Container gegen Obdachlosigkeit?

Unfreiwillig soll in diesem Land kein Mensch ohne Obdach sein. Wem etwa die Wohnung gekündigt wird, weil er wegen Arbeitslosigkeit oder nach einer Trennung die Miete nicht zahlen kann, dem muss die Kommune eine Unterkunft stellen. Doch was, wenn es keine gemeindliche Wohnung mehr gibt, wenn das einzige Hotel, das Zimmer bereitgestellt hatte, geschlossen ist.
Ein Blick nach Grünberg, wo man jetzt eine Containerlösung erwägt, sowie in weitere Kreisgemeinden.
Die Pflicht der Kommunen, von Obdachlosigkeit bedrohten Menschen ein Dach überm Kopf zu besorgen, findet sich im Hessischen Gesetz für Sicherheit und Ordnung (siehe Zusatzelement). »Als Mindestanforderungen müssen wir eine Unterkunft mit Wasch-, Koch- und Schlafgelegenheit sowie eine Toilette bieten«, erklärt Gerhard Schildwächter als Leiter des Ordnungsamtes der Stadt Grünberg.
In der Folge sei dann der Kreis als Träger der Sozialhilfe in der Verantwortung, etwa über die Vermittlung von Wohngeld den Betroffenen zu helfen, »in geordnete Bahnen zurückzukehren«.
Im Schnitt vier bis fünfmal im Jahr ist Grünberg gefordert, Obdachlosigkeit abzuwenden. Das aber stellt sich seit einiger Zeit schwieriger dar: Ein Hotel in der Londorfer Straße, das Zimmer zur Verfügung stellte, ist geschlossen. Läuft alles wie geplant, weicht es nächstes Jahr dem Abrissbagger, um Platz für ein Ärztehaus zu schaffen. Zudem gibt es kaum noch städtische Notwohnungen: Mal wurde ein Fachwerkhaus zum Museum umgenutzt, mal wird die Unterbringung eines »Sozialfalles« vor Ort nicht mehr gewünscht.
Als jüngst wieder ein Mann quasi auf der Straße stand, fand das Ordnungsamt erst nach längerer Suche ein Zimmer in einem Gasthaus. Erhöhter Handlungsdruck also in der Stadt am grünen Berg. Das Thema »Obdachlosigkeit« beschäftigte zwar mehrfach bereits den Ältestenrat des Stadtparlaments, verlief am Ende aber im Sande, wie es Schildwächter formuliert. Auf sein Drängen hin aber könnte jetzt Bewegung in die Sache kommen, hat sie doch der Sozialausschuss auf die Agenda gesetzt. Und: Im Etatentwurf 2022 des Magistrats finden sich 10 000 Euro. Wie Bürgermeister Frank Ide sagt, denkt man unter anderem an den Kauf einen Wohncontainers. Allerdings müsste dafür erst mal der geeignete Standort gefunden werden, samt Kanal- und Wasseranschluss.
Ide verweist noch auf den Standortnachteil Grünbergs: Die Kollegen rund um Gießen hätten den Vorteil, Personen ohne feste Bleibe in Wohnheimen der Unistadt unterzubringen. Das komme für seine Stadt schon wegen der Entfernung zu den Sozialbehörden nicht infrage.
In Lich sieht sich die Stadt hingegen seltener in der Pflicht, eine Notunterkunft zu beschaffen: »Wenn überhaupt gibt es einen Fall jährlich«, berichtet Bürgermeister Dr. Julien Neubert. Auch habe man keine signifikante Änderung in den letzten Jahren beobachtet. Die Gründe der Obdachlosigkeit seien im Übrigen sehr individuell und folgten keinem Muster.
In erster Linie greift Lich auf eigene Immobilien zurück oder nutzt Belegungsrechte. Neubert verweist dazu auf Häuser der Baugenossenschaft sowie die bezahlbaren und dazu barrierefreien Wohnungen in den »Alten Schulhöfen«. Ein Grundstück, das Stadt und Kreis im Rahmen einer Konzeptvergabe veräußert und dafür ein Belegungsrecht vertraglich geregelt hätten.
Nur teil- und zeitweise, so schließlich Lichs Rathauschef, greife man auf Hotels zurück. Sei es doch immer gelungen, für die Betroffenen eine Unterkunft zu finden, nur in einem Fall habe man überlegt, einen Wohncontainer aufzustellen.
Gleichbleibend zwei- bis viermal pro Jahr sehe sich Heuchelheim mit dem Problem konfrontiert, teilt Bürgermeister Burkhard Steinz mit. Die Zuwanderungswelle 2015/2016 sowie stark erhöhte Mieten sind für ihn zwei der Ursachen für steigende Zahlen andernorts.
Für den Notfall hält Heuchelheim eine gemeindliche Wohnung vor. Allerdings ist die laut Steinz nie lange belegt, griffen doch in kürzester Zeit die Mechanismen. Wozu Unterstützung bei der Wohnungssuche oder das Ermitteln von Verwandten zählt. »Einzelpersonen finden Hilfe in Einrichtungen wie Männerwohnheim und Frauenhaus oder bei der Caritas.«
Im Schnitt und konstant zwei bis drei Fälle sind es in Buseck. Auch hier greift man »in gewissen Fällen« auf das Wohnheim in Gießen zurück. Jedoch nicht nur, gewähre die Verwaltung doch auch »Hilfe zur Selbsthilfe«, wie Fachbereichsleiter Mario Foos unterstreicht.
Nicht viel anders verhält es sich in Reiskirchen. Jährlich zwei bis drei Fälle, daran habe sich in der letzten Dekade nichts geändert, erklärt Bürgermeister Dietmar Kromm. Auch hier hat man eine Notwohnung eingerichtet. Gerade mal ein Fall jährlich und das seit vielen Jahren - so heißt es aus der Stadtverwaltung Lollar. Die nutzt wie andere aus dem Umland Wohnheime in Gießen, hält jedoch auch eine Notunterkunft bereit. FOTO: TB