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Corona: Kitas sollen schrittweise öffnen - Wie das funktionieren kann

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Verwaiste Garderobenplätze in der Kita St. Elisabeth in Großen-Buseck: Während die große Politik noch überlegt, wie eine schrittweise Öffnung der Betreuungseinrichtungen gelingen kann, hat man sich hier längst eigene Gedanken dazu gemacht.
Verwaiste Garderobenplätze in der Kita St. Elisabeth in Großen-Buseck: Während die große Politik noch überlegt, wie eine schrittweise Öffnung der Betreuungseinrichtungen gelingen kann, hat man sich hier längst eigene Gedanken dazu gemacht. © Tina Jung

Abschlussklassen besuchen wieder die Schulen. Auch die Kitas sollen schrittweise öffnen. Wie das funktionieren kann, darüber hat sich so mancher Träger längst Gedanken gemacht.

Gießen - Nehmt bitte die gemalten Bilder mit nach Hause, steht auf einem gelben Papier, das an einer Glasscheibe befestigt ist. Darunter befindet sich eine Holzkiste auf einer Bank. Leer. Kunstwerke aus Kinderhänden sucht man hier vergebens. Ebenso wie Jacken oder Taschen an der Garderobe. Die Hausschuhe stehen an ihrem Platz, die Beutel mit Matschhosen und Ersatzkleidung hängen unberührt darunter. Der Flur vor den Gruppenräumen der Kindertagesstätte St. Elisabeth in Großen-Buseck ist an diesem Nachmittag verwaist, das letzte Kind gerade gegangen. Nur eine Handvoll Mädchen und Jungen wird von den Erzieherinnen derzeit täglich betreut. Dabei wäre viel mehr möglich. Aus räumlicher und personeller Sicht.

Seit vergangener Woche werden die Rufe nach einer schrittweisen Öffnung der Kindertagesstätten immer lauter, die Familienminister von Bund und Ländern sprechen sich mittlerweile für einen behutsamen Wiedereinstieg aus. Ihre Empfehlungen sollen in die heutigen Beratungen von Kanzlerin und Ministerpräsidenten einfließen. In manchen Einrichtungen hat man bereits klare Vorstellungen davon, wie die Betreuung schrittweise wieder anlaufen könnte. Beispielsweise in Großen-Buseck.

Corona und Kitas: Genug Platz

»Wir haben relativ früh angefangen, uns darüber Gedanken zu machen«, erzählt Claudia Sharifi, die in der Kita St. Elisabeth seit 22 Jahren die Leitung inne hat. An Räumlichkeiten mangelt es in der Bismarckstraße nicht, neben den drei Gruppenräumen gibt es Speise- und Turnraum, außerdem besteht die Möglichkeit, die Betreuung auf Pfarrsaal, Bücherei und Familienbildungsstätte auszuweiten. Neben Sharifi stehen bis zu sechs Erzieherinnen zur Verfügung. Sie könnten selbst in kleinen Gruppen einen Großteil der 68 Kinder betreuen.

Zusätzlich zu jenen, die ein Anrecht auf Notbetreuung haben, würde Sharifi analog den Schulen zunächst den künftigen ABC-Schützen eine Betreuungsmöglichkeit einräumen. Zum einen, weil sie das größere Verständnis für die Situation mitbringen, zum anderen weil für sie die letzten Monate im Kindergarten ganz wichtig sind. »Wir bereiten die Großen in dieser Zeit intensiv auf den Übergang in die Schule vor, außerdem nehmen die Kinder Stück für Stück Abschied.« Sharifi: »Das wird ihnen gerade genommen.«

Kitas und Corona: Kinder brauchen Kinder

Weil aber für die Entwicklung der Umgang mit Gleichaltrigen generell wichtig ist, sollten nach Sharifis Ansicht auch die Jüngeren die Kita sobald wie möglich wieder besuchen. Gelingen könnte dies in einer Art Schichtbetrieb in immer gleichen Gruppen. Denn auch wenn jedes Kind zunächst nur an einem oder zwei Tagen kommen würde, wäre das laut Sharifi ein Gewinn.

»Kinder brauchen Kinder«, sagt die erfahrene Erzieherin. So hätten sie zumindest eine Perspektive ähnlich eines wöchentlichen Fußballtrainings oder Flötenunterrichts, und der Kontakt bliebe nicht weiterhin nahezu abgebrochen. Letzteres bedeute nämlich vor allem bei kleineren Kindern häufig eine neue Eingewöhnungsphase.

Kitas und Corona: Pause für die Eltern

Nicht zuletzt hätte die Wiederöffnung auch für die Eltern, von denen mittlerweile viele an ihre Grenzen stießen, Vorteile. Sharifi: »Die können endlich mal durchschnaufen.«

Derlei Gedankenspiele finden nicht nur beim kirchlichen Träger statt. Im Busecker Rathaus beispielsweise hat man sich ebenfalls früh überlegt, wie man die Notbetreuung weiterentwickeln kann. Bürgermeister Dirk Haas (SPD) hat die kommunalen Einrichtungen deshalb bereits für Kinder mit besonderem Förderbedarf geöffnet, wie es jetzt auch von den Familienministern favorisiert wird. Die nächsten könnten die Vorschulkinder sein, sagt Haas. Denn es sei wichtig, diese auf einen gemeinsamen Stand zu bringen, damit einige nicht schon vor Schulbeginn abgehängt würden.

Mit Blick auf künftige Beschlüsse erhofft sich der Rathauschef von Bundes- und Landespolitik etwas mehr Freiheit und Vertrauen in die Handelnden vor Ort, weil die Situation in den Einrichtungen oft sehr unterschiedlich sei. »In manchen Kitas sind die Erzieherinnen jung und fit, in anderen älter und vielleicht mit Vorerkrankung«, sagt er. Das gelte es, bei einem Wiedereinstieg zu berücksichtigen.

Kitas und Corona: Situation unterschiedlich

Unterschiede bestehen aber nicht nur zwischen den Kitas, sondern auch zwischen den Kommunen. So hat man in Lich einen vergleichsweise hohen Anteil an Eltern, die einen Anspruch auf Notbetreuung haben, sagt Bürgermeister Dr. Julien Neubert. »Durch die ständigen Erweiterungen des Berechtigtenkreises werden wir in absehbarer Zeit an unsere Obergrenze bezüglich der Gruppengröße von maximal zehn Kindern kommen«, sagt Neubert. Deshalb wartet man in der Stadt an der Wetter - auch mit Blick auf den Schutz der Erzieherinnen, die im Vergleich zu anderen Berufsgruppen ohnehin schon einem erhöhten Risiko ausgesetzt sind - erstmal auf ein Signal seitens der Landesregierung, bevor man Konzepte zu einer schrittweisen Öffnung entwickelt.

Eine Entscheidung von oben wird auch in der Schäferstadt Hungen das weitere Handeln bestimmen. Dort hat man zwar schon »Ideen gesammelt, wie es weitergehen kann, aber wir sind noch nicht in die Konkretisierung gegangen«, erklärt Bürgermeister Rainer Wengorsch.

In nächster Zeit dürfte man aber wohl auch dort aktiver werden, denn für kommende Woche werden in Sachen Kita-Öffnung weitreichende Entscheidungen erwartet.

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