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Busecker Synagoge: Denkmal und Begegnungsstätte

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Anger 10: Die ehemalige Synagoge in Großen-Buseck soll nach den Vorstellungen der Arbeitsgruppe zur Gedenk- und Begegnungsstätte ausgebaut werden.
Anger 10: Die ehemalige Synagoge in Großen-Buseck soll nach den Vorstellungen der Arbeitsgruppe zur Gedenk- und Begegnungsstätte ausgebaut werden. © Red

Buseck (rüg). Das Haus Anger 10 in Großen-Buseck hat eine wechselvolle Geschichte hinter sich, die vor allem mit seiner Funktion als früherer jüdischer Synagoge in Verbindung steht. Die Arbeitsgruppe Anger 10 möchte das Gebäude als Gedenk- und Begegnungsstätte erhalten und ausbauen.

Bei einem Ortstermin im Rahmen der Sozialausschusssitzung am Montag unterstrichen die Vertreter der Initiative: Das Haus sollte von der Gemeinde nicht verkauft werden. Ilse Reinholz-Hein erinnerte an die historischen Entwicklungen, die mit dem Anger 10 zusammenhängen (die Gießener Allgemeine Zeitung berichtete darüber ausführlich in ihrer Ausgabe vom 11. Januar 2014). Die erste nachweisbare Großen-Busecker Synagoge stand im Hof des Anwesens Kaiserstraße 13, der sogenannten Judengasse. Das Gebäude war 1988 für den Bau der jetzigen Volksbank abgerissen worden.

Im Jahr 1846 erfolgte der Umzug der Synagoge in das Haus Anger 10, das zwei Jahre zuvor erworben worden war. Hier fand auch der Schulunterricht für die jüdischen Kinder statt. Dieser wurde erst nach dem Ersten »Weltkrieg eingestellt, da in der Weimarer Republik die staatliche Grundschule allgemein verpflichtend wurde.

Nach dem Krieg Wohnhaus

Was in der Reichspogromnacht mit dem Gebäude geschah, schilderte ein Augenzeuge so: »Als Angehöriger der örtlichen Feuerwehr wurde ich am Abend des 9. November 1938 alarmiert und sollte auf den Anger kommen. Auf dem Anger angekommen, sah ich, dass Vorbereitungen getroffen wurden, die Synagoge und Schule der Juden in Brand zu stecken. Wir sollten als Feuerwehr das Übergreifen der Flammen auf die Nachbarhäuser verhindern. Es gelang uns, die örtlichen Nazi-Führer von ihrem Vorhaben abzubringen. Daraufhin drangen die Nazis in die Synagoge ein, schleppten das brennbare Material wie Bücher und Möbel heraus und trugen es auf einen Reisighaufen, der auf dem Anger aufgeschichtet war. Das Gebäude wurde innen verwüstet und demoliert. Der Reisighaufen wurde angesteckt, und die Bücher und weitere Dinge verbrannten.«

Die jüdische Gemeinde sah sich gezwungen, das Anwesen 1939 an die Gemeinde Großen-Buseck zu verkaufen. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die ehemalige Synagoge an Vertriebene und Bedürftige vermietet, zeit- und teilweise auch an die Spar-und Leihkasse (spätere Volksbank).

1948 waren dort 30 Vertriebene untergebracht, die mittlerweile verstorbene letzte Bewohnerin war im vergangenen Herbst ausgezogen.

Eckhardt Bayer bezeichnete das Gebäude als kulturhistorisches und religiöses Denkmal, das als solches auch genutzt werden sollte. Dabei wäre auch die Gesamtgeschichte der Gemeinde Buseck einzubinden. Auch die Jugend sollte sich hier wiederfinden. Es gebe Überlegungen, hier einen »außerschulischen Lernort« einzurichten. Daher habe man auch eine Vereinbarung mit der Gesamtschule getroffen und fasse auch eine Kooperation mit der Goetheschule ins Auge.

»Das Haus sollte sowohl ein Ort der Erinnerung als auch des Lernens für die Zukunft werden. Es sollte Raum bieten für Gespräche, Forschungen, Ausstellungen, Lesungen, kleine Konzerte usw. Das Zusammenleben der christlichen und jüdischen Busecker sollte neben der Zuwanderung und Auswanderung im Busecker Tal eine besondere Rolle spielen. Wichtig wird dabei sein, aufzuzeigen, wie es sowohl zu Exzessen des Hasses kommen kann, als auch wie tolerantes Zusammenleben möglich ist«, so die Vorstellungen der Arbeitsgruppe. Eine Restaurierung des maroden Busecker Schlosses zum heutigen Kleinod sei vor über 30 Jahren gelungen. »Wir hoffen, dass auch dieses Haus ein Gewinn für die Gemeinde sein kann«, so Bayer.

Ilse Reinholz-Hein sagte, es sei vorrangig, dass die Gemeinde das Haus nicht verkaufe. Auch sei eine Bestandssicherung insbesondere des Daches und der Eingangsbalken notwendig. Eine Sanierung könne nur etappenweise erfolgen. Und: »Ohne die Gemeinde geht es nicht.«

Martha Kuhl-Greif erklärte, wenn die Gemeinde beschließe, das Haus in ihrem Besitz zu halten, würde sich die Arbeitsgruppe sofort als Verein gründen und sich dann um Fördergelder kümmern, auch wenn derzeit noch kein komplettes Konzept vorliege. Mögliche Geldgeber seien die Hessische Sparkassenstiftung, die Sparkasse Gießen, die Volksbank Mittelhessen und die Denkmalstiftung. Auch gebe es Fördermöglichkeiten für ehemals jüdische Einrichtungen von EU, Bund und Land.

»Arbeitsgruppe eine Chance geben«

Kooperationen für handwerkliche Arbeiten könne man sich mit der Technischen Hochschule Mittelhessen vorstellen, ebenso mit der Willy-Brandt-Schule, der Theodor-Litt-Schule und der Gesamtschule Busecker Tal. Inhaltliche Arbeit sei mit der IGS, der Uni Gießen, dem Fritz-Bauer-Institut Frankfurt und der Chambré-Stiftung Lich denkbar. Mit der Denkmalbehörde Gießen stehe die Arbeitsgruppe in engem Kontakt. Diese habe ihre Unterstützung zugesagt. Außerdem wäre eine Zusammenarbeit mit dem Heimatkundlichen Arbeitskreis Buseck wichtig.

Erster Beigeordneter Wolfgang Schäfer (SPD) meinte, wenn die Gemeinde beschließe, das Gebäude nicht zu verkaufen, »kostet das ja erst einmal kein Geld«. Die möglichen Fördermittel alleine würden aber sicher nicht für eine Restaurierung reichen.Dennoch: Es sei wichtig, diesen Teil der Busecker Geschichte im Gedächtnis zu halten«, sagte Schäfer und sprach der Arbeitsgruppe ein großes Lob für ihr Engagement aus.

Sozialauschussvorsitzender Christopher Saal schloss sich dem an. Man müsse der Gruppe und ihrer Arbeit eine Chance geben.

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