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Den Mangel verwalten

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Von: Jonas Wissner

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Die Sorgen um das Allendorfer Rathaus gelten nicht nur dem baulichen Zustand: Die Personaldecke ist dünn, die Verwaltung überlastet - und die finanzielle Situation der kleinsten Kreiskommune ohnehin angespannt. ARCHIVFOTO: JWR © Jonas Wissner

In Allendorf (Lumda) kann der Haushalt 2022 nur durch Rückgriffe auf Überschüsse ausgeglichen werden, eine Erhöhung der Grundsteuer auf knapp 1000 Punkte wurde so vermieden. Die Finanzlage bleibt prekär - und Bürgermeister Thomas Benz musste sich am Montag einige Kritik anhören.

Es war einmal mehr eine schwere Geburt am Ende eines langen Abends: Die Stadtverordneten haben am Montag den Haushalt 2022 verabschiedet, nur die Grünen stimmten dagegen. Der Etat ist auch diesmal Ausdruck der chronischen Finanzknappheit der kleinsten Kreiskommune, die Zukunft bereitet Sorgen.

Bereits bei der Einbringung durch Bürgermeister Thomas Benz im Februar hatte das Defizit im ordentlichen Ergebnis gut 296 000 Euro betragen. Durch Nachträge von Benz, unter anderem für erhöhte Kraftstoffkosten, hatte sich das Minus auf zwischenzeitlich fast 420 000 Euro erhöht. Etliche Einzelbeschlüsse am Montag und unter anderem eine erhebliche Kürzung beim Feuerwehrbudget führten unterm Strich dazu, dass das Defizit sich nun auf 361 000 Euro beläuft, wie Finanzabteilungschef Jürgen Rausch während der Sitzung ermittelte.

Für den Haushaltsausgleich wäre eine Anhebung der Grundsteuern A und B auf 964 Hebesatzpunkte nötig gewesen. Sie werden aber, wie vom Magistrat vorgeschlagen, von 655 auf lediglich 690 Punkte erhöht. Dies sei seines Wissens kreisweit der höchste Wert, sagte Rausch. Der Gewerbesteuersatz liegt weiter bei 400 Punkten. Die Investitionen belaufen sich auf gut 1,79 Mio. Euro.

Laut Magistrat, so Rausch, könne der Haushalt einmalig über Überschüsse aus den Vorjahren ausgeglichen werden. Er sei »guter Hoffnung«, dass der Etat so genehmigt werde, dies könne aber dauern, sagte er - und mahnte: »Wir müssen darauf achten, dass Rückgriffe künftig nicht mehr funktionieren werden.«

Weitgehend einig waren sich die Fraktionen über die angespannte Situation und die Bedeutung ehrenamtlichen Engagements und von Vereinen, wie die Haushaltsreden zeigten. Man könne den Etat mit »ohne Moos nix los« betiteln, sagte Brigitte Heilmann (SPD). Allein die Kosten für Kita-Betreuung stiegen auf 1,3 Mio. Euro. Dies seien wichtige Ausgaben, doch es brauche eine bessere Finanzausstattung durch das Land.

Deutliche Kritik übte sie in Richtung des Rathauses: Beschlossene Maßnahmen würden oft lange nicht umgesetzt, etwa die Neugestaltung des Nouvion-Platzes. Heilmann sprach von der »Entdeckung der Langsamkeit«, und weiter: »Wir wünschen uns da künftig mehr Power und Umsetzungswille von der Verwaltungsspitze.« Die SPD vermisse »planvolles Handeln« und eine »nachhaltige Zukunftsperspektive«. So müsse man auch überlegen, ob angesichts drastischer Kostensteigerungen für die Rathaus-Sanierung ein Neubau nicht sinnvoll sein könne.

Sandra Henneberg (Grüne) bemängelte, der Haushalt lasse erneut »keine klare Ausrichtung erkennen«. Schon vor Jahren habe man darum gebeten, Entwicklungsziele zu definieren, bislang vergeblich. Unter anderem mangle es an Investitionen mit Blick auf Klimaschutz. Positiv sei dagegen, dass die Stadt das Modellprojekt »Neue Altstadt« zur Innenstadtentwicklung unterstütze.

Man sei »auf den Boden der Tatsachen zurückgekehrt« und die Hoffnung, finanziell mit einem »blauen Auge« durch die Corona-Zeit zu kommen, habe sich für die Stadt nicht bewahrheitet, so Ulrich Krieb (CDU). Dringend nötig seien Investitionen in Gemeindestraßen. Auch müsse man der »Kernfäule« in der Innenstadt mit Innovationen begegnen. Die CDU sehe im Haushalt einige ihrer wesentlichen Forderungen erfüllt.

Ralf Hofmann (FW) erinnerte an die brutale Realität des Krieges in der Ukraine. Trotz dessen und der Pandemie dürfe man zentrale Themen wie Klimawandel, Infrastruktur und Kinderbetreuung nicht zurückstellen. Falls die Einnahmen hinter dem Plan blieben, müsse man »bei den Ausgaben nachjustieren«, gerade mit Blick auf marode Straßen, für die künftig eine Viertelmillion Euro pro Jahr benötigt werde. Man bedauere, dass der Haushalt nicht ausgeglichen sei. Es gebe nur noch wenige freiwillige Leistungen, gleichwohl hätten sich die FW dagegen entschieden, bei Ehrenamt und Vereinen den Rotstift anzusetzen.

Dies reklamierte auch die Fraktion BfA/FDP für sich. Erneut hätten sich die Haushaltsberatungen »äußerst schwierig und zäh gestaltet«, meinte Fraktionschefin Brunhilde Trenz. »Wir diskutieren über Kleinstbeträge in Höhe von 500 Euro«, um Belastungen für die Bürger zu vermeiden. Immerhin habe sich der Schuldenstand (4,8 Mio. Euro zu Jahresbeginn) während Corona nur unwesentlich erhöht. Auch wegen mangelnder finanzieller Ausstattung kleiner Kommunen werde die kommunale Selbstverwaltung »peu à peu ad absurdum geführt«. Noch verfüge Allendorf über eine gute Infrastruktur, die es zu erhalten gelte.

Bereits in der Vorlage zur Haushalts-Einbringung hatte Finanzchef Rausch die Lage drastisch geschildert: Es werde der Stadt aus eigener finanzieller Kraft nicht gelingen, »sämtliche bestehenden infrastrukturellen Defizite auszugleichen, ohne mittelfristig eine steuerliche Überbelastung der Bürgerinnen und Bürger zu verursachen«, hieß es dort. Eine Priorisierung von Zielen sei unumgänglich, um die finanzielle Zukunftsfähigkeit zu sichern. Die Haushaltseinbringung habe sich auch aufgrund der Belastung des Fachbereichs verzögert, Arbeitsrückstände könne man wohl allenfalls mittelfristig auffangen.

Intensiv diskutiert wurde erneut über das Teilbudget für die Lebenshilfe als Kita-Träger. Letztlich wurde es um 15 000 Euro gekürzt, 56 000 Euro für Instandhaltungsleistungen an den Kitas mit einem Sperrvermerk versehen. Die Grünen hatten in diesem Bereich noch weitergehende Streichungen gefordert, da etwa bei den Betriebskosten der Lebenshilfe Posten nicht transparent oder zu hoch angesetzt seien, so der Tenor. Mit Mehrheit abgelehnt wurde eine Beschlussvorlage der Verwaltung auf Basis eines FW-Antrags, wonach 10 000 Euro für ein Bonus-System für Feuerwehr-Aktive bereitgestellt werden sollten.

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