»Ihr seid nicht allein«

Biebertal (pm). Eine Märchenerzählerin zu sein, das lässt sich Johanna Fröhlich gerne nachsagen. Umschreibe es doch die wichtige und schöne Aufgabe einer Pfarrerin, »nach dem Vorbild von Jesus Geschichten zu erzählen, wie das Reich Gottes aussieht«. Die Seelsorgerin ist vorübergehend als Vertretungspfarrerin in den evangelischen Gemeinden in Biebertal tätig.
Sie ist davon überzeugt, dass man den Glauben »in Geschichten und Bildern, nicht nur in Fakten« vermitteln und verstehen kann. Für den Glauben brauche es keine Gebrauchsanleitung, sondern poetische Worte, die das Herz aufschließen. Darum schätzt sie auch die Arbeit an den Radio-Andachten, die sie regelmäßig für den Hessischen Rundfunk schreibt und spricht.
Die 1985 geborene und in einem Dorf bei Alsfeld aufgewachsene Theologin hat in Heidelberg und Wuppertal studiert und im Odenwald ihre erste Pfarrstelle übernommen. Im Religionspädagogischen Institut in Darmstadt hat Fröhlich einen Teil in ihrer Ausbildung zur Pfarrerin absolviert. Bis zu ihrem Umzug nach Mittelhessen war sie zuletzt Schulpfarrerin in Frank- furt. Jetzt ist sie übergangs-weise zur Vertretung in Biebertal.
Freude bereite es ihr, Kinder in ihrer Entwicklung, aber auch Erwachsene beim Lernen begleiten zu dürfen. Und wenn es mit Musik zusammenhängt, mache sie das in ihrem Beruf am liebsten.
Johanna Fröhlich singt gerne und spielt Trompete. Für das Krippenspiel in Biebertal holt sie zum Beispiel auch mal die Ukulele heraus. Wegen der Corona-Pandemie wird es in diesem Jahr eine »rollende Weihnacht« geben. Die kleinen und großen Akteure spielen außerhalb der Kirchen auf Autoanhängern und fahren von Ort zu Ort.
»Wenn ich mit Kindern Lieder einübe, passiert etwas, das unseren Verstand übersteigt«, schwärmt sie. Musik fließe direkt in die Seele und verbinde Menschen mit Gott. Dass nicht wenige Menschen aber die Bindung an die Kirche verloren haben, lässt sie sehr nachdenklich werden.
Auch in Biebertal sei die geringer werdende Zahl von Taufen und die nicht unbeträchtliche Zahl von Kirchenaus- tritten zu registrieren. Es sei ein Fingerzeig darauf, dass Menschen nicht berührt oder aber enttäuscht wurden. Manchmal noch schlimmer, wenn sie verletzt wurden.
Sie selbst hat seit der Kindheit ihre Dorfgemeinde, den Kindergottesdienst, den Posaunenchor und den Konfirmandenunterricht als prägende Orte erlebt. Nicht zuletzt die Gespräche mit dem Pfarrer im Religionsunterricht in den Jahren vor dem Abitur haben ihr Interesse am Theologiestudium geweckt. Hineinwachsen in die Kirche nennt sie das. Ohne zugewandte und überzeugende Pfarrer gehe das nicht. Vor allem bei der Trauerbegleitung und den Beerdigungen zeige sich die Bindungskraft seelsorgerlichen Handelns. Menschen in Momenten des Schmerzes zu begleiten sei eine Kernaufgabe der Kirche. Selbst wenn es eine sehr fordernde Aufgabe sei, sich und Trauernde den Gedanken an den Tod auszusetzen, seien Beerdigungen eine ihrer wichtigsten und ehrenvollsten Aufgaben.
Die Bindung an die Kirche und den Glauben dürfe aber nicht von einzelnen Pfarrern abhängen und die Beziehung nicht abbrechen, wenn ein Pfarrer die Gemeinde verlässt. In diesem Zusammenhang sieht Johanna Fröhlich die neue Kooperation der Biebertaler Gemeinden als Stärkung. Die derzeit vier Pfarrer sind nicht mehr nur für eine einzelne Gemeinde Ansprechpartner, sondern für den ganzen Raum Biebertal. »Die Menschen erfahren, dass sie unterschiedlichen Pfarrerinnen vertrauen dürfen.« Auch wenn der eigene Pfarrer oder die Pfarrerin geht, sind andere da. Angesichts des in den letzten Jahren häufigen Wechsels der Pfarrer in Biebertal nimmt die Theologin »Verunsicherung und Sehnsucht nach Stabilität« wahr. Sie selbst wird auch nur eine begrenzte Zeit im Vertretungsdienst tätig sein können. Und so sieht sie ihre Rolle in den gegenwärtigen Veränderungsprozessen vor allem in der seelsorgerlichen Begleitung der Menschen und will signalisieren: »Ihr seid nicht allein.« FOTO: EKHN/BEN KNABE