Sopranistin singt Braas-Werke ein

Biebertal (m). »Ein Einfall ist wie ein göttlicher Funke«, zitiert Erich Braas das Universalgenie Johann Wolfgang von Goethe. Er selbst hatte in seinem Leben auch viele dieser »göttlichen Funken«. Komponieren sei seine Berufung, sagt er. Lange Zeit haderte er mit sich, war enttäuscht und nicht selten auch verbittert, weil seine Werke trotzt intensiver Bemühungen nur sehr vereinzelt und spärlich öffentlich wahrgenommen und gewürdigt wurden.
Aber jetzt wurden auf den sozialen Medien einige seiner Kompositionen veröffentlicht.
»Erich Braas wird wohl das gleiche Los treffen wie viele bekannte Künstler, denen erst nach ihrem Tod die gebührende Anerkennung zukommt«, hatte Helmut Failing, Vorsitzender des Heimatvereins Rodheim, vor einigen Jahren gesagt, als der heimische Komponist im Rahmen einer Bilderausstellung im Heimatmuseum in Rodheim mit einem Portrait eine Würdigung erfuhr.
Nun kam es doch etwas anders. Der seit vielen Jahren in Fellingshausen lebende, gebürtige Oberfischbacher hat 91 Jahre alt werden müssen, bis ein weiterer Teil seines Schaffens für die Menschen hör- und erlebbar wurde. Einige seiner Werke wurden jetzt auf YouTube, Facebook und Co. veröffentlicht. Wie trug es sich zu?
Einige hundert Kompositionen
Erich Braas ist Mitglied im Frankfurter Tonkünstlerbund. So entstand die Verbindung zur Musikschule »Modus Vivendi« in Hanau. Dort zeigte man Interesse an den Noten von drei neuen Liedkompositionen: »Der Stern der Gotteshuld« (Op. 62, Nr. 3), »Sternenchoral« (Op. 63, Nr. 1) und »Tröstung« (Op. 71, Nr. 1) wurden in einem Tonstudio aufgenommen. Die Sopranistin Nike Tiecke wird von Antonela Isaiu am Klavier begleitet. Mit einer Grußkarte dankt die Sängerin dem Komponisten, dass sie seine »wunderbaren Kompositionen« einsingen durfte, wie sie schreibt.
Das Lebenswerk von Braas umfasst weitaus mehr: 120 Lieder für Sopran und Klavier, davon 40 der Lyrik und 80 der christlichen Literatur zuzuordnen. Es sind einige hundert Kompositionen entstanden. Darunter sechs Sinfonien: »Europa-Sinfonie«, »Gnade-Sinfonie«, »Melodien-Sinfonie«, die Sinfonie »Verrat am Genius« und weitere ohne Titel. Hinzu kommen der Orchester-Zyklus »Das Abendland« und Ballettmusik wie »Tanz ums Goldene Kalb«.
Gerade bei der »Europa-Sinfonie« für Chor und Orchester, an der er lange gearbeitet hat, würde sich Braas wünschen und freuen, wenn durch ein Orchester dieses Werk für Flöten, Oboen, Klarinette, Fagott, Violinen, Bratsche, Cello, Kontrabass und Pauken zur Aufführung gelänge. Die Textunterlage dafür (»Ich danke Gott und freue mich«) stammt von Matthias Claudius. Erich Braas hat die Sinfonie mit 1766 Takten komponiert aus Anlass der Einigung Europas und um auf seine Art dafür zu danken, dass durch diese Einigung der Krieg in Europa dem Frieden weichen konnte. Die Realität hat inzwischen leider die Vergangenheit auf leidvolle Weise eingeholt.
Erich Braas stammt aus einer musikalischen Bauernfamilie. Schon mit sechs Jahren spielte er eine Ziehharmonika mit vier Bässen. Der Komponist ist gelernter Schreiner. Nach seiner Gesellenzeit studiert er zwei Jahre lang am Münchner Konservatorium und wechselte dann für weitere acht Jahre in die Unterweisung durch den Komponisten Professor Josef Suder, der ihn Klavier, Komposition, Harmonielehre, Kontrapunkt und Instrumentation lehrte. Da keine privaten Stipendien vergeben wurden, verdiente er sich sein Studium und seinen Lebensunterhalt als Postangestellter.
Dem Alter geschuldet sind inzwischen das schwache Augenlicht und die stark eingeschränkte Gelenkigkeit der Finger. Dennoch sitzt er oft alleine an seinem Klavier im Wohnzimmer des kleinen denkmalgeschützten Häuschens in der Gladenbacher Straße - und freut sich jetzt über die Veröffentlichung einiger seiner Werke.