach der langen Corona-Zeit abzeichnete.

»Corona hat für viele seinen Schrecken verloren«, erzählt Dieter Schmitt vom Reisebüro »Die Sonne Reisen« in Lang-Göns. »Die Kunden waren sich der Situation bewusst und viele hatten Lust darauf zu verreisen.« Zum Jahresbeginn sei die Nachfrage nach Urlauben »sehr vielversprechend« gewesen, sagt Schmitt. Etwa auf dem gleichen Stand wie im Jahr 2019, das ein sehr gutes Reisejahr gewesen sei.

Doch dann kam der Krieg und überschattete alles. »Die Menschen sind wie gelähmt und verängstigt«, sagt Schmitt. »Man spürt, dass die Kunden sehr vorsichtig geworden sind. Viele denken jetzt zweimal nach, bevor sie einen Urlaub buchen, und ich vermute, dass gerade die osteuropäischen Länder in diesem Jahr ein No-Go werden.« Dazu kommen die deutlich gestiegenen Kosten, durch die hohen Energiepreise, die sich auch auf die Reiseveranstalter und -kunden auswirken. Die Lufthansa kündigte steigende Ticketpreise an, Veranstalter berichten von höheren Mietwagenkosten, Übernachtungen in Hotels oder Ferienhäuser könnten in Deutschland teurer werden. Das verschreckt viele. »Familien denken bei den aktuellen Preisen zweimal nach«, meint Schmitt.

Das hat auch Auswirkungen auf die heimischen Busunternehmen, wie Dieter Walter von Schwalb Busreisen in Beuern berichtet: »Die Reisen sind 20 bis 25 Prozent teurer geworden.« Nach zwei Jahren Stillstand, in denen das Unternehmen fast seine komplette Flotte von gut einem Dutzend Reisebussen abgemeldet hatte, wurde in diesem Jahr ein Teil der Busse wieder angemeldet. Nun stehen diese größtenteils wieder still. »Die Nachfrage ist katastrophal. Wir haben kaum Anfragen nach Reisen und vielleicht ein Viertel der üblichen Bus-Vermietungen.« Zum Glück, sagt Walter, hat das Unternehmen mit dem Linienverkehr ein weiteres Standbein. Hier sind die Auswirkungen »nicht ganz so dramatisch«.

Schwalb ist im Busverkehr zwischen Schotten und Wetzlar unterwegs und kooperiert auch mit den Gießener Stadtwerken. »Wir hoffen darauf, dass wir wenigstens die Hälfte der Buchungen wie aus den Vor-Corona-Jahren hinbekommen. Alles darüber würde uns schon glücklich machen«, meint Walter. Ein unerwartetes Zusatzgeschäft könnte zudem finanziell helfen: »Es ist zwar ein furchtbarer Anlass, aber es könnte wieder zu Flüchtlings-Transferfahrten wie 2015 kommen. Das würde die Lage für Busunternehmen entschärfen.«

Wie genau sich das Reisejahr 2022 für Urlauber und Reisebüros darstellen wird, kann derzeit noch niemand abschätzen - zu unsicher ist die weltweite Lage. »Falls es Frieden in der Ukraine gibt und keine neuen Corona-Auflagen kommen, könnte es ein gutes Jahr werden«, meint Schmitt. »Da ist jetzt warten angesagt. Die meisten Entscheidungen trifft man aus einem guten Bauchgefühl heraus, und das brauchen die Menschen jetzt erst einmal.«

Auch interessant

Kommentare