Mahnung für den Frieden

Biebertal (ws). Der Heimatverein Rodheim-Bieber und die Gemeinde Biebertal laden am Samstag, 3 September, um 17 Uhr zur Gedenkfeier auf den Friedhof in Bieber ein. Die Einweihung des dortigen Mahnmals jährt sich zum 100. Mal. Zum einen wird an die Opfer der beiden Weltkriege erinnert, zum anderen soll zum Frieden in der Welt aufgerufen werden - gerade vor dem Hintergrund des Krieges in der Ukraine.
Nach dem Ersten Weltkrieg stellte sich die Frage, wie man der Kriegsopfer gedenken kann. In Bieber war dies besonders brisant, da der Ort keinen eigenen Friedhof hatte und in seiner Gemarkung dreigeteilt war. Die Bewohner links des Bieberbachs gehörten zu Fellingshausen, rechts zu Rodheim und die zwischen Bach und Kalkäcker-Gräbchen zu Königsberg. Frank Reif beschreibt in seinem Buch »Bieber - der urkundlich älteste Ort Biebertals, der aber nie Gemeinde sein durfte«, dass die Bieberer sich schon lange um einen eigenen Friedhof bemühten. Jedoch: Sie durften nicht.
Einweihung vor 100 Jahren
Erst als sich Rodheim 1921 anschickte, vor der Kirche ein Kriegerdenkmal zu errichten, kam neue Bewegung in die Angelegenheit. Auf dem Rodheimer Mahnmal sollten auch die Namen der Kriegsopfer der Rodheimer Seite (!) von Bieber verewigt werden. Die Erinnerung der übrigen Gefallenen aus Bieber hätte den Denkmälern in Fellingshausen und Königsberg vorbehalten bleiben müssen. Gegen diese Zersplitterung bäumten sich die Bieberer heftig auf: Sie wollten im eigenen Dorf ein Denkmal errichten. Die Platzfrage spielte im eng besiedelten Arbeiterdorf eine große Rolle. Man dachte zuerst an den Garten der »Weißen Schule«. Bei einer ersten Versammlung im Gasthaus »Germania« boten vier Männer an, von Haus zu Haus zu gehen und Geld zu sammeln. Dabei kamen - bei 650 Einwohnern - über 8000 Mark zusammen. In einer weiteren Versammlung in der Gastwirtschaft »Zum Biebertal« wählte man einen Ausschuss: Hauptlehrer Friedrich Löll übernahm den Vorsitz, Lehrer Gustav Wagner wurde Schriftführer, Betriebsführer Wilhelm Süß war Rechner. Beisitzer waren Steiger Gottlieb Jung, Landwirt Christian Schmidt VIII, Metzger Gottlieb Geller, Grubenschmied Georg Hofmann, Bergmann Johannes Haus und Gastwirt Ludwig Gerlach. Wichtigste Aufgabe war es, Geld bei den ortsansässigen Firmen zu sammeln. Dabei kamen nochmals über 2000 Mark zusammen.
Der um Rat gebetene Architekt Philipp Nikolaus aus Gießen verwarf den Schulgarten als Platz für das Denkmal. So fiel die Entscheidung zur Anlage eines eigenen Friedhofs, auf dem auch das Mahnmal seinen Platz finden sollte.
Nach einem Entwurf von Karl Leicht aus Rodheim wurde aus einem Findling aus dem Steinbruch Eberstein ein drei Meter hohes und 2,5 Meter breites Mauerwerk hochgeführt, in dessen Vorderfront man eine Tafel aus Hinterländer Grünstein (Diabas) einsetzte. Die Arbeiten erledigten Heinrich Hörr, die Gebrüder Weber und der 20-jährige Bildhauer Georg Wagner (alle Fellingshausen). Das Eingravieren der Namen besorgte Friedrich Wilhelm Platt aus Rodheim. Im September 1922 erfolgte die Einweihung. Die Gesamtkosten für Friedhof und Denkmal beliefen sich auf 35 010 Mark. Elf Jahre später, 1933, wurde auch die Dreiteilung aufgehoben - und Bieber kam zu Rodheim.
Große Bedeutung für die Bieberer
In der Jahreshauptversammlung 1952 des VdK Bieber stellte Robert Dönges den Antrag auf Erweiterung des Ehrenmals. Erneut gründete man einen Denkmalausschuss. 1953 wurde das Ehrenmal rechts und links erweitert. Gustav Thomé schuf die Namenstafeln. Bei der Einweihung der Erweiterung mahnten die Pfarrer Trautwein und Dechant Hollnsteiner, die Toten nicht zu vergessen und sich stets für den Frieden einzusetzen. - Als das Bauwerk 2005 saniert werden sollte, erklärten sich über 20 Bieberer spontan dazu bereit. Während einige Helfer es als »Ehrendienst« für ihre gefallenen und vermissten Väter taten, die sie nicht oder kaum gekannt hatten, taten es andere als Dank für das Schicksal, dass ihre Väter wieder nach Hause kamen und sie nicht als Halbwaisen aufwachsen mussten.
Andere wiederum sahen dieses Denkmal nicht nur als Ehrenmal, sondern als deutliches Mahnmal für den Frieden, das auch ihre Kinder, Enkel und Urenkel beim Besuch des Friedhofs an die schrecklichen Kriege erinnern soll.
Welchen Stellenwert das Ehrenmal bei den Einwohnern von Bieber hat, zeigte 2005 wiederum die Spendenbereitschaft.