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Bestattung als Luxus?

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Von: Jonas Wissner

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Um die Friedhofskosten in Allendorf/Lumda (Foto) und den anderen Stadtteilen in den Griff zu bekommen, wäre die deutliche Erhöhung von Gebühren eine Option. Eine Entscheidung darüber steht aber noch aus. FOTO: JWR © Jonas Wissner

571 Euro - diese Summe müsste die Stadt Allendorf (Lumda) laut einem Büro künftig für die Nutzung der Trauerhallen erheben und weitere Gebühren stark erhöhen, um die Friedhofskosten zu decken. Das hält das Gros der Kommunalpolitik für nicht zumutbar - und steckt in einer Zwickmühle.

Es ist ein Dilemma: Einerseits sollen Gebühren auch im Bereich der Friedhöfe möglichst die tatsächlichen Kosten decken, um die Allgemeinheit - gerade in einer klammen Kommune wie Allendorf (Lumda) - nicht zu stark zu belasten. Andererseits bereitet es der Kommunalpolitik Bauchschmerzen, wenn die Sätze für die Nutzung der Trauerhallen, Gräber und mehr ins Horrende steigen. Dieses Spannungsfeld ist am Montagabend im Haupt- und Finanzausschuss (HFA) deutlich geworden.

Auf der Tagesordnung stand die Novelle der Gebührenordnung zur Friedhofsordnung - »ein Thema, das du mit Fingerspitzengefühl behandeln musst«, wie Bürgermeister Thomas Benz unterstrich. Die Theobald Jung Scherer AG hatte im Auftrag der Stadt die aktuellen Gebühren und Kosten unter die Lupe genommen und einen Vorschlag für eine Neukalkulation erarbeitet. Dieser hatte aber für Beratungsbedarf im Parlament gesorgt, sollte daher noch einmal erläutert werden.

Hubert Jung verdeutlichte als Vertreter des Büros die Basis der Berechnung: Ausgehend von Ist-Werten bis 2020, den Ansätzen im Haushalt 2022 sowie einer angenommenen künftigen Personalkostensteigerung von zwei Prozent pro Jahr habe man »nach einer anerkannten Methode« kalkuliert, wie die Gebühren für die nächsten Jahre zu gestalten wären, um die Kosten zu decken. Auch geplante Investitionen seien »voll berücksichtigt«, Posten wie Grünpflege des Friedhofs und Maschineneinsatz ebenfalls einbezogen. Jung wies darauf hin, dass angesichts steigender Inflation etwa die Personalausgaben aber weiter anziehen könnten, »was in der Zukunft sein wird, weiß keiner so genau«.

Um seine Rolle war der Referent nicht zu beneiden: Er hatte einen kommunalen Auftrag erfüllt, mag sich angesichts der teils heftigen Reaktionen aber wie der Überbringer einer Hiobsbotschaft gefühlt haben. Laut dem Entwurf würden beispielsweise für die Aufbewahrung einer Leiche künftig 465 Euro pro Tag fällig. Aktuell werden dafür 150 Euro bei bis zu drei Tagen der Aufbewahrung berechnet. Die Benutzung einer Trauerhalle in Allendorf oder den Stadtteilen inklusive Endreinigung kostet laut gültiger Satzung 150 Euro - laut neuem Entwurf wäre es in Zukunft mehr als das Dreifache, nämlich 571 Euro.

Man habe auf Basis »echter Werte« gerechnet, die von der Verwaltung zur Verfügung gestellt worden seien, sagte Jung, wobei es sich teils um Pauschalbeträge gehandelt habe. Nun müsse die Kommunalpolitik sich klar werden, wie sie damit umgeht.

Ob die Stadt kostendeckende Gebühren erhebe oder einen Teil auf die Allgemeinheit umlege, sei eine politische Entscheidung.

»Ich persönlich bin sehr erschrocken über diese Gebühren«, äußerte sich Brunhilde Trenz (BfA/FDP). Vor allem für die in der Regel maximal einstündige Nutzung der Trauerhallen könne sie dies nicht nachvollziehen. Entscheide man sich für die vorgeschlagenen Gebühren, »würde die Anzahl der Bestattungen in Allendorf zurückgehen«, weil es andernorts deutlich günstigere Alternativen wie etwa Friedwald-Bestattungen gebe.

»Das läuft aus dem Ruder«, meinte Sandra Hennberg (Grüne). Womöglich sei die Unterhaltung aller Friedhofshallen, ähnlich den Bürgerhäusern, ein »Kostentreiber«, den die Stadt sich künftig nicht mehr leisten könne. Annette Bergen-Krause (SPD) regte an, die Verwaltung solle die Entwicklung aller Friedhofskosten jährlich im Blick behalten, um reagieren zu können. Ihre Fraktionskollegin Brigitte Heilmann sah das Problem, »dass heute niemand aus der Verwaltung hier ist, der uns die Kosten aufschlüsseln kann«.

Auch der Bürgermeister tat sich mit den Zahlen schwer: 465 Euro für die Aufbewahrung seien »nicht zu vermitteln«. Das Büro habe seine Aufgabe erfüllt, »aber diese Zahlen kann ich nicht nach außen vertreten«. Bestattungskulturen hätten sich geändert, seien aber nicht günstiger geworden. »Man kann doch nicht in einer Situation, wo Menschen trauern, das noch draufsatteln«, so Benz, sondern müsse gewährleisten, dass Begräbnisse bezahlbar bleiben. Er sprach sich dagegen aus, Friedhofshallen infrage zu stellen.

Im Laufe der langen Diskussion kam die Idee auf, Bestattungs- und Friedhofskosten stärker zu trennen - etwa, indem das Friedhofsgelände als »Begegnungsstätte« unterhalten werde, was es, so Trenz, ja für viele tatsächlich sei. Dies könnte über den Haushalt finanziert werden.

Zu einer Beschlussempfehlung kam es am Montag nicht. Die Verwaltung soll nun tatsächliche Kosten aufschlüsseln, bevor die Fraktionen für eine HFA-Sitzung noch vor der Sommerpause erörtern, wie sie das Friedhofsdilemma lösen wollen.

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