Blick nach vorn mit Optimismus

Am 1. April 1972 war - auch dank einer »Anleihe« im Vogelsberg - die kreisweit größte Flächengemeinde komplett: Im Zuge der Gebietsreform war das neue Gebilde unterm alten Namen Laubach entstanden, hatten sich neun ehedem selbstständige Kommunen zusammengetan. Mehr oder weniger freiwillig. An die Anfänge und Zukunftschancen der Stadt wurde bei einer Feierstunde im Rathaus erinnert.
Schon im Wissen um das Alter Laubachs - die Ersterwähnung liegt 1236 Jahre zurück - habe man sich entschlossen, »50 Jahre Großgemeinde« nicht groß zu feiern, erklärte Bürgermeister Matthias Meyer eingangs seiner Rede vor den Gästen im Rathaussaal. Zu würdigen gelte es den »Geburtstag« aber sehr wohl.
Der Rathauschef ließ die »emotionalen Diskussionen« vor der Fusion nicht außen vor. Nachdem 1970 zunächst sieben Orte, das Jahr darauf dann Altenhain (Kreis Alsfeld) beigetreten waren, bildete Freienseen 1972 das Schlusslicht. Bekanntlich hatte es im »Freien Reichsdorf« Widerstände und unschöne Protestaktionen wie den Bau eines Galgens gegeben. Inzwischen eine verblassende Reminiszenz.
»In letzter Minute«, so Meyer, sei das Seentaldorf dazugekommen, danach hätte es keine Landesförderung mehr gegeben. Doch habe die neue Struktur gehalten, seien fast alle froh darüber. »Die Teile bilden jetzt ein Ganzes.«
Laubachs Bürgermeister schätzt den Stellenwert der damals »erfundenen« Ortsbeiräte sehr hoch ein: »Sie sind nah am Bürger, dicht an Problemen, sie stehen aber auch für Zukunftsvisionen.«
Die Gebietsreform sei richtig gewesen, moderne Verwaltungsstrukturen wären von Dörfern mit nur einigen hundert Einwohnern nicht leistbar gewesen. Freilich: Die Bürgerhäuser, damals vom Land als »Bonbons« großzügig bezuschusst, belasteten heute die Kassen der Kommunen.
Chancen der
Digitalisierung
»Die Digitalisierung bietet uns große Chancen«, wandte er nun den Blick nach vorn. Schnelles Internet, intakte Natur, durchgängiges Schulangebot, gute Kitaversorgung, reges Kulturleben - für den Ex-Frankfurter eine »Kombi«, die Laubach für Neubürger attraktiv macht. Die positive Entwicklung der Bevölkerungszahlen sei der Beleg. Fazit Meyer: »Beste Voraussetzungen für Optimismus, auch dank engagierter Bürger.«
Gute Perspektiven für Laubach sieht auch Mathias Trümner, Referatsleiter »Dorf- und Regionalentwicklung« im Umweltministerium. Wie er in seinem Vortrag ausführte, besitze die Residenz- und Fachwerkstadt Potenzial. Das sei ausgebaut worden, da Fördergelder aus der Dorfentwicklung (IKEK) reichlich genutzt wurden: 900 000 Euro für kommunale, 1,2 Millionen für private Sanierungen.
Hatte Meyer die Teilnahme am Folgeprojekt ab 2024 zur Disposition gestellt, riet Trümmer ausdrücklich dazu. Dass es sehr wohl Ausnahmegenehmigungen für Baugebiete gebe, stellte er klar. Chancen zum Ausbau von Versorgungsstrukturen, wie des Fremdenverkehrs, ergäben sich auch aus einem Zugriff auf das EU-Programm LEADER. Zumal das Budget 2023 von 2,5 auf 5,2 Millionen Euro steige.
Kommunalpolitik
als Nervensache
Der Grünen-Politiker machte am Ende noch auf ein Programm zum Erhalt touristischer Infrastruktur (etwa Beherbergungsbetriebe) aufmerksam: Die Rettung von Betrieben bezuschusse das Land etwa mit bis zu 200 000 Euro.
Grußworte sprachen die Landtagsabgeordneten Eva Goldbach (Grüne) und Michael Ruhl (CDU). Beide sehen Hessen beim Staatsziel gleichwertiger Lebensverhältnisse auf einem guten Weg. Mit Blick aufs Jubiläum mochte Letzterer keiner neuen Gebietsreform das Wort reden, doch riet er zum Ausbau interkommunaler Zusammenarbeit.
Eingebunden in die Feier war der pandemiebedingt verschobene parlamentarische Abend. Ehrenamtlichen Politikern gebühre Dank, forderte Stadtverordnetenvorsteher Joachim M. Kühn. »Zumal das Amt zur Nervensache werden kann.« Doch könnten sie auch Genugtuung daraus ziehen, etwas für ihre Heimatgemeinde erreicht zu haben. Was auch in der letzten Legislatur der Fall gewesen sei, wofür er die Beschlüsse zur Freibadsanierung, zum Gerätehaus oder jüngst zum Marktplatzumbau anführte. Geehrt wurden sodann die ausgeschiedenen Mandatsträger Karl Georg Graf zu Solms-Laubach, Andreas Schöneborn, Manfred Luckert sowie Hermann Görges.