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Das große Ziel: Mehr Wohnraum

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Von: Rüdiger Soßdorf

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Auch auf dem Land fehlt es an bezahlbarem und altengerechtem Wohnraum. Die SPD fordert daher eine Konferenz aller Beteiligten. Die Kreis- Koalition greift die Idee bereits auf. Und der Mieterverein legt dar, wo es am ärgsten klemmt.

Es fehlt im Landkreis Gießen nicht nur an kleineren Sozialwohnungen, respektiv bezahlbarem Wohnraum, sondern auch an größeren Wohnungen, etwa für Familien. So jedenfalls sieht es Meric Uludag, Vorstandsmitglied des Mietervereins für Landkreis und Stadt Gießen. Das Wohnraumversorgungskonzept für den Kreis Gießen bilde Zuwanderung, wie sie 2015 erfolgte und dann 2022 durch den Krieg in der Ukraine nochmals neuen Schub erhielt, nicht passgenau ab. Uludag verweist zudem darauf, dass die Familiengröße allein nicht das Kriterium beim Bau und Zuweisen von bezahlbarem Wohnraum (und dessen Förderung) sein darf. Ein Beispiel: »Eine Alleinerziehende mit einem Kind hat einen anderen Raumbedarf als etwa ein kinderloses Paar«, wolle man den Bedürfnissen der Entwicklung eines Kindes und Heranwachsenden gerecht werden. Gemeinsam mit dem Sprecher des Mietervereins, Stefan Kaisers, fordert Uludag ein Nachjustieren in der Wohnbauförderung des Landkreises.Die Förderrichtlinie für sozialen Wohnungsbau sei zu überarbeiten. So sollten niedrigere Standards beim energetischen Sanieren von Wohnungen geltem (KfW 75 statt KfW 55). Neubau-Förderung sollte nicht nach Wohneinheiten, sondern nach Quadratmetern, so wie es etwa Marburg praktiziert, und eben den Dialog der Politik mit Baufachleuten, etwa von den Wohnungsbaugenossenschaften erfolgen. Denn letztere haben in den vergangenen Jahren das Gros an Sozialwohnungen im Kreis Gießen geschaffen und vermietet. Generell sollte die Fördersumme erhöht werden.

Damit greift der Mieterverein auf, was die SPD im Gießener Kreistag aktuell zur Diskussion stellt: Eine Konferenz für mehr bezahlbaren Wohnraum im Kreis Gießen. An einen Tisch geholt werden sollen Akteure aus dem Wohnungsbau: Vertreter der Wohnungsbaugenossenschaften, der Kommunen und der Sozialträger. Das Ziel: mehr bezahlbarer Wohnraum im Kreis - und zwar schnell.

Um die Wohnbauförderung gibt es immer wieder politische Differenzen, Quell des Disputs ist unter anderem die Frage, wie viel Geld es vom Landkreis als Zuschuss im sozialen Mietwohnungsbau gibt. Und: Was wird gefördert? Seit dem vergangenen Jahr in der Kritik: Die von CDU, Grünen und Freien Wählern im Kreis überarbeitete Förderrichtlinie. Profitierten ehedem vornehmlich Baugenossenschaften von den Kreis-Zuschüssen zum Neubau von kleinen, idealerweise zudem barrierefreien Sozialwohnungen, so fließt nun auch Geld in die Modernisierung und energetische Sanierung.

Die Ergebnisse des Wohnraumbedarfskonzepts von 2017 (fortgeschrieben 2021) seien nach wie vor gültig, sagt Sabine Scheele-Brenne (SPD). Es gebe zu wenig kleine Wohnungen, die sich Menschen mit geringem Einkommen leisten könnten. Und es gebe zu wenig bezahlbaren Wohnraum für Familien. Die Kosten fürs Wohnen sind laut Armutsbericht des Landkreises ein Faktor für Armutsgefährdung - besonders betroffen sind dabei alleinerziehende oder ältere Frauen.

Was die Sozialdemokraten ins Feld führen: Mit Gründung der Gesellschaft für Sozialen Wohnungsbau und Strukturförderung im Landkreis Gießen (SWS GmbH) im Jahr 2017 und einem Förderprogramm für bezahlbaren Wohnraum habe man Erfolg gehabt. Mit den regionalen Wohnungsbaugenossenschaften, Kommunen oder Sozialträgern als Bauherren wurde bis Ende 2021 der Bau von 157 Wohnungen gefördert, rechnet die SPD vor. Mit der geänderten Förderrichtlinie habe es im letzten Jahr einen Bruch gegeben. Die Fördersumme habe sich halbiert, hinzu kämen Kostensteigerungen im Energie- und Bausektor. Faktoren, die auch der Mieterverein benennt.

Die von SPD und Linken im Kreistag in der Vergangenheit ob der geänderten Förderung mehrfach angegriffene Koalition hat die Idee zur Konferenz am Dienstag aufgegriffen und legt einen ähnlichen, etwas erweiterten Antrag vor.

»Darüber zu reden, ist immer gut«, sagt CDU-Fraktionschef Tobias Breidenbach. Aber man müsse das Thema breiter aufstellen. Breidenbach fragt: Was tut das Land? Was tut der Bund? Welche Fördertöpfe gib es? Er regt zugleich an, zur Konferenz Sachverstand von WI-Bank und Wirtschaftsministerium einzubinden. »Ist die Änderung unserer Förderrichtlinie der einzige Grund dafür, dass weniger gebaut wird?«, stellt Breidenbach in den Raum. Und sagt: »Das wage ich stark zu bezweifeln.« Er möchte die Debatte nicht auf die veränderte Förderrichtlinie reduziert wissen.

Diese Förderung des sozialen Wohnungsbaus dürfe nicht unbeweglich sein und müsse den aktuellen Bedürfnissen gerecht werden, hieß es am Dienstagabend aus der Koalitionsrunde. Ein »Weiter so« habe es aus Sicht der Koalition aber nicht geben dürfen. Deswegen sei es richtig gewesen, zusätzlich Kriterien beim Sanierungsstandard zu definieren. Und dieser dürfe sich angesichts der Energiepreise nicht an den niedrigsten Wirkungsgraden orientieren. »Eine Wohnung ohne guten energetischen Standard hilft nur auf den ersten Blick«, sagt Breidenbach. »Spätestens bei der Nebenkostenabrechnung kommt das böse Erwachen.« Bauträger hätten jetzt auch die Möglichkeit, sich nicht nur den Neubau fördern zu lassen, sondern auch die Sanierung von Bestandsgebäuden.

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