Bauern blicken auf gutes Futterjahr
Nach drei Trockenjahren fehlte es den Landwirten diesmal nicht an Regen. Im Gegenteil: Nässe zur Unzeit machte etwa die Weizenernte zum Geduldsspiel. Des einen Leid, das anderen Freud: Vielerorts gab das Grünland diesmal gar eine vierte Mahd her, prächtig gedieh auch der Mais. Für die Tierhalter der Region war 2021 somit ein gutes Jahr, konnten doch die Futtervorräte endlich wieder aufgefüllt werden.
Regenreicher Winter, Kälte im April, Hitze im Juni, Starkregen im Juli, Sonne im September - Petrus gab heuer alles. Von den Wetterkapriolen spürten freilich vor allem die Landwirte etwas. Gerade die von Niederschlägen im Juli verzögerte Weizen- und Gersteernte zerrte an ihren Nerven. Dass der Ertrag unterdurchschnittlich ausfiel, kam noch »on top«.
Zupass kam das Wetter- geschehen 2021 dagegen den Viehhaltern: Nach den trockenen Jahren 2018 bis 2020 konnten sie ihre Futtervorräte endlich wieder auffüllen. Bis vor wenigen Tagen holten sie eine sehr gute Maisernte vom Feld, um das Häckselgut in Silos einzulagern.
An der Straße von Hungen nach Villingen recken sich noch die auf rekordverdächtige drei Meter aufgeschossenen Stängel gen Himmel. Roland Frutig kultiviert dort »Körnermais«. Der Name erklärt sich damit, das hier - anders als bei der Silierung als Viehfutter oder für Biogas- anlagen - nicht die ganze Pflanze gehäckselt wird und der Mähdrescher nur die körnerbesetzten Kolben pflückt.
Für Roland Frutig eine Premiere, fürs Gießener Land zumindest eine Seltenheit. Den Versuch erklärt er zum einen mit dem Ziel, die Fruchtfolge aufzulockern. Seit Anbeginn der Landwirtschaft ein probates Mittel, um einer Erschöpfung der Nährstoffe im Boden vorzubeugen sowie den Krankheits-, Schädlings- und Unkrautdruck zu reduzieren. »So viele Alternativen für den Fruchtwechsel gibt es ja nicht mehr«, fügt er im Gespräch mit dieser Zeitung hinzu,
Inwiefern Frutig auch seine Ziele in Sachen Vermarktung erreicht, dürfte sich in den nächsten 14 Tagen entscheiden: Stellt sich gutes Wetter ein, kann er die Kolben mit einem gewünschten Feuchtigkeitsgehalt von nurmehr 30 bis 33 Prozent dreschen. Denn auch beim Körnermais hängt der Erlös davon an, wie hoch die (Energie-)Kosten für das zum Mahlen erforderliche Runtertrocknen auf 13 Prozent ausfallen.
An Nachfrage mangelt es nicht, ist diese Getreideart doch reich Stärke. Die Lebensmittelindustrie benötigt Maismehl in großen Mengen, es ist zudem optimales Futter für das Vieh. Das wird sich auch am Endprodukt Hungener Provenienz gütlich tun.
Auf nahezu ideale Bedingungen für den Mais - hierzulande eine der Hauptfutterpflanzen - verweist Manfred Paul, Vorsitzender des Bauern- verbands Gießen/Wetzlar/Dill, »Das war sein Wetter«, meinte er mit Blick auf die diesmal häufigen Niederschläge. Sein Fazit in Kürze: »Unheimlich viel Masse, optimaler Korn- besatz.« Zudem hätten sich die Qualitäten nach vorn ent- wickelt.
Die Futtersilos dürften daher randvoll sein. Und nicht nur die, ist Mais doch längst auch das »Energiefutter« für Biogasanlagen.
Wie Paul ergänzt, haben sich inzwischen einige Kollegen für Körnermais entschieden. Begünstigt durch neue Züchtungen, die dem feuchten und kühlen Herbstklima in Oberhessen angepasst sind. Maismehl oder -schrot gelange zumeist nicht in den Handel, sondern diene - oft als Alternative zu Sojaschrot - als Futter für Rinder wie Schweine.
Der Verbandsvorsitzende kommt nun aufs Grünfutter zu sprechen: Teilweise sei dank idealer Wachstumbedingungen gar ein vierter Grasschnitt möglich gewesen. Letzterer freilich für die Silage, da nicht mehr trocken zu bekommen. Auch das ein Beleg für ein sehr gutes Futterjahr.
Zu den wenigen Pflanzen, die in diesen Tagen noch nicht geerntet sind, zählt die Hirse, verwendet nur für Biogas- anlagen, als vom Gesetzgeber geforderte Zusatzkomponente neben Mais.
Laut Paul mit Vorteilen gegenüber der »Konkurrenz«, da die Wildschweine nicht in die Bestände reingehen. Wie das? »Die haben noch nicht verstanden, dass das Gute am oberen Ende der etwa zwei Meter hohen Hirse sitzt.« Bleibe zu hoffen, dass sich das nicht rumspreche....
Neben »Exoten« wie Sojabohnen - hierzulande bislang nur selten angebaut - sind einzig die Zuckerrüben noch im Acker. Hier rechnet der Verbandschef mit einer guten Ernte. Für ihn etwas überraschend, angesichts der wenigen Sonnentage. Bestätigung dafür erhält man bei Daniel Seipp. Der Muschenheimer baut auf 13 Hektar die »süßen Früchte« an. Wie er gegenüber dieser Zeitung sagte, hätten jüngste Analysen einen Zuckergehalt von über 18 Prozent ergeben. Mehr als erwartet. Dies und ein guter Ertrag, was das Endgewicht der Rüben anbelangt, stimmen auch den Sprecher der Jungland-wirte zuversichtlich.