Bürger interessiert an Infos

Buseck (rrs) »Wir stehen ganz am Anfang«, dieser Satz war am Freitagabend während der Bürgerinformationsveranstaltung »Windenergie im Fernewald« in der bis auf den letzten Platz besetzten Rahberghalle in Oppenrod öfter zu hören. Buseck, Fernwald, Gießen - alle drei Kommunen haben eigene Flächen in dem 153 Hektar großen, im Teilregionalplan Energie Mittelhessen ausgewiesenen Windvorranggebiet 4114a zwischen Oppenrod, Steinbach und Annerod.
Zusammen wollen die Kommunen hier einen Windpark errichten.
Mitte März werden sich die Kommunalpolitiker entscheiden müssen, ob das Projekt in Angriff genommen wird oder nicht. Klar ist schon jetzt, dass sich zumindest ein Windrad, sofern es genehmigt wird, nicht verhindern lässt. Ein Teil des Fernewalds, die Busecker Lück, befindet sich in privater Hand und der Eigentümer hat bereits einen Vertrag mit einem Projektierer abgeschlossen.
Eine Sonderstellung unter den Partnern nimmt Gießen ein, da die Stadt zwar Flächen im Fernewald besitzt, doch ihre Bürger von den Anlagen nichts direkt mitbekommen werden.
Die Bürgermeister Manuel Rosenke (parteilos, Fernwald), Michael Ranft (CDU, Buseck) und Alexander Wright (Grüne, Gießen) stuften das Projekt als zukunftsweisend ein. »Wir wollen mit diesem gemeinsamen Windpark zur Energiewende und zum Klimaschutz beitragen. Gleichzeitig ist es uns aber auch wichtig, dass die Menschen vor Ort unmittelbar von den installierten Windrädern profitieren«, klopfte Ranft die Ziele fest. Rosenke stellte die Bildung einer Vergabegruppe in Aussicht, die einen Kriterien- und Bedingungskatalog erarbeiten soll. Der große Pluspunkt des Projekts: »Der Großteil der Flächen ist in kommunalem Besitz.« Damit hätten sie die volle Steuerungshoheit, können die Bedingungen für die Umsetzung vorgeben.
Christopher Lüning von der Hessischen Landes-Energie-Agentur LEA führte aus, welche Möglichkeiten den Bürgern offen stehen, angefangen beim klassischen Sparbrief über ein Pachtmodell, ein direkt ausgezahltes Windbürgergeld bis hin zur Gründung einer Genossenschaft oder der autarken Selbstverwaltung durch die drei Kommunen.
Die Grundlagen der Windparkplanung beleuchtete Rolf Pfeiffer von der Beratungsfirma »Endura kommunal«. »Klimawandel und Rohstoffabhängigkeiten erzwingen den Verzicht auf fossile Energieträger wie Kohle, Gas und Öl.« Bis 2045 soll Deutschland klimaneutral sein. Dafür müsse man auf Sonnen- sowie Windenergie setzen.
Um die gewünschte Klimaneutralität zu erreichen, müssten bis 2035 mindestens 240 Prozent mehr erneuerbare Energien erzeugt werden. Allerdings brauche es nach wie vor Kraftwerke, die Stromspitzen, Windflauten oder sonnenarme Zeiten auffangen können. Hinsichtlich der Kosten seien Sonne und Wind alternativlos billig.
Zudem seien gerade die Erneuerbaren eine Chance zur vermehrten Wertschöpfung in ländlichen Gebieten mit ihren Freiflächen und Wäldern. »Es wird dauern, bis sich die Windrädern drehen. Vor 2027/28 wird im Fernewald kein Strom erzeugt, vorausgesetzt das Projekt wird überhaupt genehmigt«, sagte Pfeiffer. Bislang vergehen sechs bis neun Jahre von den ersten Planungen bis zur Inbetriebnahme, laut Bundesregierung soll sich das auf drei bis vier Jahre verkürzen.
Die Räder seien sehr hoch, um Turbulenzen am Boden zu vermeiden. Die Rotorblätter müssten aus Effizienzgründen möglichst lang sein. Liegt die Nabenhöhe heute bei 165 Metern mit einem Rotordurchmesser von 160 Metern, sind in fünf Jahren Werte zwischen 170 und 180 Metern angepeilt. Wegen Luftverwirbelungen und Windschatten müssen die Räder 700 bis 800 Meter auseinanderstehen. Damit werden 4700 Quadratmeter dauerhaft und weitere 3500 zum Beispiel für einen Baukran zur Reparatur zeitweise benötigt.
Die CO2-Bilanz sei beeindruckend, würde der Wald sechs Tonnen jährlich speichern, spare ein Windrad 5500 bis 7000 Tonnen ein, ökologisch hätte es sich in acht bis elf Monaten amortisiert. Im Fernewald hätten sechs Vestas V-172 Windräder mit 261 Gesamthöhe, 175 Metern Rotorduchmesser und 7,2 Megawatt Nennleistung Platz.
Die sich anschließende Diskussion verlief sachlich, außer den Anfeindungen eines Protestlers. Auf Nachfrage war zu erfahren, dass der von den Rädern produzierte Strom in einem Knoten gesammelt und dann über eine unterirdische Leitung wahrscheinlich im Umspannwerk in Rödgen ins Netz eingespeist wird.
Viele Besucher hatten Fragen zur Bürgerbeteiligung. Rosenke beruhigte: »Das Thema Windpark wird am 15. März im Bauausschuss beraten und die Vergabegruppe auf den Weg gebracht.« Gleichzeitig bezweifelte er, dass mit den Windrädern finanziell ein großer Reibach zu machen ist, Kredite müssten abbezahlt, schlechte Jahre oder Reparaturen aufgefangen werden. Bürgermeister Ranft schloss mit den Worten, »wir stehen ganz am Anfang, jetzt sind die gewählten Kommunalpolitiker gefragt, Entscheidungen zu treffen«. FOTO: RRS