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Besondere Stücke

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Von: Patrick Dehnhardt

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pad_automat2_130822_4c © Patrick Dehnhardt

Julian Steul hat ein besonderes Hobby: Er sammelt alte Musikautomaten. Zu Hause in Bettenhausen stehen zahlreiche Spieluhren und eine selbst gebaute Drehorgel. Am heutigen Samstag führt er einige Exemplare im Licher Heimatmuseum vor.

Mit 21 Jahren dürften die meisten Menschen schon eine Drehorgel gehört haben. Aber selbst eine gebaut - das können wohl nur wenige von sich behaupten. Julian Steul aus Bettenhausen ist einer davon. Seit Frühling ist seine Drehorgel einsatzbereit. Es ist das Herzstück seiner Sammlung von Musikautomaten.

Als kleines Kind war Steul mit seinen Eltern regelmäßig auf dem Laubacher Drehorgelfestival. Schon damals haben ihn die Instrumente beeindruckt, berichtet er, während er seine Drehorgel in den Garten bringt und einsatzbereit macht. Bei einem Besuch im Technikmuseum Speyer sah er zahlreiche Musikautomaten und Spieluhren. »Es faszinierte mich, was mit so einfacher Technik möglich ist. Dass solch ein Automat sogar Geige spielen kann.« Er beginnt an der Kurbel zu drehen. Sofort ertönt eine Melodie.

Mit acht Jahren begann er zu sammeln. Mittlerweile hat er gut drei Dutzend Spieluhren und Spielautomaten zusammengetragen. Diese findet er mal in Geschäften, aber hauptsächlich bei eBay und anderen Privatanbieterportalen. »Da werden Erbstücke und Sammlungen verkauft.«

Die Idee, selbst eine Drehorgel zu bauen, kam ihm, nachdem er einen Subwoofer (ein spezieller Lautsprecher) nach einer Anleitung aus dem Internet angefertigt hatte. »Da dachte ich mir: Wenn so etwas geht, muss eine Drehorgel doch auch gehen.«

Letztlich war das Projekt aber einige Klassen schwieriger. Die Bauanleitungen musste er sich aus verschiedenen Quellen zusammensuchen. Im Juli 2021 begann die Bauphase. Einen Teil der Holzpfeifen fertigte er selbst an, wobei ihm sein Vater half. Einen Teil ersteigerte er im Internet: »Das sind gebrauchte Pfeifen aus einer sächsischen Kirchenorgel, die ein Orgelbauer versteigert hat.« Teilweise improvisierte er auch. Die Kurbel etwa stammt von einem alten Fleischwolf, das Lager aus einem ausgedienten Rollator.

Während bei den alten Drehorgeln eine Walze oder ein Lochband die Melodie vorgeben, steuert bei Steuls Exemplar der Laptop die Pfeifen. »Der Computer ersetzt das Laufband. Ansonsten ist alles gleich«, sagt er. Ohne Kurbeln gibt es keinen Ton. Zudem seien ein Laptop und eine Drehorgel gar nicht so weit auseinander, sagt er.

Steul bringt einen großen, verzierten hölzernen Kasten in den Garten. Ein Blumenmuster lässt sich auf dem Deckel erkennen. »Eine Organette«, erklärt er, 132 Jahre alt. Sie ist eines seiner Lieblingsstücke. »Darin habe ich mit die meiste Arbeit gesteckt.« Um die Mechanik in Schuss zu halten, braucht es immer wieder Pflege. »Die Organette ist voll funktionsfähig. Nur bei Wärme klemmt manchmal ein Ton.« Als er das Gerät einschaltet, lässt sich kein Unterschied zu einem CD-Spieler hören.

Bei einer Organette handelt es sich um einen Vorläufer des Schallplatten- und des CD-Spielers. Die Technik ist alt - und gleichzeitig dieselbe, mit der heute Computer arbeiten: der binäre Code, 0 und 1. Eine Metallplatte läuft über eine Walze mit kleinen Metallstiften. Für jeden Ton gibt es dabei eine eigene Spur. Die Stifte werden durch die Platte heruntergedrückt, der jeweilige Ton bleibt stumm - also Null in binär. Kommt nun ein Loch in der Platte, geht der Stift hoch und der Ton kann frei klingen. In binär eins - der (Luft-)Strom fließt. Ein großer Unterschied zu einer CD ist allerdings der »Speicherplatz«: Nach gut 20 bis 30 Sekunden ist die Platte einmal herumgelaufen und das Lied zu Ende. Zudem tasten keine Metallstifte, sondern Laserstrahlen die Oberfläche nach Löchern ab.

Die Organette fand sich vor allen Dingen in reichen Haushalten, kam zur Unterhaltung der feinen Gesellschaft zum Einsatz. Damit sie einem Akkordeon ähnlich klang, hatte sie für die 18 Töne 36 Pfeifen. Steuls Exemplar wurde vor Generationen in Braunschweig gebaut.

Zum Historischen Markt war er schon einmal im Heimatmuseum zu Gast. »Vor allen Dingen Kinder waren von den Automaten begeistert«, sagt er. Am heutigen Samstag von 14 bis 16 Uhr zeigt er im Museum am Kirchenplatz erneut Exemplare aus seiner Sammlung - und wird diese selbstverständlich auch erklingen lassen.

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