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Zwischen Nostalgie und Magie

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Von: Klaus Waldschmidt

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Glückspilze in zahlreichen Varianten bietet die neue Sonderpräsentation im Rodheimer Heimatmuseum; hier Jutta Failing vor einer Vitrine mit etlichen Blickfängen. © Klaus Waldschmidt

Biebertal (ws). Glückspilze in vielen Variationen sind einer der Hingucker in der neuen Sonderausstellung »Liebe, Schutz und Segen«, die der Heimatverein Rodheim-Bieber am Sonntag im Heimatmuseum eröffnet hat. Aberglaube, vermischt mit tiefer christlicher Volksfrömmigkeit, führten einst zu einem gelebten Brauchtum mit Alltagsregeln, Ritualen und Bildern.

Vieles ist vergessen, manches in neuem Gewand wieder aktuell. Die Ausstellung bewegt sich zwischen Nostalgie und Magie. Leider konnte kein Schornsteinfeger gewonnen werden, der die Besucher mit Ruß angeschwärzt hätte…

So heißt es etwa »Tritt ein, bring Glück herein«: Zu bewundern sind denn auch das einst obligatorische Hufeisen an der Haustür, gestickte Haussegen und allerlei Abwehrzauber. Heimatvereinsvorsitzender Helmut Failing hieß die Besucher willkommen. Er dankte Dr. Jutta Failing, die die Ausstellung kuratiert und auch zahlreiche eigene Exponate beigetragen hat. Dank galt zudem allen Leihgebern und dem Helferteam.

»Wir glauben uns heute so aufgeklärt. Und dennoch, sicher ist sicher: Lieber dreimal auf Holz geklopft. Die heutigen Erscheinungsformen der Glücksbringer - Fliegenpilz, Glücksschwein und andere - sind Massenware. Genau wie früher die Schutzengel-Bilder und christliche Haussegen Massenware waren«, konstatierte Failing. Der Reiz der Magie sei leicht erklärt. Amulette, Orakel, Zaubersprüche zum Heilen von Krankheiten seien weit verbreitet gewesen in den Dörfern. »Man fühlte sich von der Wiege bis zur Bahre unzähligen Dingen ausgeliefert - dem Wetter, Krankheiten, den Umständen. Magie - auch wenn sie offiziell verpönt war - schien da wie ›Man kann es selbst in die Hand nehmen‹«, so Failing. Eine tiefe Volksfrömmigkeit habe dem nicht immer entgegen gestanden. Die Heilssegen »Hexenmeister« hätten immer auch christliche Formeln. Versammelt sind in der Sonderausstellung Beispiele, die man in den Dörfern kannte; es gibt Erfahrungsberichte und auch Erinnerungen.

Failing gab einige Hinweise: »Trauerkarten kauft man nicht auf Vorrat, das bringt Unglück«, heiße es noch heute. »Wenn jemand stirbt, macht man das Fenster auf. Immer den Sarg mit den Füßen zuerst aus dem Haus.« Jede Lebensschwelle - Geburt, Taufe, Hochzeit, Tod, Hausbau, Einzug in ein Haus - sei früher als heikel angesehen worden. Die Tür sollte das Eindringen von hexen, Druden und Dämonen in Haus und Stall verhindern, die als Verursacher von Seuchen und Krankheiten betrachtet wurden. So habe man Stalltüren mit magischen Zeichen bemalt oder mit Fellstücken, Tierklauen, Zunderschwämmen, Eisenmessern oder handgeschmiedeten Eisennägeln beschlagen.

Die Schau beleuchtet hiesige Formen des Aberglaubens in Geschichte und Gegenwart. Failing: »Magisches Denken ist überzeitlich - und man findet es in allen Kulturen. Ein bisschen Aberglaube schadet nicht und hat auch oft eine pädagogische Note. Sei vorsichtig, sei nett zu anderen, erst wägen, dann wagen. Man sollte sich aber nicht von ihm beherrschen lassen.« Die Schau lädt dazu ein, sich mit Neugierde, einer gehörigen Portion Spaß und vielleicht auch mit ein bisschen Gänsehaut, was den alten Aberglauben angeht, einem offenkundig nach wie vor aktuellen Thema zu widmen. So lohnt die Frage »Wie abergläubisch bin ich selbst?«.

Die Ausstellung ist sonntags von 15 bis 17 Uhr geöffnet. Sondertermine können unter Tel. 0 64 09/92 15 bei Helmut Failing vereinbart werden.

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