Kreis Gießen: Bosch äußert sich nach Protesten

Bosch äußert sich nach Protesten im Kreis Gießen. Bereits seit 2021 soll die Gießerei in Lollar verkauft werden. Die Belegschaft ist „vorsichtig optimistisch“.
Lollar - Nach den Protesten von Beschäftigten am Montag (20. Juni) in Lollar äußert sich nun auch Bosch zu den von Arbeitnehmerseite befürchteten Einschnitten im Kontext des geplanten Verkaufs der Gießerei-Sparte. Laut Betriebsrat sind noch zwei Interessenten aus Deutschland im Rennen.
Sie stemmen sich nicht grundsätzlich gegen einen Verkauf der Gießerei-Sparte, doch die von Bosch angedachten Einsparungen im Zuge des geplanten Eigentümerwechsels wollen sie so nicht mittragen: Rund 120 Beschäftigte der Robert Bosch Lollar Guss GmbH haben am Montag, wie berichtet, vor dem Lollarer Werkstor gegen befürchtete deutliche Gehaltseinbußen protestiert. Auf Arbeitnehmerseite bangt man, Bosch wolle zulasten der Beschäftigten hohe Summen einsparen, um für einen möglichen Investor attraktiver zu erscheinen. Gleichzeitig liefen am Montag Verhandlungen zwischen dem Bosch-Konzern und dem Betriebsrat.
Kreis Gießen: Bosch möchte Geschäftsbereich verkaufen
Im Nachgang des Protests hat Bosch nun seine Sicht dargelegt: Man suche, wie im Sommer 2021 angekündigt, einen neuen Eigentümer für den Geschäftsbereich „Brake Components“. Diese Sparte ist neben Lollar auch in Breidenbach und dem zugehörigen Standort Ludwigshütte vertreten, in Lollar sind rund 260 Menschen in der Gießerei beschäftigt.
„Momentan diskutieren wir mit Kaufinteressenten Konzepte, die auch hohe Investitionen in die Standorte beinhalten, um unseren Produktbereich zukunftsfähig aufzustellen“, heißt es aus der Bosch-Pressestelle. „Zusätzlich müssen wir aber aufgrund der schwierigen externen Rahmenbedingungen Wege finden, um unsere Kosten zu senken“, wird Christoff Wachendorff, Leiter des Produktbereiches „Brake Components“, darin zitiert. „Mit welchen Maßnahmen das geschehen kann“, dazu sei man nun „in engen Gesprächen mit den Arbeitnehmervertretern“. Wachendorff äußert sich »zuversichtlich, dass es uns gelingt, angemessene und tragfähige Lösungen zu finden«.
Bosch im Kreis Gießen: Angespannte Situation auf dem Weltmarkt einer der Gründe
Als Gründe für die geplanten Einschnitte nennt das Unternehmen unter anderem Probleme, die mit der angespannten Situation auf dem Weltmarkt zusammenhängen: „Die Kosteneinsparungen sind notwendig, da gleich mehrere externe Faktoren den Produktbereich aktuell unter Druck setzen“, so Bosch. Einerseits leide das Geschäft „unter einer schwachen, aber gleichzeitig stark schwankenden Auslastung, zudem sind unsere Materialzulieferungen von Unsicherheiten geprägt, sodass eine valide Vorausplanung immer schwieriger wird“. Ferner seien Preise für Material und Energie erheblich gestiegen.
Nach der Gesprächsrunde am Montag sei noch in dieser Woche die nächste Sitzung zwischen Arbeitnehmervertretern und Standortleitung geplant, heißt es weiter.
Video: Das ist die Geschichte von Bosch
Worauf sich die Befürchtungen des Betriebsrats beziehen, erläutert der Betriebsratsvorsitzende der Robert Bosch Lollar Guss GmbH, Klaus Fischer, auf GAZ-Anfrage: „30 Millionen Euro wurden kommuniziert, um eine Ziellücke zu schließen. Wir sind dabei, das zu bewerten, sehen aber keine so hohe Summe“, sagt Fischer mit Blick auf die von Bosch angepeilten Einsparungen.
Dabei, so Fischer, gehe es um Einbußen unter anderem bei Weihnachtsgeld und Urlaubsgeld sowie zusätzlichen Zahlungen laut Tarifvertrag. Er erwähnt das „Tarifliche Zusatzgeld A“, wonach den Beschäftigten acht zusätzliche Urlaubstage pro Jahr oder eine entsprechend erhöhte Lohnzahlung zustehen, sowie einen Zusatzbetrag, der laut IG Metall zwischen 350 und 400 Euro liegt. Beides hatte die Gewerkschaft mit dem Tarifabschluss 2018 für Beschäftigte in der Metall- und Elektroindustrie durchgesetzt.
Kreis Gießen: Möglichkeiten für die Gießerei in Lollar absehbar
„Dass diese Einschnitte geplant sind, wurde der Belegschaft vor zwei bis drei Wochen mitgeteilt“, so Fischer, der auch an den Verhandlungen am Montag teilgenommen hat. „Wir lehnen die Einschnitte in dieser Form ab, sehen in den Konzepten der Bieter aber durchaus Möglichkeiten für die Zukunft - sowohl für die Gießerei in Lollar als auch für jene in Breidenbach samt dem Standort Ludwigshütte.“ Doch letztlich komme es auf die Konditionen an.
Für Lollar wurde laut Fischer 2015 im Zuge der Abspaltung der Gießerei von Bosch Thermotechnik ein Tarifvertrag geschlossen, der auch eine Beschäftigungssicherung bis Ende 2023 beinhaltet.
Bosch im Kreis Gießen: Optimismus bei der Belegschaft
„Die Lollarer Belegschaft ist mit Blick auf die Verhandlungen vorsichtig optimistisch“, so der Betriebsratsvorsitzende. Bosch habe mitgeteilt, dass der Verkauf bereits bis Ende Juni abgewickelt werden solle. „Noch sind zwei Bieter im Rennen“, sagt Fischer. Beide kämen aus Deutschland, mehr könne er aber nicht preisgeben.
Bereits nach Bekanntwerden der Verkaufspläne hatten Arbeitnehmervertreter und Gewerkschaft gefordert, am Eigentümerwechsel maßgeblich beteiligt zu werden. Auch müsse ein Neueigentümer in Klimaneutralität investieren. Man sei in den Verhandlungen auf verschiedene Szenarien vorbereitet. „Von einem Käufer fordern wir eine Standortsicherung für Lollar bis 2031“, benennt Fischer nun eine weitere Forderung. „Das hat einen historischen Hintergrund: Buderus gibt es seit 1731. 300 Jahre Buderus sind unser Ziel“ - auch wenn das Werk längst nicht mehr offiziell unter diesem Namen produziert.
Vertrauliche Gespräche: Bosch äußert sich nach Protest im Kreis Gießen
Bosch hat in einem Statement am Dienstagnachmittag auf ergänzende Fragen reagiert: Die aktuellen Gespräche über einen Verkauf der Sparte seien vertraulich, man werde keine Namen nennen. Fest stehe: „Brake Components braucht einen Partner mit passendem unternehmerischen Konzept, sodass sich das Geschäft nachhaltig profitabel weiterentwickeln kann.“ Ziel sei weiter, „möglichst zeitnah zu einem Abschluss zu kommen“ - auch, um den Beschäftigten Gewissheit zu geben. Über die wirtschaftliche Entwicklung habe man die Belegschaft in Betriebsversammlungen stets informiert und auch über „die klare Notwendigkeit von Kosteneinsparungen“ die Arbeitnehmervertreter in Kenntnis gesetzt.
Weiter heißt es in dem Statement: „Bosch hält sich an den Tarifvertrag und wird es weiterhin tun.“ Dem Unternehmen gehe es darum, „den den Tarifpartnern zur Verfügung gestellten Spielraum zu nutzen, um die negativen Auswirkungen der derzeitigen Krise aufzufangen“. Wie das Ergebnis ausfällt, wird sich zeigen. (Jonas Wissner)