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Corona: Zwei Tests und lange Ungewissheit - Odyssee einer Frau aus dem Kreis Gießen

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Von: Ursula Sommerlad

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Erst neun Tage nach ihrem ersten Corona-Test hat eine Kreis-Gießenerin ein Ergebnis erhalten.
Erst neun Tage nach ihrem ersten Corona-Test hat eine Kreis-Gießenerin ein Ergebnis erhalten. © DPA Deutsche Presseagentur

Halsschmerzen, Husten, hohes Fieber. Und sie war in Ischgl. Eine Frau aus dem Landkreis Gießen ist überzeugt, dass sie sich mit Covid-19 infiziert hat. Ihre neun Mitreisenden sind allesamt positiv auf das Virus getestet worden. Auch sie selbst war beim Test, sogar zweimal. Das Ergebnis hat sie nur durch Zufall erfahren.

Gießen - Es sollte ein fröhlicher Partyurlaub in den Bergen werden. Mittlerweile wünscht sich Susanne Lang, dass sie nicht nach Ischgl gefahren wäre. Lang, die eigentlich anders heißt, liegt seit mehr als einer Woche im Bett: Halsschmerzen, Husten, hohes Fieber. Die 57-Jährige aus dem Kreis Gießen hatte schnell den Verdacht, dass sie sich mit dem Coronavirus angesteckt hat. Zweimal hat sie sich testen lassen, zweimal wurde ihr kein Ergebnis mitgeteilt. Sie werde in diesem Fall wohl negativ sein, wurde ihr auf Nachfrage aus dem Gesundheitsamt bedeutet. Lang war von Anfang an skeptisch. Sie hat den Urlaub mit einer Freundin und acht Bekannten aus dem Rheinland verbracht. Alle außer ihr seien mittlerweile positiv getestet worden, erzählte sie am Mittwoch am Telefon.

Als die Urlauberin am 7. März aus Ischgl zurückkehrte, war ihre Welt noch in Ordnung. Zum damaligen Zeitpunkt lief die Saison in dem alpinen Party-Hotspot weiter auf Hochtouren. Dabei wussten die Tiroler Behörden spätestens seit dem 5. März, dass sich etliche Skitouristen aus Island mit dem Coronavirus infiziert hatten. Susanne Lang aber war ahnungslos. Am Tag ihrer Rückkehr feierte sie noch bei den Nachbarn Geburtstag. Erst in der Nacht zum Montag wurde sie krank: Halsschmerzen, Gliederschmerzen. Ihr Arbeitgeber reagierte prompt: Ohne Corona-Test dürfe sie nicht an ihren Arbeitsplatz zurückkehren, ließ er sie am 10. März wissen. Sie habe sich daraufhin beim Gesundheitsamt gemeldet und sei nach Lich geschickt worden, ins gerade neu eröffnete Testcenter der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen. Dort, so erzählt sie, sei ihr nach dem obligatorischen Abstrich im Rachen gesagt worden, dass sie vermutlich noch am selben Abend Bescheid bekommen werde.

Corona-Test: Frau aus Kreis Gießen hörte lange kein Ergebnis

Doch Lang hörte nichts, auch nicht am nächsten Tag. Ein Anruf bei der überlasteten Hotline scheiterte. Erst am Freitag erreichte sie das Gesundheitsamt. Wenn sie keine Nachricht erhalten habe, sei sie wohl negativ getestet, lautete dort die Auskunft. (Aktuelle Corona-Entwicklung in Gießen und Mittelhessen finden Sie hier)

Sechs Tage nach ihrer Rückkehr bekam die Frau hohes Fieber. Ein Besuch beim Ärztlichen Notdienst endete an der Sprechanlage, man dürfe sie nicht untersuchen. Übers Wochenende versuchte sie, mit Ibuprofen das Fieber zu senken und begab sich am Montag auf eigene Faust ein zweites Mal ins Testcenter. »Die Schlange war jetzt schon dreimal so lang«, erinnert sie sich. Der Arzt, der sie wiedererkannte, sei sehr ungehalten gewesen. Nur nach langem Insistieren sei er bereit gewesen, erneut einen Abstrich zu nehmen. »Wenn Sie keinen Bescheid bekommen, ist er negativ«: Mit diesen Worten wurde Susanne Lang nach Hause entlassen.

Dort befindet sie sich immer noch. Sie nimmt Paracetamol, hat aber weiterhin hohes Fieber und ist krankgeschrieben. Ihre Freundin, die zwei Dörfer weiter wohnt, ist positiv getestet - übrigens vom Hausarzt - und wird regelmäßig vom Gesundheitsamt kontaktiert. »Wir haben in einem Zimmer geschlafen, stundenlang zusammen im Auto gesessen, aus einer Flasche getrunken. Und ihren Lippenstift habe ich auch benutzt.«

Corona-Test: Frau aus Gießen will zu Hause gesund werden

Die 57-Jährige will versuchen, zu Hause wieder gesund zu werden. Sie lebe alleine - »zum Glück« - und bekomme eingekauft. Ins Krankenhaus will sie nur, wenn es gar nicht mehr anders geht. »Es gibt sicher Leute, die das Bett dringender nötig haben als ich.«

Ihr Urteil über das Testverfahren aber steht fest: »Die kriegen es einfach nicht geregelt.« Harte Worte. Doch eine gewisse Verwirrung ist unter den Beteiligten ganz offensichtlich vorhanden, wie zwei Anfragen dieser Zeitung beim Landkreis und bei der Kassenärztlichen Vereinigung zum vorgeschriebenen Prozedere zeigen. »Dem Gesundheitsamt werden nur die positiven Testergebnisse gemeldet. Die Tests werden durch die Ärztlichen Bereitschaftsdienste der KV vorgenommen. Deshalb bitte ich Sie, alle anderen Fragen - wie die Unterrichtung des Patienten über das Ergebnis - dort zu stellen«, schreibt die Pressestelle des Landkreises.

Corona-Test: Nachricht des positiven Befunds neun Tage nach erstem Test

Die Antwort der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen liest sich anders: »Das Testergebnis wird den Patientinnen und Patienten durch die Gesundheitsämter mitgeteilt. Ursprünglich war und ist vorgesehen, dass sowohl positive wie auch negative Befunde mitgeteilt werden. Wir können jedoch nicht ausschließen, dass die Gesundheitsämter - womöglich aufgrund der hohen Anzahl an Tests - den Patientinnen und Patienten nur noch Ergebnisse mit positivem Befund mitteilen. Die Gesundheitsämter entscheiden das völlig autonom, wir als KV haben da keinen Einfluss.«

Gestern, neun Tage nach ihrem ersten Test, hat Susanne Lang übrigens doch noch Nachricht bekommen. Wenig überraschend: Sie ist positiv. Aus dem Gesundheitsamt will sie erfahren haben, dass ihr Test nur mit ihrem Namen versehen wurde, nicht aber mit den Kontaktdaten. Man habe sie deshalb nicht erreichen können. Erst eine Intervention ihrer Freundin habe die Behörde auf die richtige Spur gebracht.

Dass Corona-Tests unzureichend gekennzeichnet worden seien, kann die Pressestelle des Kreises »so nicht bestätigen«. Sprecher Dirk Wingender weist allerdings darauf hin, »dass mit steigenden Fallzahlen allein das Ermitteln und Managen aller Kontaktpersonen derzeit einen ganz erheblichen Aufwand bedeuten«.

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