Aus Freude am Oldtimerfahren: Autoliebhaber im Landkreis Gießen

Über 2400 Fahrzeuge im Landkreis tragen ein H-Kennzeichen. Sie sind somit über 30 Jahre alt und besonders erhaltenswert. Hartmut Franke fährt einen dieser Oldtimer, einen Mercedes 280 SL.
Wenn Hartmut Franke an seinen Oldtimer denkt, gerät der Pohlheimer ins Schwärmen. Vom besonderen Flair, den der Wagen ausstrahlt. Vom Fahren ohne große technische Hilfsmittel. »Das fahrerische Können ist da noch gefragt.« Was ihn aber am meisten begeistert, ist das Gespräch über seinen und andere automobile Schätze mit anderen Oldtimerbesitzern und -fans. »Es ist einfach eine tolle Gemeinschaft.«
Franke fährt einen Mercedes 280 SL. »Baujahr 1982, nur 70 000 Kilometer gefahren und ein Vorbesitzer.« Wobei fahren derzeit nicht stimmt: So lange noch Streusalz auf den Straßen liegt, bleibt der Oldtimer in der Garage stehen. »Der Wagen hat bei mir noch kein Salz gesehen.« Und das soll auch so bleiben.
Franke ist mit seiner Leidenschaft für Oldtimer nicht alleine. Über 2400 Fahrzeuge mit H-Kennzeichen sind im Landkreis Gießen angemeldet, teilte die Pressestelle auf Nachfrage mit. Bei 2060 handelt es sich um Pkw. Aber auch 36 Motorräder, 73 Lkw und 58 Zugmaschinen oder Ackerschlepper tragen ein H-Kennzeichen. Und selbst einige Anhänger und spezielle Ackermaschinen haben das begehrte H auf dem Kennzeichen stehen.
Es zu bekommen, ist nicht leicht. Das Fahrzeug muss nicht nur vor mindestens 30 Jahren erstmals zugelassen worden sein, sondern auch weitestgehend dem Originalzustand entsprechen. Unsachgemäße Reparaturen dürfen nicht zu erkennen sein. »Die Ästhetik und Technik des Fahrzeugs muss einem bestimmten vergangenen Zeitgeist entsprechen, der für die Nachwelt erhalten werden soll«, teilt die Pressestelle mit. Ein Gutachter muss nach einer vom Gesetzgeber erlassenen Richtlinie prüfen, ob alle Vorgaben für das H-Kennzeichen erfüllt sind.
Die KFZ-Steuer beträgt pauschal für Pkw 191 Euro, für Motorräder 46 Euro pro Jahr. Zudem können sich Oldtimerbesitzer über eine günstigere Kfz-Versicherung freuen, da die Versicherer davon ausgehen, dass mit solchen Fahrzeugen vorsichtiger gefahren wird.
Dies kann Franke nur bestätigen. Mittlerweile fahre er mit seinem Mercedes eigentlich nur bei Oldtimerrundfahrten wie etwa der Deutschland Klassik und ähnlichen Ausfahrten mit. Er ist Mitglied im AMSC Pohlheim, der für die Limes Klassik verantwortlich zeichnet. Bei manchen Fahrten ginge es hauptsächlich darum, auf einer schönen Strecke unterwegs zu sein und vor dem Start sowie nach der Ankunft ins Gespräch zu kommen. Bei anderen Touren würden unterwegs auch mal knifflige Aufgaben warten, müsse der richtige Weg erst herausgefunden werden. »Es kommt auch auf den Beifahrer an, wie viel Spaß es macht.« Der 68-Jährige fährt zum Beispiel gerne mit seiner Tochter solche Touren.
Was Franke ein bisschen stolz macht, ist, dass man dabei auch auf Straßen fahren darf, die sonst für Fahrzeuge tabu sind. »Wer ist schon einmal durch den Bergpark Wilhelmshöhe in Kassel gefahren?«, nennt er ein Beispiel. Wenn dann am Straßenrand die Zuschauer stehen, sich über den Anblick der Oldtimer freuen, dann geht ihm das Herz auf.
Immer wieder erlebt er, dass ihn Menschen auf seinen Oldtimer ansprechen und ihre eigenen Erlebnisse mit dem Fahrzeugtyp schildern. Etwa dass sie selbst einmal so ein Auto besessen haben oder als Kind mit Oma und Opa regelmäßig damit Ausflüge gemacht haben.
Ihn selbst hat vor 20 Jahren bei den Golden Oldies in Krofdorf-Gleiberg das Oldtimer-Fieber erfasst. Damals stand dort ein 190 SL Mercedes in weiß am Straßenrand. »Da habe ich zu meiner Frau gesagt: Den will ich haben.« Der Traum wurde erfüllt.
Da Franke allerdings selbst nicht schraubt, war er auf Mechaniker angewiesen. »So ein Fahrzeug kann allerdings heute nicht mehr jeder reparieren.« Denn viele Mechaniker seien ohne Bordcomputer, der ihnen Fehlermeldungen ausspuckt, aufgeschmissen. Es braucht handwerkliches Können und Erfahrung, um einen Oldtimer zu reparieren.
Zwischendurch wechselte der Dorf-Güller zu einem 1802 BMW (»so einen habe ich früher gefahren«) und erfüllte sich zwischendurch auch den Traum vom Porsche 911, Baujahr 1979, als Cabrio. Nun ist der Mercedes 280 SL seit einigen Jahren sein treuer Begleiter.
Als Oldtimerbesitzer braucht man allerdings auch ein Plätzchen, wo man seinen Schatz in der kalten Jahreszeit einmotten kann. Denn nach sechs Monaten am Straßenrand würde der Glanz schnell dem Rost weichen. Franke putzt seinen Oldtimer im Herbst gründlich durch, schließt ihn an die Ladeerhaltung für die Batterie an und erhöht den Reifendruck, um einen Standplatten zu vermeiden. Dann wird das Auto abgedeckt. Erst in einigen Wochen, wenn die Oldtimertouren wieder starten, wird die Plane abgenommen, der Motor wieder gestartet. Ein Moment, auf den sich der Oldtimer-Freund schon jetzt freut.
Aus seiner Sicht muss ein Oldtimer übrigens nicht unbedingt ein Mercedes oder Porsche sein. Auch ein Kleinwagen hat Potenzial, um für Freude zu sorgen: »Es kommt immer darauf an, welche Gefühle man mit dem Auto verbindet.« Da kann selbst ein Ford Fiesta einen Ferrari ausstechen.