»Haus nicht unter Zwang, sondern an Freunde verkauft«
Buseck (siw). Kurt Rosenberg ist ein ehemaliger jüdischer Mitbürger aus Großen-Buseck. Der 86-Jährige nutzte wieder einmal eine Geschäftsreise zur Süßwarenmesse in Köln, um bei den Eheleuten Alfred und Anna Menz »Hallo« zu sagen. Das Elternhaus von Kurt Rosenberg stand in der Kaiserstraße 3 und 5.
Aufgehetzt durch den damaligen Bürgermeister Rebholz wurden die Juden aber schon bald auch im Busecker Tal verfolgt. Heimlich und ohne das Wissen der Großmutter besorgte Vater Isaak die Auswanderungspapiere - damals über 50 Jahre alt und der englischen Sprache nicht mächtig, ein mutiger Schritt. Kurt Rosenberg musste dank der klugen und weitsichtigen Eltern die Nazizeit in Deutschland nicht miterleben.
Die Eltern von Alfred Menz hatten 1938 das Anwesen der Rosenbergs gekauft und zunächst an drei Familien vermietet, um die aufgenommene Hypothek tilgen zu können. Die Familie Menz selbst wohnte weiterhin im alten Gärtnerhaus am Schlosspark. 1948 machte sie einen Obst-, Gemüse- und Blumenladen in der Kaiserstraße auf und bezog 1952 die darüber liegende Wohnung.
»Wir haben nicht unter Zwang und wir haben an Freunde verkauft«, betonte Kurt Rosenberg im Gespräch mit der Gießener Allgemeinen Zeitung. Deshalb habe sein Vater auch nach Kriegsende auf eine Wiedergutmachungszahlung verzichtet.
Am 27. Mai 1938 kamen die Rosenbergs in Amerika an. Die ersten beiden Jahre lebten sie in New York. Mangels Sprachkenntnissen wurde Kurt Rosenberg mit 13 Jahren in die erste Klasse zurückversetzt. Nach dem Unterricht zog er als Eierverkäufer von Tür zu Tür, um zum Lebensunterhalt der Familie beizutragen. Der Vater hat später in der Süßwarenbranche Fuß fassen können, und die Familie bezog das eigene Haus in New Jersey.
»Wollen den Familien ein Gesicht geben«
Auf Grund der Erkrankung des Vaters stieg Kurt Rosenberg - obwohl inzwischen ein ausgebildeter Optiker - ebenfalls in diese Branche ein. Als Importeur für Sarotti-Schokolade kam er 1957 erstmals wieder nach Deutschland zurück. Während der geschäftlichen Aufenthalte besuchte Kurt Rosenberg danach immer wieder Großen-Buseck, und stets führte sein Weg zur letzten Ruhestätte seiner Vorfahren auf den Judenfriedhof.
Dem Engagement von Isaak Rosenberg ist es zu verdanken, dass zum Andenken an die gefallenen Juden im ersten Weltkrieg ein Obelisk aufgestellt wurde. Nach Gießen ist der Judenfriedhof in Großen-Buseck einer der größten im Umkreis.
»Wir wollen den Familien ein Gesicht geben«, sagt Ilse Reinholz-Hein, Archivarin der Gemeinde Buseck. »Aus diesem Grund haben Ute und Walter Zecher vom Heimatkundlichen Arbeitskreis Stein für Stein fotografiert, damit wir die hebräischen Beschriftungen der Grabsteine übertragen lassen können.« Bei seinem Besuch am Mittwoch wurde Kurt Rosenberg von seinem Sohn, Michael G. Rosenberg, begleitet. Er hat inzwischen die Firma »Promotion in Motion Inc.« vom Vater übernommen. Es handelt sich dabei um einen Hersteller und Vermarkter von Süßwaren in Closter (New Jersey).
Zum Treffen im Haus der Eheleute Menz in der Unterstruth hatte Ilse Reinholz-Hein sehr zur Freude der Rosenbergs den Stammbaum der Familie mitgebracht, der bis in die erste Hälfte des 18. Jahrhunderts hineinreicht. Für die aufwendigen Recherchen und die anschließende kleine Rundreise haben sich die Gäste aus Amerika vielmals bei Reinholz-Hein bedankt. Neben dem Judenfriedhof wurde die Synagoge am Anger besucht und auch die Häuser in der Kaiserstraße und in der Oberpforte 10.
Laut Brandkataster aus den Jahren 1835, 1845 und 1851 wurde Salomon Rosenberg (1851 verstorben) als Besitzer des Hauses an der Oberpforte 10 geführt. Es handelt sich dabei um den Ur-Ur-Großvater von Kurt Rosenberg. Von 1858 bis 1868 erscheint Urgroßvater Hirsch Rosenberg (1900 verstorben) als Eigentümer des Hauses Kaiserstraße 2 (Apotheke) und wird ab 1873 als Eigentümer des Hauses Oberpforte 10 genannt.
Als Büchereileiterin ist Reinholz-Hein zum Ende vergangenen Jahres in den Ruhestand gegangen. Die damit gewonnene freie Zeit möchte sie verstärkt nutzen, um die Geschichte der Juden und Vertriebenen im Busecker Tal aufzuarbeiten.