Auch Lich und Hungen sind »spots.«

Es geht um Film. Es geht um die Möglichkeit, sich auszudrücken und etwas zu bewirken. Es geht um Demokratie. Mit der Initiative »spots.« macht die Deutsche Filmakademie ein ganz besonderes Bildungsangebot. Junge Leute aus Lich und Hungen gehören zu den ersten, die davon profitieren.
Der Moment,in dem Anika Wagner begriffen hat, was Demokratie bedeutet, war völlig unspektakulär. Die Filmemacherin aus Lich hat als Studierende im Frankfurter Film- und Kinobüro ermäßigte Beiträge für Geringverdiener gefordert. Und siehe da: Sie hatte damit Erfolg. Dass jeder einzelne Mensch zählt und etwas bewirken kann: Diese Erkenntnis ist für Wagner das Wesen von Demokratie. Jetzt trägt sie dazu bei, möglichst vielen jungen Leuten solche Erfahrungen zu vermitteln. Die Mitarbeiterin des Kinos Traumstern ist Projektkoordinatorin von »spots.«, einer Initiative der Deutschen Filmakademie, die an insgesamt 36 kleinen und mittleren Städten in der Bundesrepublik realisiert werden soll. Lich gehört gemeinsam mit den Nachbarn aus Hungen zu den ersten sechs Orten, die davon profitieren.
Eingebunden sind neben dem Traumstern auch die Gesamtschule Hungen, die Evangelische Stiftung Arnsburg (ESTA) und das Jugendzentrum Lich. Die Vielzahl der Akteure hat einen Grund. Neben demokratischer Bildung und der Vermittlung filmischen Handwerks geht es bei »spots.« auch darum, lokale Netzwerke zu knüpfen, die im besten Falle langfristig zusammenarbeiten.
Aber erst einmal geht es um das Programm bis zum 2. Juli. Bis dahin soll eine Reihe von Kurzfilmen entstanden sein, um sie bei einem Kinofest im Traumstern auf der großen Leinwand zu präsentieren.
Noch sind sie nicht abgedreht, ja noch nicht einmal erdacht. Der kreative Prozess soll sich Ende Mai, Anfang Juni in zwei Wochenend-Workshops im Licher Jugendzentrum entfalten. Am ersten Wochenende entwickeln die Teilnehmer Ideen für ihre Clips und lernen, wie man sie zu Papier bringt. Im zweiten Wochenend-Workshop Anfang Juni soll das Material dann geschnitten werden.
Wer jetzt beim Gedanken, ein Drehbuch schreiben zu sollen, zusammenzuckt, den beruhigt Anika Wagner sofort. Es gehe nicht um ausgefeilte Texte. »Es gibt ganz einfache Techniken.« Auch inhaltlich sei das Projekt sehr offen, das Thema »Demokratie« könne frei interpretiert werden. Für die Drehs zwischen den Workshops bleibt eine Woche Zeit. Die Jungen Leute bekommen dafür iPads ausgeliehen und können sich mit ihren Fragen jederzeit an die Koordinatorin, die Film studiert hat, wenden.
Inspirationen für ihre Clips können sich die Teilnehmer im Vorfeld bei einer prominenten Schauspielerin holen. Nina Kronjäger, die viele aus den »Ostwind«-Filmen kennen, hat für das Licher »spots.«-Projekt die Patenschaft übernommen. Am 27. Mai wird sie in einem Workshop in Lich erklären, worauf es beim Schauspielen für einen Film ankommt. »Sie ist gebürtige Marburgerin und freut sich sehr, in die Region zu kommen«, berichtet Anika Wagner.
Finanziert wird »spots.« unter anderem von der Bundesregierung. Nach den Anschlägen von Hanau habe die Beauftragte für Kunst und Medien Mittel für die demokratische Bildung zur Verfügung gestellt, erläutert die Koordinatorin. Dass Lich gleich in der ersten Runde zum Zuge kam, ist dem Traumstern zu verdanken. »Die Filmakademie ist direkt auf das Kino zugegangen«, berichtet Wagner.
Davon bereits profitiert haben Elftklässler der kooperierenden Gesamtschule Hungen bei besonderen Unterrichtsangeboten. Um Diskriminierung und Sexismus im Film ging es in einem Workshop, den das Netzwerk Demokratie und Courage anbot. Dabei sind laut Wagner sehr schnell gängige Klischees offenbar geworden. »Bei Helden denken alle an den starken weißen Mann und gerettet werden muss die schwache weiße Frau.« Als weiteres Angebot gab es einen Einsteigerkurs ins Filmemachen. Unter Anleitung von Tatjana Moutchnik und Abhinav Sahwney entstanden Tiktoks auf dem Handy.
Auch wenn es bis zum Kinofest im Juli noch viel zu tun gibt, denkt Anika Wagner schon ein Stück weiter. »Danach wird es weitere Angebote geben«, verspricht sie. Bereits vereinbart wurden eine Kooperation mit der Bildungsinitiative Ferhat Unvar und dem Frankfurter Filmemacher Marcine Wiedzchowski über die Anschläge von Hanau und ihre Folgen. Vor allem aber hofft die Projektkoordinatorin, dass sich aus dem Bündnis von Kino, Schule, ESTA und JuZ weitere Aktivitäten entwickeln. »Wir wollen zeigen, welche Angebote es vor Ort gibt, um Filme zu machen.« Ideen gibt es genug: Fahrten zum offenen Kanal oder zu Leica, ein Besuch im Kostümverleih, ein Maskenbildner-Kurs, Filmmusik. Wagners großer Wunsch wäre »was Dauerhaftes«. Ein Filmclub zum Beispiel. Mit dem Kino Traumstern gebe es eine passenden Ort, an dem sich junge Filmemacher ausprobieren können.
Freie Plätze für Workshops
Für die Filmworkshops am 28. und 29. Mai sowie am 4. und 5. Juni im Jugendzentrum Lich gibt es noch freie Plätze. Infos und Anmeldung unter: https://bit.ly/3JyVTpk