Wohnmobil-Boom im Kreis Gießen: Auf der Suche nach Freiheit

Im Kreis Gießen entwickelt sich ein Verkehrsmittel zum Objekt der Begierde: Das Wohnmobil.
Der Wohnmobil-Boom ist ungebrochen. In den vergangenen zehn Jahren hat sich deren Bestand im Kreis Gießen mehr als verdoppelt. Allein im Corona-Jahr 2021 verzeichnet die Zulassungsstatistik ein Plus von 12,3 Prozent.
Lich hat einen, Biebertal auch. Grünberg hat einen nahe der Gallushalle und bekommt einen zweiten direkt neben dem Campingplatz. Wettenberg braucht keinen, denn da gibt es einen großen, schönen Campingplatz mit ausreichend Fläche. Wohnmobil-Stellplätze gibt es mittlerweile reichlich zwischen Flensburg und Garmisch - und auch in der Region Mittelhessen. Das ist gut so. Denn der Trend zum Urlaub in Deutschland hat mit Corona einen riesigen Aufschwung erfahren; Individualurlaub allemal.
Wohnmobile stark gefragt im Kreis Gießen
Für viele bietet sich das Wohnmobil als Alternative an. Unabhängiges Reisen ist garantiert dank Versorgung aus dem Supermarkt und mit einer kompletten Ausrüstung an Bord: Betten, Tisch und Bänke, Gasherd, Kühl- und Gefrierkombi, Heizung, Waschraum mit Dusche und WC - sämtliche Technik wahlweise mit Gas, Bordbatterie oder Stromanschluss zu betreiben. Herz, was willst du mehr?!
Dazu braucht es auf Reisen einen einigermaßen ebenen Stellplatz, idealerweise mit Stromanschluss, und alle paar Tage eine Station zum Entsorgen von Chemieklo und Abwasser.
»Die Zahl der Wohnmobile hat einen neuen Höchststand erreicht«, vermeldet der Zeitungsdienst Südwest. Teja Banzhaf, Autor einer kleinen Studie, kommentiert dies mit den Worten: »Freiheit und Abenteuer (so die Werbebotschaft) haben Konjunktur.«
Kreis Gießen: Händler können sich vor Nachfragen nach Neu- und Gebrauchtfahrzeugen kaum retten
Auch im Kreis Gießen: Zwischen 2012 und 2022 hat sich der Bestand an Wohnmobilen mehr als verdoppelt. Bei der heimischen Zulassungsstelle waren von diesen Ferienhäusern auf Rädern zu Jahresanfang 2022 insgesamt 2292 Stück registriert - ein Rekordwert. Vor zehn Jahren waren es noch 1073. Das ist ein Zuwachs von 113 Prozent. Allein im Jahr 2021 legte die Zahl der Wohnmobile im Kreis um 12,3 Prozent zu. Die Werte decken sich mit jenen im Bundesschnitt.
Die Gemengelage jedenfalls freut die Händler. Sie können sich vor Nachfragen nach Neu- und Gebrauchtfahrzeugen kaum retten. Denn gar mancher Urlauber, der in früheren Jahren solch einen Camper-Van für unbeschwerte Ferientage gemietet hat, der hat sich jetzt zum Kauf entschlossen. Ein Trend, der seit Jahren anhält, und der durch Corona nochmals befeuert wurde.
Da hatten sich zu Zeiten des Lockdowns ganz neue Perspektiven aufgetan. Was war das für ein Spaß etwa an der Fernwalder Ratsstube »Edelweiß«, als das Essen als »Wohnmobil-Dinner« auf dem Parkplatz serviert wurde. Da wurde aus der Not eine Tugend; und die Flasche Riesling mundete ganz unbeschwert. Schließlich war das Bett gleich mit dabei.
Wohnmobil-Boom im Kreis Gießen: Bestand an Campern steigt stetig
Sven Gaidies betreibt in Biebertal eine Fachwerkstatt für italienische Automobile und hat zudem seit vielen Jahren auf Wohnmobile als weiteres Standbein gesetzt. Er ist selbst begeisterter WoMo-Urlauber und sagt: »Die Nachfrage ist ungebrochen. Es kommen von den Herstellern nicht genug neue Autos nach.« Gaidies hat derzeit neun Mobile in der Vermietung, legt seien Schwerpunkt mittlerweile auf Verkauf und Service.
Mietpreise beginnen bei den Verleihern mit Tagessätzen knapp unter 100 Euro, je nach Größe und Ausstattung des Wagens und je nach Jahreszeit. Das ist kaum teurer als vor Corona. Schließlich gilt es, auch die vielen Bestandskunden zu pflegen. Neue Wohnmobile gibt es in der Größenordnung ab 50 000 Euro zu kaufen. Nach oben hin sind kaum Grenzen gesetzt.
Dass der Bestand an Campern immer weiter steigt, hängt auch damit zusammen, dass nur wenige Wohnmobile verschrottet werden, weiß Fachmann Banzhaf und benennt sogleich den Pferdefuß: »Eigentlich ein Öko-Traum an Nachhaltigkeit. Wären da nicht massenweise Diesel unter der Haube, die wegen ihrer Langstreckentauglichkeit beliebt, aber in den Versionen Euro 5, Euro 4 und älter im Visier der Deutschen Umwelthilfe und vergleichbarer Organisationen sind.«
Noch einmal zurück zu den Stellplätzen: Auch wenn bunte Werbeprospekte Bilder von lauschigen Abenden direkt am See zeigen, so ist das in der Realität eher seltener zu haben. Zwar darf man auf Parkplätzen so lange pausieren, bis die Fahrtüchtigkeit wiederhergestellt ist - also auch mal über Nacht. Aber das war’s dann auch. Ansonsten sollten WoMo-Stellplätze oder eben Campingplätze die erste Wahl sein, um Ärger zu vermeiden. (Rüdiger Soßdorf)