Großeltern unter Druck

Die Oma, die mit den Enkeln über die Wiese tollt. Der Opa, der alte Geschichten erzählt. Großeltern, die immer da sind und sofort einspringen, wenn mal in der Kita gestreikt wird. Um die Großelternrolle ranken sich viele Klischees. Gesellschaftswissenschaftlerin Petra Goldack will mit einem Kurs in Buseck eine Diskussion darüber anstoßen und Großeltern das schlechte Gewissen nehmen, dass sie diesen Rollenbildern nicht entsprechen.
In der Werbung sind Großeltern dynamisch und jung, springen durch Wälder und cremen sich notfalls mit Voltaren ein, falls mal was knirscht. Da überreichen Opas »Werthers Echte« an glücksstrahlende Enkel oder fahren mit dem Treppenlift geschwind aus dem Obergeschoss in den Keller, um mal schnell ein Modellflugzeug zu bauen.
Nicht nur junge, auch ältere Menschen haben mit Stereotypen zu kämpfen. Das Bild der Oma und des Opas ist davon nicht frei. Als Anker und Retter in der Not für die Eltern, rund um die Uhr verfügbar. Für die Enkel als liebevoller Spielgefährte, der die eine und andere Sache mal durchgehen lässt.
Wie alle Stereotype hat dies allerdings mit der Realität wenig zu tun. Denn viele Großeltern sind noch nicht in Rente, sondern haben einen Vollzeitjob zu stemmen. Immer seltener wohnen drei Generationen in einem Haus. Und wenn die Kinder nach Bamberg gezogen sind, ist es für die Buse-cker Oma schwer, sie täglich zu besuchen. So haben die einen Schuldgefühle, die anderen fühlen sich überfordert.
Petra Goldack von der Katholischen Familienbildungsstätte hat mit vielen Großeltern über die Situation gesprochen. Mit dem Kurs »Großeltern sein - Erfüllung und Herausforderung« will sie eine Diskussion über das Thema anstoßen. Es geht darum, ins Gespräch über Probleme zu kommen und Lösungansätze zu finden. Etwa wie man einen Kontakt aufbaut, wenn die Enkel weit weg wohnen.
Es geht aber auch darum, die eigene Rolle zu reflektieren und sich von den aufgedrängten Rollenbildern ein Stück frei zu machen. »Wenn jemand selbst noch voll im Berufsleben steht, kann er nicht immer einspringen, wenn die Kita geschlossen ist und die Eltern arbeiten müssen«, sagt Gesellschaftswissenschaftlerin Goldack. »Das hat dann nichts damit zu tun, dass man seine Enkel weniger lieben würde.« Omas und Opas hätten in dieser Situation oft ein schlechtes Gewissen, dass sie nicht helfen können. Darüber offen und vorwurfsfrei zu sprechen, helfe, die Situation zu entspannen.
Soziologische Theorien gehen davon aus, dass häufig die Großeltern mütterlicherseits mehr mit den Enkeln zu tun haben. »Ich habe das zunächst für Blödsinn gehalten«, sagt Goldack. Doch in Gesprächen mit vielen Omas und Opas habe sich das Bild verfestigt. Die Ursache ist logisch: Wenn eine Frau Mutter wird, wendet sie sich bei Problemen in der Regel an die Frau, die aus ihrer Sicht dafür Expertin sein muss, also die eigene Mutter, wenn diese greifbar ist. Dies kann allerdings dazu führen, dass sich die Großeltern väterlicherseits von den Enkelkindern distanziert fühlen.
Insgesamt spielen die zwischenmenschlichen Beziehungen eine große Rolle. Wenn sich beispielsweise Mutter (nun Oma) und Tochter schon früher nicht gut verstanden haben, ändert sich dies nicht, nur weil ein Enkelkind dazukommt. Einige Kinder würden zudem kritisieren, wenn ihre Eltern früher sehr streng waren, den Enkeln aber nun alles durchgehen lassen. Auch hier helfe es, offen über Probleme und Gefühle zu sprechen.
Feingefühl brauche es auch, wenn Großeltern bei der Erziehung der Enkel mitreden wollen. Der Satz, »du hattest deinen Versuch, ich bin das Ergebnis«, einer jungen Mutter gegenüber ihrer eigenen Mutter, enthält da viel Wahrheit. Niemand mag ungefragte Ratschläge. Zudem haben sich Erziehungs- und Ernährungsmethoden geändert. Hilfreich kann es sein, sich zu fragen, wie man die eigenen Großeltern wahrgenommen hat, was man an ihnen gut oder schlecht fand.
Dass man in einem zweistündigen Kurs nicht alle Themen der komplexen Großelternrolle in heutigen Zeiten ansprechen kann, ist klar. Ziel sei es stattdessen, in Austausch zu kommen und zu merken, das andere ähnliche oder gleiche Probleme haben. »Er soll dazu dienen, die Generation zu stärken, die sich um die Enkelkinder kümmert«, sagt Goldack.
Auch will sie dafür werben, dass sich Senioren als »Wahlzeitomas/opas« engagieren. Denn viele Alleinerziehende ohne Großeltern in der Nähe würden sich freuen, wenn ihre Kinder dennoch einen Kontakt zur älteren Generation hätten. Denn dabei geht es um mehr, als nur ein Bonbon zu überreichen: Großeltern können anderes Wissen, andere Lebensstandpunkte und -erfahrungen als Eltern vermitteln. Dies ist ein reicher Schatz.