Aufgabe mit Heimatnähe

(phk). »Allendorf ist Heimat«, sagt Jonas Wissner. Seit 2005, damals noch als Abiturient, berichtet er aus der kleinsten Kommune des Landkreises Gießen - seiner Heimat. Der 35-jährige Redakteur ist in Allendorf aufgewachsen, seine Eltern wohnen noch heute an der Hauptstraße. »Ich kenne hier jeden Baum und viele Leute«, sagt Wissner - genau das sei im Alltag als Redakteur aber auch eine Herausforderung, berichtet er, als wir uns bei bestem Spätsommerwetter auf einen Spaziergang durch die Kleinstadt machen, auch wenn »Ortskenntnis natürlich viel Wert ist«.
Der erste Weg führt zu einem Ort, den er früher mit seinen Freunden oft besucht hat: das Wehr in Richtung Londorf, das inzwischen naturiert ist. Es geht weiter in das kleine Gewerbegebiet Richtung Allertshausen, zurück Richtung Bahnhof, an den Gleisen der Lumdatalbahn entlang, die in einigen Jahren wieder hier fahren könnte, zurück in die Ortsmitte, durch die Altstadt in Richtung des neuen Gewerbegebietes samt Ärztezentrum Richtung Treis. »Die Wege sind weiter geworden, vor allem für Ältere«, meint Wissner nachdenklich.
Die Stationen unseres Weges beschreiben die Themen, die das Städtchen mit vier Stadtteilen beschäftigen: Wie gelingt es, abseits von großen Städten Gewerbe anzusiedeln? Wie gelingt es, die Infrastruktur gerade für ältere Bewohner aufrechtzuerhalten? Wie gelingt es aber zugleich, junge Familien anzuziehen, etwa durch Erhalt des Schulstandorts? Und was wird aus Natur und Umwelt, etwa dem Wald?
Wissner ist überzeugt: Gerade in kleineren Gemeinden sind die Menschen vor Ort gefragt, ihre Ideen einzubringen, die Politik muss sie dabei unterstützen. Entsprechend profitiere Allendorf mit seinen Stadtteilen von einem regen Vereinsleben. »Dadurch hat man es allerdings auch häufig mit denselben Leuten zu tun, die einfach viel machen, die sich in verschiedenen Vereinen und in der Politik engagieren«, sagt Wissner. »Dabei gäbe es sicher noch viele Geschichten von Leuten, die sich nicht unbedingt in den Vordergrund drängen.«
Fest steht: Auf beide Arten von Menschen kommt es beim Zusammenleben »auf dem Dorf« an, auch wenn Allendorf seit dem 14. Jahrhundert eine Stadt ist - und die Bewohner darauf auch durchaus Wert legen. Das Geschichtsbewusstsein ist groß, zwei unterschiedliche Vereine, die sich um die Bewahrung der Vergangenheit bemühen, zeugen davon, ebenso wie die Beflaggung der Hauptstraße in Schwarz und Blau, den Allendorfer Stadtfarben, etwa bei der Kirmes oder beim Nikelsmarkt, den beiden Highlights im Stadtkalender. »Gerade mit dem Nikelsmarkt verbinde ich viele schöne Erinnerungen«, sagt Wissner. »In dieser Woche herrscht Ausnahmezustand, das ist ein Pflichttermin für die Region.«
Erster Termin bereits 2005
Für Wissner, der die damalige Gesamtschule Lumdatal besucht hat, die inzwischen ein Standort der Lollarer Clemens-Brentano-Europaschule ist, gehört der Nikelsmarkt seit der Kindheit zum Standard. Doch zum Abitur und zum Studium hat es den Jüngsten von vier Kindern in größere Städte gezogen - heute wohnt er mit seiner Frau in Gießen. »Damals hätte ich nicht gedacht, dass ich beruflich mal zurückkomme, auch wenn ich das Glück hatte, bis heute gute Freundschaften aus Allendorf zu haben«, sagt Wissner. Doch viele dieser Freunde hat es eben auch in die größeren Städte gezogen. Aber Heimat bleibt Heimat - dazu gehöre etwa der feste Spazierweg der Familie an Feiertagen.
Und nun ist die Heimat auch Arbeitsplatz. Seit einer Seniorenmesse 2005, seinem ersten Termin, arbeitete er zunächst als freier Mitarbeiter. 2018 wurde er Volontär, 2019 Redakteur, profitierte vom Weggang eines Kollegen. Und versteht seinen Beruf in Allendorf und den Nachbarkommunen Staufenberg, Lollar und Buseck als Aufgabe. »Die beiden Lokalzeitungen sind die einzigen, die unabhängige Informationen liefern - das ist wichtig«, sagt er. »Zudem interessieren mich die verschiedenen Themen und unterschiedlichen Menschen, mit denen ich es Tag für Tag zu tun habe.«
