Bekannt, bereit – und auch bewährt?

Er hat sich noch einiges vorgenommen: Thomas Benz tritt als FW-Kandidat für eine zweite Bürgermeisteramtszeit in Allendorf (Lumda) an. Der frühere Handballschiedsrichter sieht sich auf dem richtigen Weg und weist Kritik an seiner Amtsführung zurück.
Kaum hat das Gespräch im Rathaus begonnen, da funken die »Dire Straits« dazwischen: Thomas Benz bekommt einen Anruf, als Klingelton ertönt das berühmte Gitarrenriff aus »Money for nothing«. Die telefonische Absprache ist schnell getroffen, das Gespräch geht weiter. Doch die Szene verdeutlicht: In dieser Position kommt häufig irgendwas dazwischen. Dass Bürgermeister – anders als es in dem Rock-Klassiker heißt – nicht fürs Nichtstun bezahlt werden, weiß Benz nur zu gut. »Ich sitze hier nicht nur und trinke Kaffee«, unterstreicht der 55-Jährige.
Als FW-Kandidat strebt der Nordecker nun eine zweite Amtszeit an. Sein Slogan: »Bekannt, bewährt, bereit.« Wie läuft der Wahlkampf, in dem er mit SPD-Herausforderer Sebastian Schwarz konkurriert, aus Benz‘ Sicht? »Ich denke, wir sind beide sehr engagiert«, sagt er. »Wie in einem Windhundrennen: Man guckt immer mal, was der andere macht.«
Das Projekt Wiederwahl ist kein Selbstläufer. Der Wahlkampf sei »extrem zeitaufwendig«, so Benz. Kürzlich habe er es mal geschafft, für zwei Stunden in der Sporthalle bei der HSG Lumdatal mitzufiebern, beim Handball ein bisschen abzuschalten. Diesem Sport ist er schon lange verbunden, war für die HSG 35 Jahre als Schiedsrichter aktiv. Er sei »ein kleiner Gerechtigkeitsfanatiker«, meinte Benz vor ein paar Monaten – und sei vielleicht auch daher Handball-Schiri geworden.
Dass er als Amtsinhaber »bekannt« ist, steht außer Frage. »Wenn ich eine Kiste Wasser beim Edeka hole, brauche ich eine halbe Stunde«, ständig werde er angesprochen. »Blöd ist, wenn dich keiner mehr anspricht«, sagt er und lacht. Das sei ihm zum Glück noch nicht passiert.
Vor sechs Jahren hatte sich Benz – damals Stadtverordnetenvorsteher, aber ohne langjährige kommunalpolitische Erfahrung – hauchdünn gegen Bürgermeisterin Annette Bergen-Krause am Ende eines harten Wahlkampfs durchgesetzt. Geht es jetzt aus seiner Sicht fair zu? »Nein«, findet Benz und wettert gegen jene Partei, die, so scheint es, für ihn inzwischen eine Art Intimfeind darstellt: »Was die Grünen in Allendorf abziehen, ist schon extrem.« Damals hätten sie ihn unterstützt, nun seinen Mitbewerber. Benz fühlt sich unfair behandelt, zu Unrecht etwa dafür kritisiert, dass er Projekte angeblich verschleppe. »Wenn man mit Prüfaufträgen die Verwaltung lahmlegt, darf man sich nicht wundern.« Die Personaldecke im Rathaus ist dünn, die Stadtkasse chronisch klamm – das macht seinen Job nicht eben einfacher. »Wenn etwas schnell geht, habe ich es durchgepeitscht«, so wird es aus seiner Sicht von Kritikern dargestellt.
Rund 3280 Wahlberechtigte entscheiden am 12. Februar, wer künftig als Bürgermeister die Allendorfer Stadtverwaltung leitet: Amtsinhaber Thomas Benz (FW) oder Sebastian Schwarz (SPD). Die Gießener Allgemeine Zeitung stellt die beiden Bewerber vor.
Die Ansichten darüber, ob der verheiratete Vater zweier erwachsener Kinder sich im Amt »bewährt« hat, gehen auseinander. Manuel Sult, bis 2022 Vorsitzender der Allendorfer FW, hatte kürzlich öffenlich moniert, unter Benz herrsche Stillstand. »Ich weiß nicht, was ihn antreibt«, sagt Benz und weist die Kritik entschieden zurück. »Es werden Dinge verdreht«, die Behauptung, Arbeit bleibe bei ihm liegen, sei »Quatsch«. Und wenn die SPD – wie in der Haushaltsrede vor knapp einem Jahr – von der »Entdeckung der Langsamkeit« spreche, sei das »Polemik im Wahlkampf, immer nur dagegen«.
Einen Mangel an Initiativen während seiner Amtszeit, auch im Vergleich zu anderen Rathäusern, sieht Benz nicht. »Es ist nicht so, dass ich nichts mache«, betont er. »Fast alles, was ich mir 2017 vorgenommen habe, wurde umgesetzt«, heißt es in Benz‘ Wahlkampf-Broschüre. Er ist stolz auf seine Arbeit, nennt etwa die »zukunftssichere« Aufstellung des Vereins für Häusliche Kranken- und Altenpflege in städtischen Räumen, das Baugebiet »Hege II«, die Sicherung des Tafel-Standorts, die Neugestaltung des Nouvion-Platzes und einiges mehr.
Manchmal aber dauere es eben »ein bisschen«, das habe er etwa beim Thema Bürgerbus gemerkt: Als er anfangs versucht habe, Fahrer für das »City-Mobil« zu finden, habe sich niemand gemeldet. Später sei es zu einer Kooperation mit Rabenau gekommen, »und ruckzuck hatten wir drei Fahrer«. Nach Startschwierigkeiten laufe es mittlerweile auch bei der Gemeinschaftskasse mit Rabenau »eigentlich richtig rund«.
Er wolle »nichts versprechen, was ich nicht halten kann«, sagt er, hat sich für eine mögliche zweite Amtszeit aber einiges vorgenommen. Ein wesentliches Ziel ist die Errichtung eines Seniorenheims in Allendorf. »Die Bevölkerung wird älter, die Menschen haben ein Bedürfnis, auch in ihrem Ort alt zu werden«, sagt Benz, der sich und Schwarz inhaltlich nicht allzu weit voneinander entfernt sieht. Beide arbeiten aktuell im Magistrat zusammen.
Das Bürgermeisteramt fordert. Der 55-Jährige ist, wie auch manch anderer Amtsinhaber, während der Jahre auf dem Chefsessel in der Stadtverwaltung ziemlich grau geworden – und sein Geduldsfaden nicht unbedingt länger, wie man ihm mitunter in der Stadtverordnetenversammlung anzumerken scheint.
Dort ist der Bürgermeister in einer eher schwierigen Position: Fünf Fraktionen sind vertreten, haben bei der letzten Kommunalwahl zwischen knapp 16 und 27 Prozent der Stimmen geholt. Es sind knappe Verhältnisse ohne eine feste Koalition. »Man muss sich immer Mehrheiten suchen«, verdeutlicht Benz – und betont, dass er Vorschlägen von allen Seiten grundsätzlich offen gegenüberstehe.
»Auf Augenhöhe mit allen, denen ich bisher begegnet bin« – so beschreibt der Nordecker seinen Stil im Amt. »Ich bin sehr bürgernah, meine Tür ist immer offen. Wenn ich da bin, kann jeder kommen.« Auf Menschen zuzugehen, einen Draht zu ihnen zu finden, das liegt ihm allem Anschein nach. Der HSV-Fan ist selten um einen Spruch verlegen, frei von Amtsdünkel, trägt sein Herz auf der Zunge und steht auf klare Kante – diesen Eindruck konnte man in den vergangenen Jahren von ihm gewinnen. »Ich bin kommunikativ, höre mir alles an«, sagt er, »und ich bilde mir ein, dass ich mich ganz gut durchsetzen kann«. Außerdem sieht der Amtsinhaber sich selbst als »nett, zuvorkommend und höflich – keiner, der seine Meinung überstülpt«.
Wie schätzt Benz den Wählerwillen ein? »Die Stimmung der Bevölkerung ist nicht uneingeschränkt so, dass die Leute sagen: Wir wollen den Weg mit ihm weitergehen«, vermutet er. Die Energiekrise und steigende Kosten in vielen Bereichen trügen dazu bei, »dass die Stimmung generell schlechter wird, Verdrossenheit greift um sich«.
Was motiviert ihn, weitermachen zu wollen? »Ich bin noch nicht fertig, hätte noch Futter für zehn Jahre«, sagt er. »Der Job macht mir echt Spaß«, gerade wegen des ständigen Kontakts zu Menschen. Dass das keine Floskel ist, wird deutlich, als Benz über ein besonderes Fest spricht: »Der Nikelsmarkt-Sonntag – so was habe ich noch nicht erlebt. Das mitzugestalten, ist schon klasse.« Ausgerechnet im 650. Jahr musste der Traditionsmarkt 2020 ausfallen. Die Absage war der Pandemie geschuldet, in der Benz eher zum »Team Vorsicht« gehörte. Nach der erneuten Absage 2021 konnte der Markt im November endlich wieder stattfinden. »Wir haben ein großes Zusammengehörigkeitsgefühl, das passt hier.«
Unter Leuten und nah an den Bürgern zu sein, ist freilich nur ein Teil des Jobs. »Ich habe in meinem Leben noch nie so viel gelesen wie in den letzten fünf Jahren«, verrät Benz. »Das gehört dazu, gehört aber nicht zu meinen Lieblingsbeschäftigungen als Bürgermeister.« Ein Aktenhengst ist er nicht. Mehr Freude bereite ihm, »vor Ort zu sein, was zu bewirken«.
Vor Amtsantritt war der gelernte Kaufmann im Groß- und Außenhandel unter anderem Außendienst-Bezirksleiter bei der Firma Enders (Reiskirchen) und Bezirksleiter bei Unilever. Was ist sein Plan B, falls es mit der Wiederwahl nicht klappt? Darüber will er aktuell nicht sprechen, »jetzt warten wir erst mal den 12. Februar ab.« Dass er nicht zuletzt auch »bereit« ist, daran lässt er keinen Zweifel. Ob auch die Allendorfer bereit sind, ihm weitere sechs Jahre im Amt zu bescheren, bleibt abzuwarten. (Jonas Wissner)
Acht Fragen an: Thomas Benz
Was bringt Sie auf die Palme?
Ungerechtigkeit
Bei welcher Art von Musik drehen Sie voll auf?
Rock
Mit wem würden Sie gern für einen Tag tauschen?
Mit Wladimir Putin, dann würde ich den Krieg beenden.
Haben Sie ein politisches Vorbild?
Nein
Was ist in Allendorf (Lumda) besonders verbesserungswürdig?
Der Straßenzustand und die Daseinsvorsorge für ältere Menschen, daher brauchen wir ein Alten- und Pflegeheim.
Was hilft Ihnen, um nach einem anstrengenden Tag abends abzuschalten?
Am liebsten setze ich mich auf mein E-Bike und fahre durch unsere schöne Gemarkung.
Auf welches Hobby würden Sie auf keinen Fall verzichten wollen?
Handball und Fußball.
Was hat Sie im Wahlkampf bislang am meisten überrascht?
Dass die Grünen keinen Bürgermeisterkandidaten aufgestellt haben.