Straßenbeiträge in Lich sollen abgeschafft werden

Jahrelang wurde diskutiert und die Entscheidung immer wieder vertagt. Nun zeichnet sich auch in Lich eine breite Mehrheit für die Abschaffung der Straßenbeiträge ab.
Lich - Gut zwei Jahre nach den ersten Protestaktionen ist die Bürgerinitiative »Straßenbeitragsfreies Lich« am Ziel. Am Mittwochabend fiel im Haupt- und Finanzausschuss die Vorentscheidung für die sofortige Abschaffung der Straßenbeitragssatzung. BfL, Grüne und FDP unterstützten den von CDU und DBL eingebrachten Antrag. Diese Fraktionen verfügen in der Stadtverordnetenversammlung über eine breite Mehrheit von 26 der insgesamt 37 Sitze. In Anbetracht dieses Kräfteverhältnisses dürfte der von SPD und Freien Wählern vorgelegte Kompromissvorschlag in der entscheidenden Parlamentssitzung am kommenden Mittwoch wenig Chancen haben. Sozialdemokraten und FW schlagen die Verringerung der Straßenbeiträge und eine moderate Anhebung der Grundsteuer vor. Die Beitragssatzung als Instrument aber wollen sie grundsätzlich beibehalten. Ihr Argument: Eine Abschaffung gefährde den finanziellen Handlungsspielraum der Stadt. »Unser Vorschlag ist optimal für das Gemeinwohl«, unterstrich SPD-Fraktionsvorsitzender Prof. Knut Stieger. Er berücksichtige die Interessen von Bürgern und Stadt gleichermaßen.
Die CDU, die schon mit dem Slogan »Gemeinsam nutzen, gemeinsam bezahlen« in den Kommunalwahlkampf gezogen war, hielt dagegen. Ihr Fraktionsvorsitzender Markus Pompalla führte negativen Begleiterscheinungen von Straßenbeiträgen an: hoher Verwaltungsaufwand auf der einen und hohe Belastungen für die Bürger auf der anderen Seite. »Die Betroffenen haben keinerlei Einfluss, wo und wie oft saniert wird.« Von der Abschaffung versprechen sich CDU und DBL ein Umdenken in der Verwaltung. Dort werde man künftig weniger auf grundhafte Sanierung denn auf rechtzeitige Reparaturen setzen. Pompalla räumte ein, dass zur Finanzierung des Straßenbaus kurzfristig eine Erhöhung der Grundsteuer B unausweichlich sein werde. Mittel- und langfristig setzt er aber auf steigende Einnahmen durch prosperierende Gewerbe- und Neubaugebieten.
Straßenbeiträge in Lich: Aktuelle Regelung ist „nicht okay“
Andreas Müller-Ohly (DBL) machte sich als zweiter Antragsteller für Anstrengungen beim Straßenunterhalt stark. »Wir brauchen mehr Geld für Reparaturen, aber nicht alle 20 Jahre eine grundhafte Erneuerung.« Florian Stein (FW) widersprach: »Man kann nicht alles über die laufende Unterhaltung richten.«
»Vernünftige Straßen und Bürgersteige sind eine Sache der Allgemeinheit«, ist die Haltung der Grünen, die Armin Neumann formulierte. Am Kompromissvorschlag von SPD und Freien Wählern aber sei immerhin eines erfreulich: »Es gibt einen Konsens, dass die bisherige Regelung nicht okay ist.«
FW-Fraktionsvorsitzender Josef Benner vermisste im Antrag von CDU und DBL ein schlüssiges Finanzierungskonzept. »Wir holen uns ein Dauerproblem in den Haushalt.« Die Finanzierung über höhere Steuern habe wegen steigender Kreisumlage und sinkenden Schlüsselzuweisungen erhebliche Nachteile: »Um einen Euro Straßenbeitrag zu ersetzen, brauchen wir nicht einen Euro Steuern, sondern 1,20 oder 1,50 Euro.« Die Bürger würden letztlich stärker belastet. Und wer mittelfristig auf steigende Einnahmen durch die Baugebiete setze, erliege einer Illusion: »Die Stadt ist gewachsen und mit der Infrastruktur ins Hintertreffen geraten. Wir brauchen Geld für Investitionen.«
Straßenbeiträge in Lich: Bei Abschaffung gehe wichtiges Finanzierungsinstrument verloren
Als das Thema vor der Sommerpause schon einmal auf der Tagesordnung der Stadtverordnetenversammlung stand, hatten die BfL als jüngste Kraft in der Licher Politik ihre Meinungsbildung noch nicht abgeschlossen. Das sei jetzt anders, berichtete Fraktionsvorsitzender Magnus Schneider. »Wir haben viele Gespräche geführt, alle Argumente abgewogen und in der Fraktion kontrovers diskutiert. Wir werden der Abschaffung der Beiträge zustimmen.« Für die Abschaffung ist auch die FDP. Der Vorschlag von SPD und Freien Wähler bedeute einen zu hohen verwaltungstechnischen Aufwand, sagte Nathalie Burg.
Als sich auch Bürgermeister Dr. Julien Neubert in seiner Eigenschaft als Kämmerer in die Diskussion einschaltete, wurde der Ton schärfer. »Was zur Refinanzierung gesagt wurde, ist dünn«, beklagte er und wurde dafür von der CDU als »Schwarzmaler« gescholten. Doch Neubert blieb dabei: »Mit der Beitragssatzung geben wir ein ganz, ganz wichtiges Finanzierungsinstrument aus der Hand.« Der Haushalt 2022, den er kommende Woche einbringen will, sehe Investitionen in Höhe von acht Millionen Euro vor, darunter Mittel für dringend benötigte Kita-Plätze, für eine Halle für den Vereinssport oder für die Rettung des Waldschwimmbads.
Vor allem die Grünen brachte Neubert mit seinen Vorhaltungen auf die Palme: »Wir sind nicht verantwortungslos«, unterstrich Armin Neumann. Der Bürgermeister solle ruhig ein bisschen Vertrauen ins Parlament haben. »Wir werden den Haushalt schon vernünftig hinkriegen.« Dass der Zeitpunkt dafür günstig sei, merkte Michael Pieck an. Die Finanzierung des Straßenbaus könne man im Rahmen der Haushaltsberatungen klären. (Ursula Sommerlad)