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Über viele Tellerränder geschaut

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Von: red Redaktion

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Seine Arbeit und seine Interessen führten Bernd Apel zu vielen Zielen weltweit. © pv

Buseck/Grünberg (pm). In den vergangenen 19 Jahren stand der Name Bernd Apel in der evangelischen Kirche im Raum Gießen für die Ökumene. Stets ging es ihm darum, die Toleranz und das Verständnis zwischen Religionen und Konfessionen wachsen zu lassen. Am Sonntag wird er in der Licher Marienstiftskirche aus seinem Dienst verabschiedet.

Vor dem Wechsel auf die Profilstelle Ökumene in der damaligen Arbeitsgemeinschaft der Dekanate Grünberg, Hungen und Kirchberg war Apel insgesamt 15 Jahre Gemeindepfarrer in Wehrheim im Taunus und in Reiskirchen gewesen. Die Erfahrungen in der Gemeinde hätten ihn für den übergemeindlichen Dienst geerdet, sagt der gebürtige Hanauer.

Nach dem Zivildienst studierte er zunächst Religionspädagogik mit dem Schwerpunkt Erwachsenenbildung, weil er für das Theologiestudium einen humanwissenschaftlichen Zugang für hilfreich erachtete. Es folgten Stationen in Frankfurt und Marburg. Schon damals interessierten ihn die Ökumene und die Theologien der sogenannten Dritten Welt besonders.

Auf das Lehrvikariat in Herborn und der Kirchengemeinde Annerod folgte nach dem zweiten theologischen Examen ein Spezialpraktikum an der Missionsakademie der Universität Hamburg und ein Sommerkurs an der Ökumenischen Hochschule in Bossey in der Schweiz.

Aus der Welt von Mission und weltweiter Ökumene ging es mit Ehefrau Erika, die er 1986 geheiratet hatte, 1988 zunächst in die Gemeinde nach Wehrheim. 1992 richtete sich die Familie dann mit den inzwischen zwei Töchtern im Pfarrhaus Reiskirchen ein. Als die evangelische Kirche in Hessen und Nassau Anfang der 2000er Jahre Fach- und Profilstellen auf Dekanatsebene errichtete, bewarb er sich mit Erfolg.

Die Partnerschaft mit der indischen Diözese Krishna Godavari zum Beispiel mit der Organisation der Besuche von Delegationen in Indien und der Gegenbesuche im Gießener Land war ihm ein wichtiges Anliegen. Neben Kontakten auf Augenhöhe spielte die Unterstützung unterschiedlicher Bildungs- und Gesundheitsprojekte in der Partnerschaft eine große Rolle.

Wichtig waren ihm auch die Kontakte zwischen dem Laubach-Kolleg und dem Noble College in Machillipatnam. Mit der Erweiterung seines Dienstes auf das Dekanat Gießen kam auch die Partnerschaft mit Amritsar in Indien dazu. Überdies begleitete er unter anderem das Austauschprogramm der Propstei Oberhessen mit der methodistischen Kirche in den USA oder Pastoralkollegs der EKHN im Nahen Osten.

Offenheit und der Wille, über den Tellerrand zu schauen sind weitere Leitmotive seiner Arbeit gewesen, vor allem im Austausch mit anderen Konfessionen und Religionsgemeinschaften in der Region und darüber hinaus. Kennenlernen, Feiern und Diskutieren standen und stehen für ihn im interreligiösen Dialog im Mittelpunkt. Diesen Austausch pflegte er vor allem mit muslimischen und jüdischen Gesprächspartnern, aber auch mit Buddhisten, Hindus und Bahai’i. Im von ihm begründeten »Rat der Religionen im Kreis Gießen« richten die Mitglieder ihren Blick auch auf neue geistige und religiöse Trends in der Gesellschaft.

Seine positive Bilanz nach 34 Jahren Pfarrdienst wird geschmälert von den »Sparbedingungen« der vergangenen fünf Jahre. Als ein Theologe, der auch seine eigene Kirche kritisch sieht, bedauert er es, dass die Organisation sich nach wie vor als eine »biodeutsche« präsentiert, in der die kulturelle Vielfalt der Gesellschaft nicht abgebildet wird. Auch wenn seine »Liebe zur Kirche« ungebrochen ist, kritisiert er ihren »Verlust an theologischer Substanz. Wir streiten nicht mehr über Gott.« Die bisher ganze Profilstelle Ökumene wird auf eine halbe reduziert.

Für die Zukunft wünscht er seiner Kirche mehr »Brückenbaukultur«. Das gilt auch für die Nachbarschaftsräume, die im Rahmen des Zukunftsprojekts ekhn2030 der Landeskirche in den nächsten Jahren entstehen werden. Da sei Offenheit für neue Ideen, Öffnung von Kirchen und Gemeindehäusern und Ökumene auch auf der Gemeindeebene angesagt, findet er. Das in seinen Augen notwendige Umdenken könnte zum Beispiel dazu führen, dass in einem (ehemaligen) evangelischen Gemeindehaus ein Raum für die Waschung von muslimischen Verstorbenen eingerichtet wird, die dann auf einem interkommunal betriebenen muslimischen Gräberfeld bestattet werden.

Abel will nun im Ruhestand ein Jahr von kirchlichen Aufgaben pausieren - mit Ausnahme des »Rats der Religionen«. Fokussieren will er sich nun erst einmal auf die Familie und den anderthalbjährigen Enkel: »Da habe ich einiges nachzuholen.«

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