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Bleibt die Sauna im Winter kalt?

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Von: Rüdiger Soßdorf

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Saunieren ist ein Vergnügen - künftig ein teureres. ARCHIV © Red

Wie die Betreiber von Sauna- und Wellnessanlagen mit der Energiekrise umgehen. Kunden müssen sich jedenfalls auf steigende Preise einstellen.

Gießen – Energie sparen ist das Gebot der Stunde. Was aber machen die, die mit wohligen Temperaturen ihr Geld verdienen? Zwei Beispiele zeigen, wie die Betreiber von Sauna- und Wellnessanlagen mit der Situation umgehen. Kunden müssen sich jedenfalls auf steigende Preise einstellen.

Schon im April hatte Klaus Müller, der Chef der Bundesnetzagentur, auf mögliche Einschränkungen bei Wellness-Einrichtungen hingewiesen. Er erwarte für den kommenden Winter kalte Saunen, hatte er gesagt. Dieser Tage nun hat er seine warnende Einschätzung wiederholt: »Ich kann mir nicht vorstellen, dass der Gasverbrauch im Freizeitbereich während des Winters angesichts der extrem hohen Energiepreise einfach weitergeht.«

Einige Kommunen im Gießener Land haben bereits die Reißleine gezogen, aber wie sieht das bei denen aus, die von einem Sauna- und Wellnessbetrieb leben? Zwei Beispiele aus Krofdorf-Gleiberg zeigen die Auswirkungen der derzeitigen Gemengelage. Da ist zum einen Heiner Stein. Seit 1978 betreibt er das »Saunaparadies«. »Ich bin unaufgeregt«, sagt der Unternehmer.

Sauna und Wellness in der Energiekrise: Technik auf dem neuesten Stand

In den vergangenen mehr als 40 Jahren hat er den Sauna- und Wellnessbetrieb auf- und ausgebaut und stets auf modernste Technik gesetzt. Energetisch ist der Betrieb auf dem neuesten Stand. Vor fünf Jahren wurden für eine halbe Million Invest alle Dächer neu gedeckt und gedämmt. Die Pumpen und Anlagen sind bereits optimiert. Im März wurde zur Energieversorgung ein neues Blockheizkraftwerk bestellt, das modernsten Erfordernissen entspricht. Im November wird es eingebaut. »Wir haben immer viel Geld in die Hand genommen«, sagt der 75-Jährige. Nicht zuletzt wird im Herbst noch eine Fotovoltaikanlage installiert. »Ich denke grün, obwohl ich klein Grüner bin«, sagt er und lächelt.

Doch auch das BHKW wird mit Gas befeuert. Und das kostet mittlerweile deutlich mehr. Stein hat mit seinem regionalen Energieversorger seit mehr als 40 Jahren einen Vertrag über die Lieferung von Strom und Gas - und der läuft bis Jahresende. So lange gelten die vereinbarten Konditionen weiter. Und so lange will er auch nichts an Preissteigerungen an seine Gäste weitergeben. Und dann?

»Das sehen wir dann«, sagt Stein. Die Energieversorger, die er um Angebote für die Versorgung ab 2023 angefragt hat, die könnten und wollten ihm, so sagt er, derzeit keine neuen langfristigen Verträge anbieten. Womöglich könne es sogar darauf hinauslaufen, dass er Strom und Gas von Monat zu Monat zu den jeweils aktuellen Konditionen ordern muss. Doch er erwartet Energiekostensteigerungen in einer Größenordnung von bis zu 250 000 Euro im Jahr, die er nicht einfach auffangen kann.

Energiekrise im Sauna- und Wellness-Bereich: Preiserhöhung und Energiezuschlag

Eine Preiserhöhung von Januar an ist den Gästen bereits kommuniziert; plus ein Energiezuschlag on top. Die Höhe steht noch nicht fest. Die, so sagt Stein, will er im kommenden Jahr von Monat zu Monat anpassen. Kurzum: Es wird zu einem Erhöhen oder Absenken der Eintrittspreise abhängig von der Entwicklung der Energiekosten kommen.

Ansonsten wird im »Sauna-Paradies« an kleinen Stellschrauben gedreht. So ist die Wassertemperatur in der Schwimmhalle schon von 29 auf 26 Grad reduziert worden. Die Frauensauna »Mona Lisa« wird voraussichtlich nicht mehr an sechs, sondern nur noch an fünf oder vier Tagen in der Woche öffnen. Da wird die Öffnungszeit an die Zahlen der Gäste angepasst. Stein: »Wir wollen nicht die Öffnungszeiten der Gemischtsauna einschränken, sondern das Saunaangebot an die Zahl der aktiven Gäste anpassen.«

Doch auch Stein weiß: Mancher Gast wird das nicht mitgehen. »Damit muss ich rechnen«, sagt er. Doch Stein bleibt bei seiner Grundhaltung: »Auch wenn die Energiefrage für uns existenziell ist, Aktionismus ist unangebracht.«

Energiekrise: Fitnessstudio schließt Standort

Einer, der bereits andere Konsequenzen gezogen hat, ist Udo Opper. Der Betreiber des Fitnessstudios »Fitalis« schließt den Standort in Krofdorf. Ab Oktober wird er den Betrieb der 1983 eröffneten Einrichtung bis Anfang Dezember nach und nach zurückfahren. Als Grund nennt Opper die Energiepreise, die er nicht an seine Kunden weitergeben kann und will. 80 Euro Monatsbeitrag müsse er aufrufen, erläutert Opper in einem Schreiben an die Mitglieder, um das Fitalis weiter halten zu können. Immer vorausgesetzt, kein Mitglied würde sein Abonnement kündigen.

Opper spricht von einer »vorübergehenden Stilllegung«. Denn auch seine weiterreichenden Pläne für den Standort im Norden von Krofdorf, verbunden mit der Idee eines Fitalis-Neubaus beim Freibad, liegen derzeit auf Eis.

Lange hatte er vor dem Schritt zurückgescheut, doch die Entwicklung der Energiepreise habe gezeigt, »dass wir kein e andere Wahl haben.« Deutschland stecke in seiner wohl größten Krise seit Beginn der Bundesrepublik, »und wir stecken mittendrin«, konstatiert der Unternehmer. Gemeinsam mit einer Frau hat er das »Fitalis« in den vergangenen Jahrzehnten aufgebaut. Mittlerweile sind auch die Kinder mit im Geschäft.

Energiekrise: Zu 100 Prozent von Gas abhängig

»Da wir hier im Fitalis zu 100 Prozent vom Gas abhängig sind, wird die Gas-Energiepreisumlage zum 1. Oktober für uns den Gaspreis pro Kilowattstunde um circa 90 Prozent anheben«, beschreibt Opper die Entwicklung.

Sein Gasliefervertrag mit den Stadtwerken Gießen würde den Preis je Kilowattstunde derzeit von circa 5,4 Cent ab dem 1. Januar auf bald 30 Cent verfünffachen. »Das ist nicht tragbar«, sagt Opper. Hinzu komme die Erhöhung des Mindestlohnes auf 12 Euro pro Stunde. Addiert er alle Preissteigerungen auf, dann würde er ab Oktober ein Defizit von 30 bis 40 Prozent einfahren. Ergo: Der harte Schnitt.

Der Lichtblick für den Familienbetrieb: Die große, moderne Fitness- und Gesundheitsanlage »Aktivita« in Heuchelheim. Die Oppers hatten das dortige notleidende Hallenbad übernommen und umgebaut. Dort sind sie nicht unmittelbar vom Gas abhängig. Das über 2000 Quadratmeter große Gebäude wird mit Fernwärme versorgt, die zu einem sehr hohen Anteil von einer Biogasanlage gespeist wird. Zudem gibt es eine eigene Stromgewinnung mit Fotovoltaik sowie Solarthermie zum Beheizen des Schwimmbeckens plus eine Wärmepumpe.

Dort werden erst einmal die Kräfte des Unternehmens gebündelt. Fitalis-Kunden können dorthin wechseln und alle Bereiche inklusive Schwimmbecken und Sauna nutzen. Im Aktivita wird am 18. September zur Feier des »Zehnhjährigen« eingeladen - in der Hoffnung, dort möglichst viele Fitalis-Kunden begrüßen zu können. (Rüdiger Soßdorf)

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