Auswirkungen aufs Umland
Täglich pendeln tausende Menschen aus dem Kreisgebiet nach Gießen. Sei es zur Arbeit, zum Arzt oder zum Einkaufen. Der dortige Verkehrsversuch ab Sommer weckt Sorgen hinsichtlich der Erreichbarkeit der Innenstadt. Bessere Busanbindung aus dem Umland wünschen sich daher viele Kreispolitiker. Doch konkret geplant ist noch nichts.
Den ÖPNV wollen wir weiter ausbauen, bekräftigte Alexander Wright in dieser Woche. Der Gießener Bürgermeister hat beim kommenden Verkehrsversuch in der Stadt den Hut auf. Der Grünen-Politiker verweist auf den Nahverkehrsplan, der binnen fünf Jahren eine Steigerung der Verkehrsleistung um 50 Prozent vorsieht.
Doch was ist jetzt? Im Juni startet der Verkehrsversuch in Gießen, in den Folgewochen gibt es in mehreren Etappen Veränderungen für den Verkehr. Das Ziel: Eine attraktive Innenstadt mit weniger Autoverkehr. So werden unter anderem zwei der vier Fahrspuren auf dem Innenstadtring dann Fahrrädern vorbehalten sein, der Autoverkehr wird zielgerichteter hin zu Parkhäusern gelenkt. Das Parken in der Stadt ist jetzt schon deutlich teurer geworden.
Stadt und Landkreis haben eine Arbeitsgruppe gegründet, um gemeinsam zu schauen, wo kurzfristig ÖPNV-Verbindungen in den Landkreis verbessert werden können, versichert Bürgermeister Wright.
Landrätin Anita Schneider ergänzt dies um »mittelfristige und langfristige Maßnahmen zur Verbesserung des ÖPNV« zwischen Stadt und Landkreis. Politik und Fachleute aus der Verwaltung wollen noch in diesem April erste Ergebnisse erörtern. »Damit wollen wir auch für den Handel und das Handwerk gute Bedingungen für die Begleitung des Verkehrsversuchs schaffen«, sagt Schneider. Wright kündigt dazu eine Informationskampagne auf allen Kanälen für die kommenden Wochen an, um Fragen zum Verkehrsversuch zu beantworten. Schon jetzt gibt es online Informationen auf www.giessen.de/verkehrsversuch. Die Seite soll weiter ausgebaut werden.
Zentral dabei ist die Frage nach der Erreichbarkeit der Innenstadt und die Anzahl der Parkplätze. Da verweist Wright auf 4500 Stellplätze in Parkhäusern und weitere 2000 innenstadtnahe Parkplätze, etwa in der Johannesstraße, an der Ringallee oder in der Löberstraße. Die sollen weiterhin gut erreichbar sein, Das sei Voraussetzung für den Verkehrsversuch, will Wright Sorgen zerstreuen.
Denn die gibt es: Vor ein paar Tagen erst hat der CDU-Kreistagsabgeordnete Lucas Schmitz kritisiert, der Dialog zwischen Stadt und Umland funktioniere an dieser Stelle nicht. Er befürchtet, dass der Verkehrsversuch zulasten der Menschen im Landkreis geht mit einem »Verbot auf der einen Seite ohne Verbesserungen auf der anderen Seite«. Schmitz hatte daher dringend Gespräche zwischen allen Beteiligten angemahnt.
Wie könnten flankierende Alternativen aussehen, die attraktiv genug sind, dass die Menschen sie annehmen, um weiterhin die Innenstadt anzusteuern? Bei den Radwegen aus dem Umland in die Stadt hat sich schon viel getan. Doch bei Bussen ist noch viel Luft nach oben. Mit höherer Taktfrequenz. Oder etwa der Idee von schnellen Shuttlen, die Menschen von stadtnahen Parkplätzen abholen und in die Innenstadt bringen.
Heuchelheim und Wettenberg etwa, stadtnah gelegen, haben tagsüber im Halbstundentakt Busanbindungen nach Gießen. Die Lindener haben den Bahnhof. Auch Menschen aus Lollar und Großen-Buseck können auf die Bahn umsteigen. Nur: Wer in einem der kleineren Dörfer wohnt - in Oppenrod etwa, oder in Dorf-Güll, der tut sich mit den »Öffentlichen« eher schwer.
»Es wäre hilfreich gewesen, den Dialog mit den Umlandkommunen zu suchen und schon zu einem früheren Zeitpunkt mit diesen über Ideen zu sprechen«, meint der Staufenberger Bürgermeister Peter Gefeller. Er sieht da die Verantwortlichen in Gießen in der Pflicht, denn derjenige, der Veränderungen veranlasse, sei in der Bringschuld, diese den Betroffenen zu erklären. Ein Forum wäre da etwa die regelmäßige Bürgermeister-Dienstversammlung. Gießen zeigt sich offen dafür: »Sollte an den Magistrat der Wunsch herangetragen werden, dort den Verkehrsversuch zu erläutern, dann werden wir dem gerne nachkommen«, sagte Bürgermeister Wright dazu am Donnerstag.
»Wir als angrenzende Kreiskommune halten es für sehr wichtig, dass unsere Bürger mit dem Auto sowie dem ÖPNV die Innenstadt gut erreichen können«, sagt der Fernwalder Rathauschef Manuel Rosenke. Er erachtet einen erweiterten Ausbau und die Verzahnung des ÖPNV zwischen Gemeinde und Stadt als »sehr zielführend«. Trotz bereits guter Taktung der Busse hält es der Bürgermeister »für sehr sinnvoll und wünschenswert, eine erhöhte Takt-Frequenz zu erreichen - etwa so wie im Stadtbus-Verkehr. Für ihn ein Argument: Zwischen der Gießener Innenstadt und Fernwald ist es nicht weiter als zwischen Gießen und Stadtteilen wie Allendorf/Lahn oder Rödgen.
Nur: Konkret geplant ist noch nichts. Dazu bräuchte es Beschlüsse des lokalen Parlaments und das Bereitstellen von Geld. Denn ÖPNV kostet. Und wer mehr bestellt, der muss auch mehr bezahlen.
In Pohlheim ist laut Bürgermeister Andreas Ruck das städtische Klimamanagement im Austausch mit den Organisatoren des Verkehrsversuchs und dem Verkehrskoordinator der Stadt Gießen. Zudem laufen seitens der Stadt Pohlheim Bemühungen, den ÖPNV durch bessere Taktung zu stärken. Dazu gibt es eine Arbeitsgruppe in der Kommunalpolitik, Gespräche mit den Anbietern sind terminiert. Was Ergebnisse angeht, da ist der Bürgermeister allerdings noch zurückhaltend: »In welcher Weise sich eine bessere Taktung des ÖPNV in Pohlheim für den Verkehrsversuch in Gießen bemerkbar macht, vermögen wir an dieser Stelle nicht zu sagen.«
In Wettenberg gibt man sich da bescheidener: Eine optimierte Radwegeverbindung von Krofdorf in die Weststadt, das wäre für Bürgermeister Marc Nees bereits ein »Riesenschritt«. Das ist seit Jahren im Gespräch, aber zwischen Gießen, Wettenberg und Landkreis noch nicht zielführend vorangekommen.