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»In gewissem Sinne unwürdig«

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Von: Gabriele Krämer

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Daniel Tabert © Gabi Kraemer

Biebertal/Gießen (ik). Daniel Tabert versteht die Welt nicht mehr. Zum wiederholten Male schon hatte der Biebertaler das Nachsehen, als er am Mittwoch beim Gießener Ableger einer US-amerikanischen Kaufhauskette shoppen wollte. Weil er statt der laut Aushang erforderlichen FFP2-Maske eine OP-Maske trug, wurde ihm von den Mitarbeitern des Shops der Einlass verwehrt - und dies, obwohl er ein ärztliches Attest vorlegte, wonach er aufgrund einer gesundheitlichen Beeinträchtigung keine FFP2-Maske tragen kann.

Bis zum Erbrechen

Welche Diskussionen sich dazu am Eingang des Shops abspielten, davon wurde diese Zeitung via Mobiltelefon »Ohrenzeuge«. Man wolle die anderen Kunden vor einer möglichen Ansteckung schützen und bitte daher um Verständnis - Einlass nicht möglich. Schließlich machte Tabert unverrichteter Dinge kehrt.

Hinzuzufügen ist, dass Tabert sowohl dreimal geimpft ist und auch einen frischen Corona-Testnachweis mitführte. »Das Tragen einer FFP2-Maske löst bei mir ein Beklemmungsgefühl aus. Das zieht in der Konsequenz einen Würgereiz nach sich, der im Extremfall bis zum Erbrechen führt«, beschreibt der 42-Jährige aus Rodheim-Bieber seine Erfahrung. Da eine OP-Maske luftdurchlässiger sei, habe er mit dieser Art des Mund-NaseSchutzes keine Probleme. Und eben das hat er schriftlich.

Verwunderlich sei, dass sein diesbezügliches ärztliche Attest in der Gießener Filiale nicht akzeptiert werde, er dagegen aber in den Geschäften der gleichen Kaufhauskette in Marburg und Wetzlar problemlos eingelassen werde.

Tabert, der bei der Lebenshilfe in Gießen arbeitet und sich überdies in der Landesarbeitsgemeinschaft der Werkstatt-Räte Hessen engagiert, berichtet von ähnlichen Erfahrungen in seinem privaten und beruflichen Umfeld. So sei es auch vorgekommen, dass Personen mit ebensolcher Einschränkung in Bussen nicht mitgenommen worden seien: »Die wurden stehen gelassen.«

In einer Gesellschaft, die Wert auf Inklusion lege, sei ein solcher Vorgang nicht hinnehmbar, ist seine feste Überzeugung. »In gewissem Sinne ist das unwürdig«, merkt er an und verweist auf eine perfide Gemengelage: »Ich bin dreimal geimpft, trage eine OP-Maske und werde trotz Attest nicht eingelassen. Ungeimpfte mit FFP2-Maske aber dürfen rein.«

In der entsprechenden Verordnung des Landes Hessen sind solche Ausnahmefälle klar geregelt: »Personen, die aufgrund einer gesundheitlichen Beeinträchtigung oder Behinderung keine medizinische Maske tragen können, haben dies gegenüber Behörden und Schulen durch Vorlage eines ärztlichen Attests nachzuweisen. (...) Sollte sich das Attest auf FFP2-Masken beziehen, ist eine OP-Maske zu tragen.« Und weiter: »Die dem Attest zugrundeliegende Behinderung oder gesundheitliche Beeinträchtigung muss in der Bescheinigung nicht benannt werden. Da private Stellen nach eigener Einschätzung über die Zulassung von Personen befinden können, empfiehlt es sich, auch hier ein ärztliches Attest mitzuführen.«

Mit der komplexen Pandemie-Materie ist Tabert bestens vertraut. In seiner Lebenshilfe- Einrichtung ist er nach eigenen Angaben selbst als Tester tätig - und obendrein zertifiziert, PCR-Tests auszuführen. Seinen »Fall« macht er bewusst öffentlich, denn: »Viele Menschen, die gesundheitlich beeinträchtigt sind und denen so etwas passiert, haben einfach nicht den Mut, darüber zu berichten.« FOTO: IK

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