Kreis Gießen: In Alten-Buseck entstehen Gitarren in Akkordarbeit

Lakewood-Gitarren verkaufen sich weltweit. Musiker wie Ritchie Blackmore und Johannes Oerding schwören auf ihre Lakewood und verzücken damit auf Konzerten die Fans. Jedes einzelne Instrument kommt dabei aus dem Landkreis Gießen.
Buseck - In den Werkstatträumen liegt der aromatische Geruch verschiedener Hölzer in der Luft. Der Klang von Maschinen schallt aus den Räumen. Rollwagen werden von einem Raum in den nächsten geschoben, darauf Gitarren. Hälse und Gitarrenkorpus warten noch darauf, zusammengefügt zu werden. In der Werkstatt in Alten-Buseck entstehen Gitarren im Akkord. Rund 1300 Stahlsaiten- oder auch Westerngitarren gehen im Jahr durch die Hände der Mitarbeiter. Und auf jeder einzelnen davon prangt der Name »Lakewood«.
Die in Alten-Buseck ansässige Firma hat sich in den vergangenen Jahrzehnten zum größten Hersteller von Westerngitarren in Deutschland entwickelt. Die Instrumente finden großen Anklang bei Musikern, besonders in Deutschland und dem europäischen Ausland, worauf die beiden Geschäftsführer Martin Seeliger und Markus Hoppe stolz sind. »Wenn man in Deutschland produziert, hat man nur die Wahl, hochwertige Produkte herzustellen. Bei Massenware wird man nie den Preis anderer Anbieter schlagen können«, erklärt Hoppe.
Qualität statt Quantität ist deshalb das Motto, wobei letzteres freilich nicht zu kurz kommen darf. Neben einem Mix aus Handarbeit und automatisierten Prozessen - unter anderem hat sich die Firma einen eigenen Roboter konstruieren lassen, der die Schleifarbeiten übernimmt - wird darum auf die Eigenverantwortung der Handwerker gesetzt: »Jeder unserer Mitarbeiter muss in der Lage sein, seine Arbeit selbst zu beurteilen«, sagt Hoppe. In der Werkstatt sind fast alle vom Fach. »Zupfinstrumentenmacher« lautet die offizielle Berufsbezeichnung. Aber es gibt auch Quereinsteiger, manchmal mit ungewöhnlichem Hintergrund.
Rund acht Wochen vergehen, bis eine Lakewood-Gitarre die Werkstatt verlässt. Von der Konstruktion des Gitarrenkörpers bis zum Anbringen des Halses und der Saiten durchläuft das Musikinstrument dabei viele Hände. Beispielsweise die von James Daines: Der Neuseeländer ist gelernter Bootsbauer und Quereinsteiger in den Gitarrenbau. An seinem Arbeitsplatz bearbeitet er die Zargen der Gitarren. Eine große Maschine biegt das feuchte Holz in eine bauchige, geschwungene Form. »Zargen« heißen die Seitenwände des Gitarrenkörpers. Nachdem die Maschine ihre Arbeit beendet hat, entnimmt Daines das Holzstück und begutachtet es eingehend. Fehler oder Ungenauigkeiten dürfen nicht auftreten, denn das hätte Einfluss auf das fertige Instrument.
Unter den Kunden, für die Lakewood produziert, finden sich viele in Deutschland bekannte Namen. So schwören etwa Johannes Oerding oder Ulrich Rode (BAP) auf die Gitarren. Mit dem Fingerstyle-Gitarristen Sungha Jung hat Lakewood auch in Südkorea Bekanntheit erlangt.
Es sind gerade aufwendige und besonders kostspielige Sonderanfertigungen, die ins Ausland gehen. Derzeit laufen die Arbeiten für ein Instrument, das Ritchie Blackmore -- seines Zeichens Gitarrist der legendären Hard-Rock-Band Deep Purple - in Auftrag gegeben hat. Das Thema dabei lautet »Mond«, und jener soll auf möglichst vielen Elementen der fertigen Gitarre zu sehen sein. »Das hinzubekommen ist eine Kunst für sich«, sagt Seeliger.
Eben jene Einlegearbeiten haben einen großen Einfluss auf den abschließenden Preis einer Gitarre. Zwischen 2000 und 10 000 Euro müssen Kunden für eine Lakewood bereithalten. Eine erhebliche Summe, die vor allem durch die Wahl seltener Hölzer und den gewünschten Verzierungen zustande kommt, wie Seeliger erklärt. Als Beispiel nennt er das Holz die Koa-Akazie. Die Bäume kommen nur auf den Inseln Hawaiis vor und sind eines der teuersten Hölzer, auf die Lakewood zurückgreift. »Alleine dafür müssen bis zu 1500 Euro Aufschlag berechnet werden«, sagt der Firmengründer. Dabei legt das Unternehmen auch Wert auf die Ökologie: Alle Holzarten stammen aus nachhaltigem Anbau.
Viele Hände, viel Maschinenarbeit, Arbeitsteilung - das wirkt geradezu entzaubernd, ist beim Thema Gitarrenbau doch das Bild des einzelnen Handwerkers vorherrschend, der eine Gitarre Schritt für Schritt alleine baut. »Es gibt Dinge, die können Maschinen einfach besser. Dazu gehört das Fräsen der Verzierungen«, sagt Hoppe. »Doch vieles können Menschen besser. Die Beurteilung der verschiedenen Hölzer zum Beispiel.«
Und doch gibt es ihn, den kreativen, künstlerischen Moment, beim Schaffen der Instrumente: »Jeder Mitarbeiter muss sein eigenes intuitives Herangehen an den Werkstoff Holz haben«, sagt Seeliger. »Jedes Stück Holz hat einen eigenen Charakter, eine eigene Struktur, einen eigenen Klang.« Und just dieses Zusammenspiel entscheidet letztlich über das Endprodukt. »Eine Lakewood-Gitarre muss diesen transparenten, obertonreichen Ton haben«, sagt Hoppe. »Sie muss dieses spezielle Glitzern im Klang haben.«
Und obwohl man bei Lakewood viel Wert auf die gleichbleibende Qualität der Instrumente legt, ist für Seeliger jede ein Unikat: »Man kann nicht zweimal die gleiche Gitarre bauen.« (con)

