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Betrug „war unglaublich einfach“ – Gericht fällt Urteil über Gemeinde-Mitarbeiter

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Von: Jonas Wissner

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Der mehrfache Betrug durch einen Ex-Mitarbeiter der Gemeindeverwaltung in Buseck ist nun auch juristisch aufgearbeitet.
Der mehrfache Betrug durch einen Ex-Mitarbeiter der Gemeindeverwaltung in Buseck ist nun auch juristisch aufgearbeitet. © kme/red

In Buseck (Kreis Gießen) betrügt ein Mitarbeiter die Gemeinde um 46.000 Euro. Im Prozess fällt das Gericht jetzt ein Urteil.

Kreis Gießen – Über Monate hinweg haben die Betrugsfälle durch einen Ex-Verwaltungsangestellten in Buseck den kommunalpolitischen Alltag überschattet. Nun hat der Mann vor Gericht seine Sicht geschildert – und auch erklärt, wie »einfach« der Betrug war.

Nach gut zwei Stunden fällt das Urteil im Amtsgericht, auf die Zeugen wird verzichtet. Für die Justiz ist es wohl eher unspektakuläre Routine. Der Fall ist klar, der Angeklagte geständig.

Buseck (Kreis Gießen): Nach Mitarbeiter-Betrug tritt Hälfte des Gemeindevorstands zurück

Doch im Zuschauerraum drängen sich gespannt Vertreter aus der Busecker Kommunalpolitik und Verwaltung, der Platz reicht nicht. Ein Hinweis, dass dieses Verfahren vor dem Schöffengericht eine besondere Vorgeschichte hat: Im politischen Streit um den Umgang mit dem Betrug durch einen Ex-Verwaltungsmitarbeiter war die Hälfte des Gemeindevorstands zurückgetreten. Zwei Akteneinsichtsausschüsse haben sich mit dem Thema beschäftigt.

Es dauerte nach dem politischen Beben, bis die Kommunalpolitik wieder etwas zur Ruhe kam. Doch blieb eine Frage: Was hat den einst geschätzten Kollegen dazu gebracht, gut 46.000 Euro – die in der Anklage aufgeführte Betrugssumme – in die eigene Tasche zu wirtschaften?

Buseck (Kreis Gießen): Gesamtfreiheitsstrafe im Betrugs-Prozess zur Bewährung ausgesetzt

Das Gericht hat den jungen Mann am Dienstag (3. Mai) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sieben Monaten auf Bewährung verurteilt, außerdem muss er 100 Sozialstunden leisten. Der Angeklagte räumte die Anklagevorwürfe ein: gewerbsmäßiger Betrug in zwölf Fällen, begangen zwischen 2018 und 2020, viermal in Tateinheit mit Urkundenfälschung. Laut Anklage handelte er jeweils in der Absicht, »sich eine fortlaufende Einnahmequelle zu verschaffen«.

In einigen Fällen hat der Mann die Gemeinde geschädigt, indem er Rechnungen fingierte und seine eigene IBAN für das Empfängerkonto eintrug. In der Mehrzahl reichte er Schäden von Fahrzeugen der Gemeinde bei einer Versicherung ein und ließ sich die Beträge erstatten.

Betrug in Buseck (Kreis Gießen): „Hat natürlich großen Schaden verursacht“

Das vielleicht Auffälligste am Angeklagten ist seine Unauffälligkeit. Er wirke nach außen »glatt und abgeklärt«, sei niemand, dem »alle Herzen zufliegen«, so sein Verteidiger Carsten Marx.

»Es hat natürlich großen Schaden verursacht, auch politisch«, bekannte der Angeklagte vor Gericht. Als ein erster Fall entdeckt wurde, sei er sich über die gesamte Betrugssumme selbst nicht im Klaren gewesen: »Ich habe den Überblick verloren und wusste nicht mehr, wie viel es ist.«

Angeklagter aus Buseck (Kreis Gießen): Betrug war „ein Teufelskreis“

»Wie einfach war es denn?«, wollte Richterin Sonja Robe wissen. Besonders simpel sei der Betrug in den Fällen mit der Versicherung gewesen, so der Angeklagte. Er habe »einfach Beträge ausgetauscht« – und mit wenigen Minuten Aufwand so viel Geld ergattert, wie er sonst in einem Monat verdiene. »Sobald das Geld weg war, habe ich gedacht: Um Gottes Willen, das machst du nie wieder!« Das sei »ein Teufelskreis« gewesen.

Aus seiner Heimat Buseck wegzuziehen »wäre wohl das Beste«, doch das könne er sich aktuell nicht leisten. Er habe niemandem persönlich schaden wollen – schon gar nicht dem damaligen Bürgermeister Dirk Haas. Ob der Betrugskomplex ausschlaggebend für dessen Wahlniederlage im September war? »Ich denke ja.«

Dass es so weit komme, sei nie seine Absicht gewesen, es tue ihm »sehr leid«. In der Verwaltung war seinerzeit eine fristlose Kündigung diskutiert worden, letztlich akzeptierte der Ex-Mitarbeiter einen Aufhebungsvertrag. Mittlerweile hat er einen neuen Job und verdient nebenher etwas mit »Beratertätigkeiten«.

Betrug in Buseck (Kreis Gießen): Angeklagter Gemeinde-Mitarbeiter entschuldigt sich

Dass er einmal auf einer Anklagebank sitzen würde, habe er sich nicht vorstellen können. »Man war immer auf der guten Seite, plötzlich ist man auf der bösen Seite.« Er habe damals über seine Verhältnisse gelebt, »das war dumm«. Das Verhältnis zu seinen Kollegen in Buseck sei einst gut gewesen. »Die sind natürlich – wahrscheinlich bis heute – zu Recht sauer.«

Er könne verstehen, dass es auch »Hass« gebe. Doch auch für ihn sei es eine schwere Zeit gewesen. »Ich habe sehr viel verloren«, unter anderem gute Freunde, so der Angeklagte, nun mit brüchiger Stimme. In seinem letzten Wort entschuldigte er sich »bei allen Betroffenen, die unter meinen Taten gelitten haben«.

Buseck (Kreis Gießen): Gemeinde-Mitarbeiter empfand Betrug als „unglaublich einfach“

Verteidiger Marx verwies darauf, dass sein Mandant bei der Begehung der Taten noch keine einschlägigen Vorstrafen gehabt habe – ein Strafbefehl über 5400 Euro wegen eines Betrugsfalls stammt aus dem Oktober 2020. Marx: »Die Situation, warum er das gemacht hat, ist relativ schnell erklärt: Weil er es konnte.«

Es habe seinerzeit kein Vier-Augen-Prinzip in der Busecker Verwaltung geherrscht und an Kontrolle gemangelt, »das war unglaublich einfach«. Der Angeklagte habe sich »bei der ganzen Sache überhaupt nicht wohlgefühlt«, sei »ein bisschen wie in einem Rausch« gewesen. Sein Mandant habe nicht aufhören können, sich zwischenzeitlich aber Hilfe geholt, um »eine Art Kaufsucht« in den Griff zu kriegen. Auch die Berichterstattung in der Presse habe ihm hart zugesetzt. »Er fühlte sich verfolgt, ist noch nicht mal mehr einkaufen gegangen«, so Marx.

Buseck (Kreis Gießen): Presseberichte zu Betrugs-Prozess „auf Boulevard-Niveau“

Das Verfahren sei »äußerlich größer geworden, als es eigentlich ist«, sagte der Verteidiger in seinem Plädoyer. Presseberichte »auf Boulevard-Niveau« hätten »zu einer Art Vorverurteilung« geführt – wobei der Angeklagte bereits ein notarielles Schuldanerkenntnis und eine Rückzahlungsvereinbarung mit der Gemeinde unterschrieben hatte. Vereinbart sind monatliche Raten von 400 Euro, inzwischen zahle er mehr. Für den Mann spreche auch, dass er geständig sei und seinen Lebensstil nun umgestellt habe, so Marx. »Er hat von seiner Begeisterung für Vier-Sterne-Hotels mit Außenpools Abstand genommen.«

Das Motiv des Angeklagten sei gewesen, »dass er mehr vom Leben wollte, als seine eigenen finanziellen Möglichkeiten hergegeben haben«, so Staatsanwältin Ella Schmidt. Er habe Vertrauen »missbraucht und verloren«. Und auch wenn der Betrug »einfach« war, sei es doch immer noch seine Entscheidung gewesen. Sie forderte zwei Jahre auf Bewährung, Marx maximal ein Jahr und fünf Monate.

Buseck (Kreis Gießen): Richterin verwundert, dass Betrug nie auffiel

»Es fällt leicht, heute empört zu sein«, bezog sich Robe in der Urteilsbegründung auf das Publikum, wo »öfter mit dem Kopf geschüttelt« werde. Zu lachen und zu »feixen«, sei »völlig daneben«, hatte sie schon zuvor gemahnt. Busecker hatten offenbar Anstoß an der Behauptung des Verteidigers genommen, sein Mandant habe »von Anfang an mit offenen Karten gespielt«.

Robe wunderte sich auch, dass sich in einem Fall die Rechnungssumme im Zuge des Betrugs vervielfacht habe. »Dass so Sachen nicht auffallen, ist schon kurios.« (Jonas Wissner)

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