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Wer sind wir?

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Von: Sonja Schwaeppe

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Ida Schulz (r.) vom Organisatiosteam des Demokratiefestes führt Interessierte durch die Wanderausstellung. FOTO: SON © Sonja Schwaeppe

Buseck (son). Im Busecker Kulturzentrum stehen rund 15 Männer und Frauen in einer Reihe. Sie sind Teilnehmende eines Workshops zum Thema »Wer sind wir ?«, der im Rahmen des Demokratiefestes am Wochenende in Buseck veranstaltet wurde. Behzad Borhani, der den Workshop leitet, fragt: »Wer von euch hat Zugang zu warmem Wasser?«. Nicht alle machen einen Schritt vorwärts.

»Du kannst deine politische Meinung ohne Konsequenzen äußern.« Wieder bleiben viele stehen. »Du weißt, dass Du und Deine Familie regelmäßig zu essen haben werdet.« Nur eine Handvoll Menschen bewegen sich.

Am Ende lesen alle vor, wen sie beim Fragespiel verkörpern - einen Kindersoldaten aus Uganda etwa oder ein blindes Mädchen aus Pakistan, das verheiratet werden soll, ist von jenen zu hören, die stehen geblieben sind. In der vorderen Reihe sind meist Menschen aus Deutschland zu finden, mit Beruf und Perspektiven, für die es bei nahezu jeder Frage einen Schritt nach vorne ging.

Vorurteile im Fokus

Der Workshop ist nur ein Aspekt des Demokratiefestes, das vom Projekt »Dabeisein in den Gießener Lahntälern« veranstaltet wurde. Ida Schulz und Isabella Hercher von der Koordinierung und Fachstelle von Dabeisein, das als »Partnerschaft für Demokratie« im Bundesprogramm »Demokratie leben« verortet ist, stellten Interessierten die Wanderausstellung »normal[l] vor, die sich mit Vorurteilen beschäftigt. »Hier haben Gruppen aus ganz Hessen, unter anderem Mitglieder des Jugendforums aus Allendorf/Lumda, Buseck, Reiskirchen, Lollar, Rabenau und Staufenberg mitgearbeitet«, so Schulz. Dabeisein organisiert und fördert unter anderem Beteiligungsprozesse und arbeitet gegen demokratie- und menschenfeindliche Tendenzen in der Gesellschaft.

»Gerade in Zeiten eines wachsenden Rechtspopulismus, wird durch die Einbindung in politische Entscheidungsprozesse die demokratische Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger vor Ort gestärkt«, so die beiden Frauen. Am Nachmittag würden zwei Bezafta-Trainer, das aus Israel stammende Selbsterfahrungsprogramm vorstellen. Auch hier gehe es darum, demokratische Prozesse zu fördern.

Beim Workshop mit Behzad Borhani läuft derweil die Schlussbetrachtung des Fragespiels. »Wir starten alle auf einer Linie«, sagt Behzad Borhani. »Laut der allgemeinen Erklärung der Menschenrechte sind auch wir alle frei und gleich an Würde und Rechten geboren.« Aber in der Realität sehe es anders aus: »Dem pakistanischen Mädchen droht die Zwangsheirat, der Kindersoldat in Uganda kann nicht die Schule besuchen, der behinderte Arbeiter in Peru hat keinen Zugang zur Gesundheitsversorgung.«

Nach der Fragerunde geben die Privilegierten zu, nie zurückblickt zu haben. Die hinteren begreifen sehr wohl, wie ungerecht die Situation ist. »Ich finde es unfair und es macht mich wütend und hoffnungslos«, heißt es aus den Reihen der »Stehengebliebenen«.

Reine Gleichheit als Menschenrechtserklärung reiche nicht aus, um Gerechtigkeit zu schaffen. Das deutsche Grundgesetz habe noch einen Zusatz, der essentiell für Demokratien sei, sagt Borhani: Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

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