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Handwerk kann Teuerung »nicht gänzlich abfedern«

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Von: Franz Ewert

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Buseck/Gießen (sel). Es waren durchaus schonungslos ehrliche Worte, die Hartmut Gall jüngst bei der Innungsversammlung der Maler und Lackierer im Kulturzentrum Buseck wählte. Der langjährige Obermeister skizzierte ganz offen die Gemengelage, die sich aus der Corona-Krise und als Folge des Ukraine-Krieges für das Handwerk und für die Kunden ergeben hat und noch ergeben wird.

Auf der einen Seite sind die Auftragsbücher in den Gewerken des Bauhauptgewerbes und der Ausbaugewerke, wozu auch die Maler zählen, voll. Arbeit ist genug vorhanden, private wie öffentliche Auftraggeber nutzen die Zeiten, auch wegen niedriger Zinsen. Zugleich aber fehlen den Handwerkern auf den Baustellen die Baustoffe und die Materialien. Das sorgt laut Gall nicht nur für Verzögerungen, sondern auch dafür, dass wegen der Materialknappheit die Preise in die Höhe schießen. Die Reserven der einzelnen Unternehmen seien inzwischen aufgebraucht, sagte Gall. Zudem haben auch die Transportkosten und -pauschalen, die seitens Industrie und Großhandel bei der Anlieferung von Baustoffen anfallen, ebenfalls »kräftig angezogen«. Wobei die Auswirkungen auf die einzelnen Betriebe durchaus unterschiedlich seien.

Diese höheren Preise an die Kunden, private wie öffentliche, weitergeben zu können, gestalte sich schwierig. Allerdings sei zugleich klar, dass das Handwerk die Teuerung »nicht gänzlich abfedern« könne, sondern höhere Preise auch weiterreichen müsse, sagte Gall.

Zugleich habe sich die Zeitspanne zwischen der Erteilung eines Auftrags an den Handwerksbetrieb und dessen Ausführung deutlich verlängert. Ein halbes Jahr Wartezeit ist laut Gall keine Seltenheit.

Neben diesen Gründen kämen beim Handwerk »lange bekannte Begleiter« hinzu, die die Lage verschärften. Der Lehrlingsmangel und der sich daraus für die Zukunft unweigerlich ergebende Fachkräftemangel etwa. Letzterer werde noch verschärft durch die öffentliche Hand als Konkurrenz auf dem Fachkräftemarkt: »Das Handwerk bildet die Fachkräfte aus, der öffentliche Dienst und auch Universitäten werben sie dann ab.«

Angesichts der guten Auftragslage infolge einer erheblichen Nachfrage potenzieller Kunden bei gleichzeitig schwierigen Rahmenbedingungen riet Gall seinen Handwerkskollegen zu frühzeitiger Planung und realitätsnaher Vorplanung. Auch mit dem Ziel, nicht permanent in finanzielle Vorleistung treten zu müssen, was mit der Gefahr verbunden sei, auch einmal auf Kosten sitzenzubleiben.

Gerade in der jetzigen Krise - was Beschaffung und Verteuerung von Baumaterialen aller Art betreffe - zeigt sich laut des Obermeisters, dass eine gesunde Lager- und Vorratshaltung sehr von Vorteil ist. Dieser Bereich sei in den vergangenen Jahren zu sehr vernachlässigt worden. Das wirke sich nun negativ aus. »Lagerbestände sind eben kein totes Kapital«, sagte Gall.

Im Blick nach vorne geht Gall von einer Stabilisierung und Beruhigung des Marktes aus. Er gebe die Hoffnung nicht auf, dass sich bis Herbst die Materialverfügbarkeit bessern werde. Dies verband er mit dem Rat an die Kollegen, »gute und eingefahrene Lieferstrukturen« mit dem Großhandel nicht wegen ein paar Euro« zu kappen, sondern diese verlässlichen Verbindungen auch in schwierigeren Zeiten weiter zu nutzen.

Als »Zukunftsthema der Branche« nannte Gall die energetische Sanierung von Altbauten. Das Einsparen von Energie sei nicht nur ein ökologischer Trend, sondern schlichte Notwendigkeit angesichts in die Höhe schießender Preise für Gas und Öl. Gerade das Malerhandwerk sei hier gefordert, die potenziellen Privatkunden umfänglich zu beraten, lösungsorientierte Möglichkeiten der Renovierung und Sanierung aufzuzeigen und auch Hinweise auf finanzielle Fördervarianten zu geben.

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