»Das ist keine freiwillige Leistung«
Eine Beschlussfassung vor der Sommerpause wurde vertagt. Jetzt diskutieren Lichs Mandatsträger erneut darüber, zu welchen Bedingungen sie dem Landkreis ein städtisches Gelände zwecks Bau einer Flüchtlingsunterkunft zur Verfügung stellen sollen. Ein Problem: die Kosten.
Vier Kommunen sind derzeit aufgerufen, dem Landkreis zwecks Unterbringung von Geflüchteten Flächen für den Bau weiterer Gemeinschaftsunterkünfte zur Verfügung zu stellen. Vor knapp zwei Wochen hat das Allendorfer Parlament als erstes grünes Licht dafür gegeben, Hungen zog am Dienstag nach. In Pohlheim soll am 6. Oktober eine Entscheidung fallen. Bei den Nachbarn in Lich hingegen stehen die Zeichen auf Ablehnung: Im Ausschuss für Bauen, Umwelt und Stadtentwicklung gab es keine Mehrheit für die Beschlussempfehlung des Magistrats, einer entsprechenden Vereinbarung mit dem Landkreis zuzustimmen und ihm einen Teil des dafür ins Auge gefassten städtischen Grundstücks für ein Wohnmodul in Holzständerbauweise zu überlassen.
Nach einer kurz vor der Sommerpause vertagten Beschlussfassung stand das Thema am Dienstagabend fast zwei Stunden lang im Fokus der Mandatsträger. In einer ausführlichen Präsentation skizzierte Bürgermeister Dr. Julien Neubert wie vergangene Woche im Rahmen einer Pressekonferenz (die GAZ berichtete ausführlich) die aktuelle Situation, den zu erwartenden Problemdruck, mögliche Nutzungsvarianten des Geländes, Gebäudeausführung sowie Kostenschätzung.
Lob gab es dafür aus dem Publikum (»Sie haben Ihre Hausaufgaben gemacht.«) sowie aus den Reihen von FW und SPD Die Aufgabe, »zügig etwas Günstiges und Nachhaltiges« zu präsentieren, sei eine große Herausforderung gewesen, meinte Sozialdemokrat Johannes Bork und fügte hinzu: »Glückwunsch, das ist gelungen.« Auch Josef Benner (FW) begrüßte den Beschlussvorschlag, insbesondere dessen Erweiterung um eine städtebauliche Eigenentwicklung auf der verbleibenden Restfläche.
Andere dagegen hatten mit dem Papier so ihre Schwierigkeiten. Die CDU sah zwar die »Notwendigkeit, etwas zu tun« (Markus Pompalla), äußerte sich aber kritisch zu den Kosten, Karl-Georg Opper sprach von einer »Mords-Investition« angesichts der bei Übernahme des Gebäudes in acht Jahren durch die Stadt anfallenden 1,86 Millionen Euro (gebaut werden soll vom Landkreis für rund 3,1 Millionen Euro). Nach vorläufiger Kostenschätzung wohlgemerkt, denn eine Ausschreibung und damit belastbare Zahlen stehen noch aus.
Ein Punkt, der auch das Mehrheitsbündnis umtrieb, das per Änderungsantrag eine Deckelung auf ebenjene 1,86 Millionen Euro forderte. Es stehe außer Frage, die Aufnahmekapazitäten für Geflüchtete auszuweiten, aber »als Stadtverordnete müssen wir auch die Finanzen im Blick haben«, begründete Carmen Knöß (BfL) die Forderung.
Der Bürgermeister hatte diesbezüglich bereits beim Landkreis nachgehakt. Dort sei man mit Blick auf die anderen Kommunen »nicht bereit, für Lich eine Ausnahme zu machen«, so Neubert. Zudem verwies er darauf, dass die Städte und Gemeinden laut Landesaufnahmegesetz verpflichtet seien, Flüchtlinge unterzubringen, der Landkreis diese im schlechtesten Fall in einen Bus setze und »ich Gemeinschaftshäuser belegen muss«. Neubert: »Das ist keine freiwillige Leistung.« Vehement appellierte er immer wieder an die Mandatsträger: »Wir haben keine Zeit mehr. Wir müssen jetzt eine Entscheidung treffen.«
Bei der Abstimmung fand der Änderungsantrag keine Mehrheit. Allerdings nicht etwa aufgrund eines Meinungswechsels beim Mehrheitsbündnis, sondern weil Peter Blasini (FDP) die Sitzung wegen eines anderen Termins vorzeitig verlassen hatte. Gleiches galt für einen zweiten Antrag, den Grüne und FDP vorgelegt hatten und der darauf abzielte, in Lich tätige Immobilienentwickler auf eine Bereitschaft zur kurzfristigen Vorlage von Alternativlösungen zu befragen sowie den Landkreis nach einer eigenen, potenziell nutzbaren Fläche in der Licher Kernstadt.
Josef Benner erschlossen sich beide Anträge nicht. Er warf den verantwortlichen Fraktionen unter anderem vor, auf Zeit zu spielen«, um so das ganze Vorhaben bewusst zum Scheitern zu bringen. Benner: »Das schadet dem Ansehen der Stadt.« Der Bürgermeister bedauerte die Haltung des Mehrheitsbündnisses. Man habe wertvolle Zeit verschwendet, acht Wochen Sommerpause vergehen lassen, um am Tag der Beratungen »solche Vorschläge« anstelle gangbarer Alternativen vorzulegen. Neubert: »Das ärgert mich.«
Bei der Abstimmung votierten Grüne (2) und BfL (2) jeweils für die Anträge, CDU (2), SPD (1) und FW (1) dagegen. Bei der Beschlussvorlage verhielt es sich umgekehrt. Ob sich auch die Stadtverordnetenversammlung mehrheitlich gegen den Vertrag mit dem Landkreis ausspricht und damit das Scheitern des Projekts Flüchtlingsunterkunft in Kauf nimmt, bleibt abzuwarten. Dem Vernehmen nach gibt es im Mehrheitsbündnis dazu unterschiedliche Meinungen.