Auf keinen Fall Kartoffeln

Elektroherd kann jeder, aber Beate Schmüser kann auch anders, nämlich mit Dreibein, Haken und Feuerschale. Die gelernte Ernährungswissenschaft- lerin kennt sich aus mit der Küche des Mittelalters. Demnächst gibt sie einen Kochkurs in Lich. Was wird auf dem Speisenplan stehen? Bestimmt keine Kartoffeln.
Kochen ist für Beate Schmüser mehr als nur Beruf. »Eine Leidenschaft«, sagt die gelernte Ernährungswissenschaftlerin über ihr Metier. In den Kochkursen, die sie gibt, setzt sie auf Abwechslung. Sie experimentiert mit Wildkräutern, schaut sich um in den Küchen der Welt. Oder sie wechselt das Zeitalter. »Zu Gast bei Rittersleut und Bauernvolk« heißt ein Kurs, den die 55-Jährige aus Pohlheim am 14. Mai im VHS-Haus in Lich gibt.
Die Teilnehmenden erwartet ein besonderes Erlebnis. Gekocht wird nicht in der bestens ausgestatteten Küche der Bildungseinrichtung, sondern im Garten über offenem Feuer, so, wie es die Menschen im Mittelalter gemacht haben. Das Mittelalter. Neben dem Kochen ist es Schmüsers zweite Leidenschaft. Seit über 15 Jahren sind sie und ihre Familie mit den Freien Handwerkern zu Falheim auf Mittelalter-Märkten unterwegs. »Wir versuchen uns nicht nur optisch, sondern auch ernährungsmäßig dem Leben im Mittelalter anzunähern«, sagt die Pohlheimerin.
Es gibt eine ganze Reihe von Dokumenten, die Auskunft darüber geben können, was die Menschen vor sechs- oder siebenhundert Jahren gegessen haben. Aus der Mitte des 14. Jahrhunderts etwa stammt »Das Buch von der guten Speise«, 200 Jahre jünger ist das Kochbuch der Augsburger Kaufmannstochter Philippine Welser. »Die Quellenlage ist gut«, sagt Beate Schmüser, um diese Aussage gleich wieder einzuschränken. Belegt sind lediglich die kulinarischen Gewohnheiten der Oberschicht. Die einfachen Leute haben keine Rezepte hinterlassen; sie konnten ja nicht schreiben. Zweite Schwierigkeit: Die mittelalterlichen Kochbücher enthalten keine Mengenangaben. »Da steht immer: Man nehme dieses und jenes. Und am Ende häufig die Ermahnung: Und versalze es nicht!«, erzählt Schmüser amüsiert. Sie nimmt an, dass es sich bei den Rezepten nicht wirklich um Kochanleitungen handelte. »Es waren wohl eher Gedankenstützen für Menschen, die eigentlich kochen konnten.«
Die Pohlheimerin orientiert sich nicht nur an den Originalrezepten, sondern auch an Köchen wie Peter Lutz von der Ronneburg, die sich intensiv mit der Mittelalter-Küche beschäftigt und sie für den heutigen Geschmack übersetzt haben.
Viele Produkte, die heute den Speisenplan dominieren, kannten die Menschen im Mittelalter nicht. Kartoffeln, Tomaten, Zucchini, Bohnen hielten erst nach der Entdeckung der Neuen Welt Einzug in die europäische Küche. »Die Mittelalter-Küche« war sehr fleischlastig«, berichtet Beate Schmüser über die Gewohnheiten der Oberschicht. Die Bauern hingegen hätten sich vorwiegend von Getreide ernährt, aber weniger in Form von Brot. Sie aßen häufig Brei.
Den Speisenplan für ihren Kochkurs hat Schmüser noch nicht im Detail entworfen. »Das hängt auch von der Teilnehmerzahl ab«, sagt sie. Einen Eintopf werde es wohl geben, vielleicht Pasteten mit verschiedenen Füllungen, und sicherlich ein Gericht mit Getreide. Nicht Weizen, der den feinen Leuten vorbehalten war, sondern eher Gerste, Hirse oder Dinkel.
»Wir werden mehrere Gerichte über offenem Feuer kochen«, sagt die Kursleiterin. Die Technik nämlich ist neben den Zutaten die besondere Herausforderung der Mittelalter-Küche. »Elektroherd kann jeder«, sagt Schmüser.
Im Mittelalter, erzählt sie, hätten die Menschen eine Grube gebuddelt und darin das Holz aufgeschichtet. »Aber das wollen wir dem Rasen am VHS-Haus nicht antun. Ein paar Konzessionen an die heutige Zeit müssen wir machen.« Also wird sie ihre Feuerschalen und das Geschirr mitbringen, das sie sonst bei den Mittelalter-Lagern nutzt.
Auf eines müssen sich die Teilnehmenden einstellen: Die Zubereitung der Speisen dauert auf jeden Fall länger als gewohnt. »Das Holz muss erst anbrennen, durch Wind geht Wärme verloren, die Hitzeregulierung ist diffizieler und manchmal muss man noch ein paar Scheite nachlegen«, beschreibt Schmüser die Prozedur.
Das Thema »Zu Gast bei Rittersleut und Bauernvolk« hat die Kursleiterin übrigens ganz bewusst gewählt. »Ich wollte einen Mix. Die reine Herrentafel wäre mir zu fleischlastig.« Dass diese Form der Ernährung nicht die gesündestes war, verraten historische Quellen ebenfalls. Eine typische Krankheit, die Angehörigen der Oberschicht heimsuchte, war die Gicht.